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Buchcover "You'll never sing along": Schriftzug des Titels und ein gezeichneter Fußballer mit Ball vor grünem Hintergrund

Ventil Verlag

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Fußball und Musik – es ist kompliziert

Das liebevoll zusammengestellte Buch „You’ll Never Sing Alone“ von Gunnar Leue erzählt die gemeinsame Geschichte von Fußball und Musik.

Von Rainer Springenschmid

Fußball und Musik gehören zusammen. Gesänge von den Rängen, Tormusik und Vereinshymnen sind aus dem Stadion-Alltag kaum wegzudenken. Trotzdem ist bei wenigen Themen der Cringe-Faktor so hoch, wie wenn sich Musiker:innen dem Fußball nähern – oder umgekehrt. Sobald es um Fußball geht, scheinen bombastische Klänge und bemühte Lyrics unvermeidlich, und so mancher Spieler hat im Tonstudio seinen Ruf als cooler Popstar ruiniert.

Gunnar Leue arbeitet als freier Journalist (u. a. taz, Galore, Das Magazin, 11FREUNDE, radioeins); er hat die Ausstellung „Der Sound des Fußballs“ kuratiert, das Vinylalbum „Eisern Union“ und das Quartettspiel „Vereine auf Vinyl“ herausgebracht. Er ist Sammler von Schallplatten mit Fußballmusik aus aller Welt.

Das liebevoll zusammengestellte Buch „You’ll Never Sing Alone“ von Gunnar Leue (Ventil Verlag) erzählt die gemeinsame Geschichte von Fußball und Musik, vom Anfang bis heute. Hier eine äußerst unvollständige Playlist von (einigermaßen) positiven Beispielen.

Heute spielt der Uridil

Fußballer-Huldigung im Wien der 1920er: Josef Pepi Uridil war eine Sensation, schreibt Gunnar Leue, und wurde 1922 mit einem Foxtrott bedacht: „Dabei galt der Fußballer von Rapid Wien weder als charismatischer Typ noch als genialer Spiellenker. Eigentlich konnte er nur eins, das aber richtig gut: Tore schießen. Sein Meisterstück vollbrachte der Schneidermeistersohn 1921, als er dem Gegner WAC sieben Tore auf einen Streich einschenkte und ein 1:5 in ein 7:5 verwandelte. Eine Legende war geboren und die Karriere des ersten Fußballpopstars nahm ihren Lauf.“

Achtung, Cringe: Singende Fußballer

Der beste Fußballer der Welt wurde in seiner Heimat Brasilien als nationales Kulturgut betrachtet. Deswegen spielte er auch nie für einen der (schon damals) finanzkräftigeren Vereine in Europa. Und natürlich musste Pelé auch musikalisch verewigt werden, mit dem brasilianischen Pop- und Jazz-Sängerin Elis Regina nahm er ein ganzes Album auf... auch wenn er sich, wie man hier hört, am Anfang dagegen gewehrt hat, weil er ja gar nicht singen könne.

Sagen wir mal so: Besser als Gerd Müller , auch nicht schlechter als Franz Beckenbauer , aber Englands Superstar Kevin Keegan ist unerreicht. Und die österreichischen Stimmbandkicker? Urteilt selbst.

Belfast Boy

Der Belfast Boy George Best war zweifellos einer der besten Fußballer der Swinging Sixites. Mit wehenden Haaren rannte Flügelstürmer Best für Manchester United die Seitenlinie entlang, gewann 1968 den Europapokal und den Ballon d’Or als Europas Fußballer des Jahres. Aber auch abseits des Platzes lebte er ein Glamour-Leben. Von ihm stammt das Zitat „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst.“

Soul Makossa

Das afrikanische Pendant zur Fußball-Europameisterschaft ist der African Cup of Nations, auf Deutsch meist Afrika-Cup genannt. Anfang der Siebziger hat der Afrika-Cup der Welt einen legendären Clubhit beschert, allerdings über Umwege. „Soul Makossa“ war zunächst die B-Seite von Manu Dibangos „Hymne de la 8e Coupe d’Afrique des Nations“, der offiziellen Hymne zum 8. African Cup of Nations in Kamerun 1972. Auf dieser Rückseite von einem amerikanischen Produzenten entdeckt und verbreitet, wurde „Soul Makossa“ zum Welthit und ersten afrikanischen Clubtrack an der Spitze der US-Charts.

Seven Nation Army

Dass das Riff von „Seven Nation Army“ stadiontauglich ist, hat sich spätestens bei der WM 2006 erwiesen. Da war es nämlich die Hymne der italienischen Fans. Zwei Jahre später wurde es bei der EM in Österreich und der Schweiz als offizielle Tormelodie eingesetzt – und ist seitdem in vielen Stadien in Verwendung.

Three Lions (Football’s Coming Home)

„Dass die EURO 96 auch als popmusikalisches Ereignis in die Geschichte einging, lag wesentlich an diesem Song. (...) Die Britpop-Nummer bestach mit ihrem Mix aus eingängiger Melodie, etwas Melancholie und viel Humor, den die TV-Comedians Frank Skinner und David Baddiel als Texter und Videogäste besorgten. Ihr Flehen, der Pokal möge doch endlich, endlich wieder ins Fußballheimatland kommen, nahm dem Song jenes ungebrochene Pathos, das viele Fußballhymnen sonst schnurstracks in die künstlerische Versenkung schickt.“ (Zitat aus „You’ll never sing alone“)

You’ll Never Walk Alone

Die Geschichte der berühmtesten aller Fußballhymnen wäre wahrscheinlich ein eigenes Buch wert. Geschrieben von den legendären Musical-Komponisten Rodgers + Hammerstein für das Musical „Carousel“, coverten es Gerry and the Pacemakers, die großen Liverpooler Beatles-Rivalen, im Herbst 1963. Vom Stadion-DJ wanderte der Song auf die Tribünen der Anfield Road Stadions (vor allem die legendäre The Kop), spätestens seit der Stadionkatastrophe von Hillsborough ist der Song ein Symbol für den Zusammenhalt unter den Fans und in der Stadt, und inzwischen findet er sich im Vereinswappen des FC Liverpool und wird vor jedem Spiel vom gesamten Stadion gesungen. Zahlreiche andere Klubs haben dieses Ritual übernommen.

Memphis Depay

Schon Noel Gallagher meinte einst in den Neunzigern, dass man als Kind der Arbeiterklasse nur als Popstar oder Fußballer reich und berühmt werden kann. Heute gilt das wohl mehr denn je, nur dass die Kids aus der Arbeiterklasse inzwischen oft migrantischen Hintergrund haben – und HipHop mögen statt Britpop.

Eine „Staralliance von Fußballern und Rappern“ nennt es Gunnar Leue, wenn Capital Bra , Zuna und andere migrantischen Fußballern wie Benzema, Mesut Özil oder Zinedine Zidane huldigen. Auf Insta oder TikTok kann man die Auftritte von manchen Fußballern und Rappern kaum unterscheiden, und Memphis Depay macht einfach gleich beides: Der niederländische Starstürmer (dzt. Atletico Madrid) veröffentlicht seit seiner Zeit bei Olympique Lyon ab und zu HipHop-Tracks über sein Leben als Fußballer.

Frauen-WM

Eine ganz und gar unpeinliche WM-Hymne? Sogar das gibt’s bei der derzeitigen Frauen-Fußball-WM in Australien und Neuseeland. Bei den Männern hat das nur die chilenische Rock’n’Roll-Kapelle The Ramblers für die WM in Chile geschafft, vor 61 Jahren.

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