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Georgia

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Georgia fühlt sich euphorisch und melancholisch zugleich

Georgia nennt ihr drittes Album „Euphoric“. Es handelt sich dabei um faszinierenden Alternative-Pop der Singer-Songwriterin und Producerin aus London, die damit nun auch größer als Vokalistin in Erscheinung tritt als bisher. Rostam, der Ex-Vampire-Weekend-Musiker und Grammy-Preisträger, ist beteiligt an dieser Entwicklung.

Von Eva Umbauer

Georgia hat einmal in einem Interview gesagt, dass sie nie woanders gelebt hat als in ihrer Geburtsstadt London. Das klang ein wenig nach Entschuldigung, die es aber gewiss nicht brauchte. London, das so prägende und für immer geliebte Monster. „I live and breathe this city“, sagte Georgia einmal. Schließlich aber war sie trotzdem voller Euphorie nach Los Angeles gegangen, um dort mit Rostam Batmanglij ihr drittes Album, „Euphoric“, zu machen.

Nachdem Georgia ihre letzten beiden Alben in einem Radius von drei Metern um ihr Schlafzimmer herum geschrieben hatte, war es für sie wichtig, einen neuen physischen und emotionalen Raum zu finden, in dem sie schreiben konnte: „Ich wollte ein Abenteuer! Als selbst produzierende Musikerin ist es leicht, sich auf eine Sache oder einen Ort festzulegen.“

Georgia

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„Euphoric“ von Georgia ist bei Domino Records erschienen.

Georgia konnte sich nun verstärkt auf das Singen konzentrieren. Sie gab das Produzieren erstmals ab, nicht ganz, aber schon beträchtlich. Die Situation war aber letztlich kein „Ich bin der Producer, du bist die Sängerin“, denn das war Rostam Batmanglij - kurz Rostam - wichtig. Der US-Amerikaner mit iranischen Wurzeln war Gründungsmitglied von Vampire Weekend, produzierte die ersten drei Alben der New Yorker Band und gewann einen Grammy für eine dieser Produktionen. Seither war Rostam mit Musikerinnen wie Clairo, Charli XCX oder Haim im Aufnahmestudio.

Rostam war praktisch der Erste, der Georgia sagte, dass sie eine Sängerin ist. Das hatte Georgia so noch nie jemand gesagt. Rostam schrieb Georgia an, nachdem er den Track „Live Like We Are Dancing“ gehört hatte, den Georgia gemeinsam mit dem Briten Mura Masa aufgenommen hatte. So auf die Art: „Will nicht stören, aber ich liebe deine Stimme.“ Da ist diese Britishness, diese Natürlichkeit, und auch dieses leicht geheimnisvolle Zurückhaltende des niemals Alles-Preisgebens, auch wenn Georgia in einem der neuen Tracks etwa die Zeilen „Can’t even get to sleep, do I need therapy?“ singt.

Georgia kann Balladen singen, sie kann aber auch ein wenig wie die Schwedin Robyn an den Electropop herangehen - „Somethings We’ll Never Know“ heißt der Track dazu auf dem neuen Album. Oder sie kann wie aus der Ambient-Welt des William Orbit heraussteigen: „Give It Up For Love“ erinnert ein wenig an die Orbit-Produktion von „Pure Shores“ von der Londoner Band All Saints aus dem Jahr 1999.

William Orbit, der legendäre britische Dance-Producer ist nicht nur einer der ersten Remixer, sondern auch ein großer Songwriter. Seine Alben mit Madonna („Ray Of Light“ und „MDNA“) oder Blur („13“) sind Meilensteine der Popgeschichte. Es war auch William Orbit, der nach längerer Musikpause Georgia bat, mit ihm einen Track zu machen, und so singt Georgia in „Bank Of Wildflowers“ auf dem letzten Sommer erschienenen William-Orbit-Album „The Painter“.

Ein gewisser Neil Barnes hat einen Remix von „Bank Of Wildflowers“ gemacht. Neil ist eine Hälfte vom Londoner Electronic-Duo Leftfield, das in den 90ern maßgeblich beteiligt war an der britischen Dance-Scene, und Neil ist der Vater von Georgia, die als Schlagzeugerin begann, etwa für Kae Tempest. Georgia verlässt also nun ihr Londoner Homestudio und den Bedroom-Pop - sie schrieb zuletzt auch für Pop-Superstar Shania Twain -, ohne sozusagen ihre Wurzeln zu „verraten“.

Eigentlich ist Georgia nun mehr sie selbst als je zuvor, mehr als bei ihrem selbstbetitelten, 2015 erschienen Debutalbum und auch mehr als beim 2020 rausgekommenen Nachfolger „Seeking Thrills“, der für den bedeutenden britischen Mercury Music Prize nominiert worden war. Der Preis ging dann zwar an Michael Kiwanuka, aber das machte nichts, Georgia war in ihrer bescheidenen Art nun nicht mehr zu stoppen.

Letztes Jahr tourte Georgia etwa mit der Band Haim aus Los Angeles (Danielle Haim ist ihre Lieblingsmusikerin aller Zeiten). Oder sie feilte an ihren Lyrics, denn das Texten fand Georgia bisher nie so einfach. Melodien erschaffen, das ging immer bei ihr, das Texten aber war oft so eine Sache. Nun - mit Rostam im Producer-Sessel - konnte sich Georgia erstmals an das Piano setzen und darauf konzentrieren, welche Worte sie singen wollte.

„Learnt my lesson the hard way, but still I’m running“, heißt es in „So What“, dem letzten Track am Album, einem Pianosong und langsameren Stück, das Georgia zusammen mit dem Briten Justin Parker geschrieben hat. Justin komponierte bereits mit Musikerinnen wie Bat For Lashes, Ellie Goulding oder Banks, und er schrieb zusammen mit Lana Del Rey den Hit „Video Games“.

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Alexander „Mura Masa“ Crossan, gab sofort sein OK, als Georgia ihn fragte, ob sie für ihr neues Album den gemeinsamen Track „Live Like We’re Dancing“ fortsetzen könnte: „Live Like We’re Dancing Part II“ konnte so entstehen. „Dream On“ ist ein traumhafter, fast schwereloser Track, und „The Mountain Song“ eine Ballade, in der Georgias Stimme so richtig gut zur Geltung kommt.

„When I jump into the ocean“, singt Georgia und springt in das Meer... Georgia, die Klippenspringerin, hat sich mit ihrem dritten Album „Euphoric“ herausgewagt aus ihrer Comfort-Zone und ist dabei richtig aufgeblüht.

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