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Alfred Dorfer und Josef Hader mit orangem Auto

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Der österreichische Kult-Klassiker „Indien“ wird 30 Jahre alt

Josef Hader und Alfred Dorfer als ungleich liebenswertes Paar glänzen in diesem tragikomischen Roadmovie, das von seinen Protagonisten und seinen vielen legendären Zitaten lebt und das Herz dabei am rechten Fleck trägt. Wie nur wenige andere Filme hat „Indien“ das österreichische Kino geprägt.

Von Jan Hestmann

„Wos i scho gern mog, san diese bochanen Champignons, so aussabochn, mit Sauce Tartare“, kommt Bösel beim Autofahren ins Sinnieren. Fellner könnte es nicht weniger interessieren, er setzt sich demonstrativ seine Kopfhörer auf. Während der strebsame Kurt Fellner (Alfred Dorfer) ein wandelndes Lexikon ist, und sein breites Allgemeinwissen auch gern bei jeder Gelegenheit ungefragt zum Besten gibt, redet Heinz Bösel am liebsten von seinen kulinarischen Vorlieben. Und da gilt: Hauptsache aussabochn.

Die beiden Arbeitskollegen auf Dienstreise, die mit Bösels klapprigem Auto durch die karge, von riesigen Strommasten und brachialen Ölpumpen gezierte Landschaft streifen, um Qualitätskontrollen in Wirtshäusern durchzuführen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Bösel drückt bei den Überprüfungen gern ein Auge zu und lässt sich dafür mit ein paar Flaschen Doppler vom Wirten bestechen. Mit Fellner hingegen ist nicht zu spaßen, der nimmt seinen Job sehr ernst („Eine Dusche, aus der fünf Minuten kein Wasser kommt, ist keine Dusche, sondern eine Lotterie!“) und kann auch mit der obszönen Sprache seines Kollegen nichts anfangen. Es dauert also nicht lange, bis die beiden zum ersten Mal aneinandergeraten.

Wos i scho gern mog, san diese bochanen Champignons

„Indien“, das war ursprünglich ein Kabarettstück von Josef Hader und Alfred Dorfer. Gemeinsam mit Paul Harather haben die beiden dann ein Filmdrehbuch daraus gemacht, Harather hat die Regie übernommen. Wie Stück setzt sich der Film grob aus zwei tonal sehr unterschiedlichen Teilen zusammen. Während der erste eine launige Komödie ist, ein Roadtrip, bei dem eine Wuchtel die nächste jagt („Ich moch jetzt die Kiwidiät: ollas außer Kiwi“), ist der zweite Teil eine tragikomische Geschichte über eine Freundschaft und über Tod. Getragen werden beide Teile von der unvergleichlichen Chemie zwischen Bösel und Fellner. Man kann sich dabei kein Duo vorstellen, das das besser auf die Leinwand gebracht hätte als Josef Hader und Alfred Dorfer.

Josef Hader und Alfred Dorfer sitzen auf einem Bett

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Ein ungleiches Paar: Bösel (Josef Hader) und Fellner (Alfred Dorfer)

Eskalationspotenzial bietet die gemeinsame Dienstreise der beiden Streithähne zur Genüge. Sei es Bösels Fäkalsprache, die Fellner zur Weißglut treibt („Wenn Sie noch einmal ‚scheißen‘ sagen, ...“), oder die von Fellner achtlos weggeworfene Fernsehbeilage, die steigende Rivalität beim Schnapsen oder Trivial-Pursuit-Spielen („Wieviele Zähne hat der weibliche Buckelwal?“), Bösels Größenwahn bei Überholmanövern auf der Straße oder ein ruiniertes 5.000-Schilling-Sakko. Trotz aller Widrigkeiten kommen sich die beiden im Lauf des Geschehens näher. Es entsteht so etwas wie eine Freundschaft, die ihren ersten Höhepunkt beim Scheißen, ihren zweiten in einer ausgelassenen Tanzszene mitten im Nirgendwo hat.

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In der aktuellen Folge des FM4 Film Podcast schauen Christian Fuchs und Jan Hestmann zusammen mit Regisseur Paul Harather zurück auf das Phänomen „Indien“.

Fellner, ein Liebhaber der indischen Kultur - der Grund, wieso der Film „Indien“ heißt - trägt eine Musikkassette mit Sitarmusik bei sich, legt sie ins Autoradio ein und überredet Bösel zu einem Tanz. Es ist der Moment, in dem Bösel langsam beginnt, aus sich herauszukommen, alle Probleme dieser Welt kurz beiseite legen kann, als Fellner versucht, einen Strommasten zu erklimmen und unter plötzlich einsetzenden Schmerzen zusammensinkt. Fellner landet im Krankenhaus, später wird ihm Hodenkrebs diagnostiziert. Stets an seiner Seite in dieser schweren Zeit: Bösel.

„Indien“ ist 1993 in den heimischen Kinos erschienen und war dort sehr erfolgreich. Über 200.000 Besucher:innen haben ihn damals gesehen. Bis heute genießt „Indien“ eine große Beliebtheit beim heimischen Publikum. Das mag zum einen an den grandiosen Performances von Hader und Dorfer liegen und an den unzähligen Textzeilen, die bis heute rauf- und runterzitiert werden („Danke, ganz lieb!“). Es liegt aber auch an der eigentümlichen Mischung aus Komik und Tragik und der mächtigen Melancholie, die über dem Film hängt, unterstützt von der Weite der monotonen Landschaft, die an US-amerikanische Roadmovies erinnert, und auch von der wunderbaren Filmmusik von Ulrich Sinn - mit einer einfachen Melodie, die einem bei jedem Rewatch des Films schon beim ersten Ertönen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert.

Auch wenn sich Sprache und Humor in den letzten 30 Jahren bestimmt stark geändert haben und vieles, was in „Indien“ gesagt wird, heute in einer österreichischen Komödie so nicht mehr gesagt werden könnte, ist der Film trotzdem einer für die Ewigkeit. Ein Film über Leben und Sterben, Lachen und Weinen. Ein Film, der das Herz am rechten Fleck trägt und das auch in jeder Szene spüren lässt. Alles Gute zum Dreißiger, „Indien“.

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