Hält, was der Name verspricht: „Drama Pop“ von ARAI ist da
Es war vor knapp einem Jahr, da ist ein Ohrwurm in der Wiener Soundbubble aufgetaucht, der nicht mehr verschwinden wollte. Es gab viele Gründe, den Song „Little Stupid Boy“ auf Anhieb zu mögen, den minimalistischen Beat, der erst nach und nach Fahrt aufnimmt, den catchy Chor-Refrain, die seltsame Aussprache der ersten Worte („I guess your heart is made of rubber“...). Vermutlich gab es auch ein paar Gründe, von der Nummer genervt zu sein, zumindest, wenn man mit Musicals und pompösen Chören nicht viel anfangen kann. Das ist Artur Aigner durchaus bewusst – willkommen im Drama Pop, dem von ihm selbst erfundenen Genre.
„Drama Pop ist für mich eine extrem impulsive Musikrichtung. Es geht vor allem darum, die Hörer zu überraschen. Eine stille Nummer kann plötzlich aufgehen und laut werden, oder es setzt irgendwann ein Musicalchor ein. Hauptsache, man nimmt sich selbst nicht allzu ernst!“
ARAI
Auch im Interview wird klar, dass der Wiener Multiinstrumentalist genau weiß, was er tut. Grinsend steht er beim Glitzervorhang, schiebt sich das Rüschenhemd zurecht und zuckt mit den Schultern. Die große Effektkiste kommt ihm für seine hochtheatralischen Popsongs gerade recht. Artur Aigner gibt die Rolle des glamourösen, herzgebrochenen Alleinunterhalters sehr überzeugend, denn auch, wenn er derzeit live auf der Bühne Bandverstärkung bekommt, ist das Projekt ARAI, benannt nach den Anfangsbuchstaben seines Vor- und Nachnamens, zu einhundert Prozent in Eigenregie entstanden.
Die Bedeutung von Humor für das Album „Drama Pop“ kann man nicht genug unterstreichen. Dieser findet sich nicht nur in den verspielten Arrangements, in denen etwa Pizzicato-Strings mit Deephouse-Beats Hand in Hand gehen oder die ein softrockiges E-Gitarrensolo mit Autotune-Koloraturen zusammenbringen. Man hört ihn auch im geflöteten „Fuck uuuu“, im theatralisch performten „Ra-papa-papa-papaaa“ und in Texten wie aus „Cats“, wo die Katzenallergie eh schon wurscht ist, weil das gebrochene Herz dich vorher schon lang um die Ecke gebracht hat.
But I’m allergic to cats
Like one of them could kill me fast
But that doesn’t matter cause you killed me long before that
Yeah, yeah
Wie viele stark konzeptuelle Alben ist aber auch „Drama Pop“ in zwei Hälften geteilt. Während die erste sich kindlicher und bunter gibt und mit dem Albumhighlight „We two too shy“ so etwas wie „Little Stupid Boy, Teil 2“ beinhaltet, wird es in der zweiten Halbzeit etwas erwachsener und ernster. Die verlorenen Jugendlieben und Alltagssorgen des Anfangs weichen bis zum siebenminütigen Closing Track „Daydreams & Fears“ einer existenzielleren Suche nach Richtung im Leben.
But why is it my fault if I don’t see my line?
Mom and Dad, I can’t keep up with all this rush in life
Die nachdenklichere Tonart, die ARAI gegen Ende anschlägt, scheint auch der Weg zu sein, den Artur Aigner mit seinem Soloprojekt in Zukunft gehen will. Im Interview berichtet er, dass er seine kommenden Alben bereits mehr oder weniger fertig im Kopf hat. Das Spiel zwischen Hell und Dunkel wird er darauf definitiv weiterführen: „Hauptsache, man weiß weiterhin nicht genau, was von ARAI kommt.“ Ideen hat er jedenfalls genug.
Publiziert am 06.07.2023