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Porridge Radio

Matthias Rhomberg

festivalradio

And now my heart aches

Herzwehband absolut, oder: eine für die, die Worte mögen. Porridge Radio sind gestern Abend am Poolbar Festival in Feldkirch aufgetreten.

Von Lisa Schneider

Manche Menschen leiden, andere leiden sehr, und wieder andere schreiben Lieder drüber. Wenn Musik ein Verständigungsmittel ist, dann dafür, und wenn eine Band sehr gut ist, bricht die Wand zwischen Bühne und Publikum. Porridge Radio bearbeiten mit ihren Liedern seit 2015 den Begriff „intensiv“, aktuellst am Album „Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“. Gerade spielen sie einige Europa-Auftritte, so wie gestern am Poolbar Festival in Feldkirch. Dana Margolin, Georgie Scott, Maddie Ryall und Sam Yardley sind mit dem Zug aus Luxemburg angereist. Sie sind gut gelaunt, das wissen wir schon seit Instagram.

Seeleausschütteln und dann sogar ein bissi Reinwaschen, wenn man das Wort „Katharsis“ hört, denkt man immer noch am besten an Live-Auftritte von Florence Welsh, aber auch Dana Margolin steht als Musikerin, Texterin und Sängerin ihrer Band in einer ähnlichen Tradition. Ein Auftritt ist ein Weltenverschieben, jedes Mal wieder ein Stück, und wer solche Lieder schreibt, muss schon auch immer wieder an den Ort zurückkehren, wo sie hergekommen sind. Nicht jede Minute ist Heartbreak, dazwischen ist der langweilige Alltag, aber Porridge Radio gehen an diesem Abend wieder für 75 Minuten dahin, wo’s brennt in Körper und Seele. Was macht das aus und mit einem Menschen?

Den Spruch von Therapie und Kunst haben wir oft gehört, auch Dana Margolin kommt darauf zurück, wenn sie das aktuelle Album ihrer Band bespricht. Schmerzteilen in der Hoffnung auf Verständnis und Verständigung, aber gar nicht nur. Hier wird die Liebe in allen ihren Spiel- und Spaßformen festgehalten, Romantik ist nur eine davon. Zugehörigkeitswille ist eine Sache, die nur Menschen abstreiten, die noch nie alleine waren, und auch zwischen alleine und einsam besteht noch ein Unterschied. Vielleicht ist auch das Leben, die anderen immer misszuverstehen, immer und immer wieder, und dann, nach gehöriger Abwägung, nochmal. Wir irren uns laufend, oder: Insert Satz über Menschen und Inseln.

Porridge Radio

Matthias Rhomberg

Donner und Blitz draußen, Donner und Blitz drinnen. Porridge Radio treten im „Pool“ auf, einem Indoor-Raum am Poolbar Festival, als sehr guter Support wurden DIVES eingeladen. Die Stimmung ist gitarrenverliebt, aber wo DIVES immer sanft mit dem Surf-Genre und somit einer generell gelockerten Grundstimmung anbandeln, legen Porridge Radio die Schalter um auf Alles-oder-nichts. Dana Margolin gibt in fast jedem ihrer Lieder ein Mantra vor, eine Phrase, eine Zeile, die sie so oft wiederholt, bis sie sich selbst überzeugt hat, oder eben nicht. So auch gestern live, Überwältigung, als sie da so steht und sich um ihre Worte dreht und die Band ihr im Hintergrund den Sturm in den Rücken spielt. Eine kleine Auswahl der gestern Abend schönsten Mitsing-Zeilen, wiederholt mal tausend und eingebrannt ab jetzt für immer: „And now my heart aches“ („The Rip“), „I’m stuck“ und aber auch „I’m kind“ („Lilac“), „Back and back and back and back again“ („U can be happy if you want to“) oder „I don’t wanna be loved“ („Birthday Party“). Irgendwann geht das Herz im Takt.

Dana Margolin hat ihre Musik einmal mit dem schönen Satz umschrieben: “I wanted it to sound like when your heart breaks so badly that your entire body aches”. Es stimmt, es klingt so: „My skin is tied to your skin / so everything I touch, you touch“ oder: „my head is stuck to your head / so everything that I think belongs to you“. Porridge Radio schreiben Erschütterungslieder, Schluchzsingen gehört dazu, ein guter Freund, den man ja alle paar Wochen mal zitieren darf, würde in favor of sagen: „Do gspiast di“. Nämlich dich selbst und so ziemlich alles andere im Raum. Hier werden Sehnen, Muskeln und überhaupt alles Anzuspannende auf einem Level eingesetzt, das andere im Fitnesscenter nicht erreichen. Kopfschütteln, Unglaublichkeit, Dana Margolins Haarband löst sich spätestens beim Song „Birthday Party“, da liegt’s dann hinter ihr am Boden und hat den besten Ausblick von allen.

Porridge Radio

Matthias Rhomberg

Alles wiederholt sich im Pop, manchmal gibt’s ein Schlupfloch. Manche können das, Wohingehen, wo noch niemand vorher war. Gute Zeilen sind vor allem auch immer die, bei denen man zwar situations- und sozialisationsabhängig glaubt, sie im Kopf vervollständigen zu können, die dann aber in eine völlig andere Richtung abbiegen. Wörter sind auch bei Porridge Radio alles (schreib’s dir auf, Martin Gore), immer reden, reden, reden („but we cannot get better / if we can’t talk about it“), aber vor allem immer ohne abgekaute Phrasen und Plattitüden. Und dann ist da dieser dazu so gut passende, schwebende Tonfall am Anfang jedes Songs der Live-Setlist, wenn Dana Margolin zu erzählen beginnt, mit ehrfurchtsvoller Stimme, die ganz unverhohlen preisgibt, dass nichts ihr Leben stärker bestimmt hat als die Erwartungen anderer Menschen.

Sich mit einem anderen Menschen zu konfrontieren hat auch immer mit Selbstreflexion zu tun, da merkt man, wie klein und schäbig, wie unendlich groß und glücklich man ab und zu sein könnte. Vielleicht ist das eine Grundessenz dieser Band und ihres Auftritts, das Spiegelvorhalten und die Tatsache, dass ohne die anderen nichts geht. Es ist zach, aber es ist schon auch sehr gut so.

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