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Preisvergleich-Tools: Programmierer*innen überholen Minister Kocher in ihrer Freizeit

Software-Entwickler Mario Zechner hat in zwei Stunden ein Preisvergleich-Tool aufgesetzt, für das Wirtschaftsminister Martin Kocher von der ÖVP mehrere Monate veranschlagt hat. Dabei hat Zechner auch interessante Beobachtungen gemacht.

Von Simon Welebil

Was hilft gegen die immer noch hohe Inflation in Österreich? Eine Transparenzdatenbank, um Preise vergleichen zu können, sagt die Bundesregierung. Wirtschaftsminister Martin Kocher von der ÖVP hat vor einem Monat angekündigt, einen Online-Preisrechner für 16 Grundnahrungsmittel umsetzen zu wollen – bis Herbst.

Software-Entwickler Mario Zechner aus Graz konnte nicht nachvollziehen, warum die Entwicklung so eines Tools so lange brauchen würde, vor allem bei so einer dringenden Angelegenheit. In seiner Familie und in seinem Freundeskreis hat er den Leidensdruck mitbekommen, den die Inflation mit sich bringt, durch Preissteigerungen bei Energie und Mieten, aber eben auch bei Lebensmittelpreisen, und sich deshalb überlegt, wie man ein Tool basteln könnte, das einem täglich aktuell die billigsten Eier und die billigste Milch auswirft.

Zwei Stunden später hatte er seinen ersten „Proof of Concept“ fertig, hat ihn als heisse-preise.io online gestellt und den Code als Open Source auf Github.

Technisch funktioniert das Projekt so, dass einmal am Tag die Onlineshops verschiedener österreichischer und internationaler Lebensmittelhändler und Drogerien gescrapet, also abgegriffen, werden. 130.000 Artikel werden aktuell jeden Tag erfasst und online bereit gestellt.

Was den Code anbelangt, ist der Umfang des Projekts noch immer sehr bescheiden, Mario Zechner spricht von 3.000 Zeilen Code, zu denen mittlerweile auch andere Entwickler*innen beigetragen haben, die über Twitter auf das Projekt gestoßen sind. Neben der reinen Preisanzeige gibt es auf heisse-preise.io mittlerweile auch die Möglichkeit, die Preishistorie bis 2017 zurückzuverfolgen und sich Preisentwicklungen auch über verschiedene Handelsketten hinweg anzusehen.

Mario Zechner stellt aber nicht nur das Werkzeug zur Verfügung, sondern macht damit auch eigene Beobachtungen und erkennt Muster, die er über Twitter teilt. Etwa, dass die Preise für Diskontprodukte der Eigenmarken der verschiedenen Ketten oft auf den Cent genau deckungsgleich sind und nahezu gleichzeitig billiger oder teurer werden.

Mario Zechner leitet daraus ab, dass die Ketten entweder dieselben Lieferanten haben, die ihnen diese White-Label-Produkte für ihre Diskontmarken zu denselben Bedingungen liefern, dass es vielleicht aber „auch automatisierte Systeme im Hintergrund gibt, damit diese Preisgarantien, die die Händler gegenüber den Kunden abgeben, auch eingehalten werden können“, eine Schlussfolgerung, die Spar und Rewe allerdings gegenüber Ö1 zurückweisen, was wiederum von Zechner nicht unwidersprochen bleibt.

Weitere Beobachtungen Zechners sind etwa, dass Preiserhöhungen in österreichischen Supermärkten oft unmittelbar nach Angebotsaktionen durchgesetzt werden, dass Produkte in Deutschland oft sehr viel günstiger sind, selbst wenn sie aus österreichischer Produktion stammen, und dass man mit dem Tool auch die „Shrinkflation“ nachweisen kann, also dass zwar der Preis eines Produktes gleich bleibt, aber der Inhalt weniger wird.

Mario Zechner ist nicht der einzige Software-Entwickler, der sich mit Preisvergleichen und Inflation beschäftigt, bei Preismonitor.at, Teuerungsportal.at und Preisrunter.at haben sich andere Entwickler*innen auch von ÖVP-Minister Kocher motivieren lassen. Sie alle sind mittlerweile miteinander im Austausch, sagt Zechner, und helfen sich gegenseitig weiter. Besonders hübsch ist keine der Webseiten, weil sie nicht von Frontend-Entwickler*innen stammen, die sich um die Gestaltung einer Website kümmern, sondern um das, was im Hintergrund abläuft. Deshalb brauchen Ungeübte oft ein wenig Zeit, um sich auf den Preisvergleichsportalen zurechtzufinden.

Einen offiziellen Preismonitor im Herbst könne sich die Regierung bei all den guten Seiten mittlerweile wohl sparen, meint Zechner. Die Inflation in Österreich ist damit aber noch nicht bewältigt.

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