Das Finale am Sziget Festival 2023

Am letzten Festivaltag liefern girl in red und Billie Eilish einen traumhaften Abschluss für die Besucher:innen vom Sziget Festival in Budapest.

Von Susi Ondrušová

Ob Schmuck und Makeup in Regenbogen-Farben, das ausgewaschene Band-Shirt, die Stange mit der Länder-Flagge: man macht sich bemerkbar auf einem Festival. Wo man dazugehört, wer man sein möchte oder auch: ist. Hallo an den jungen Mann mit „I am afraid of women“ Shirt an dieser Stelle. Hallo an die Dame mit „I <3 my hot boyfriend“ Shirt.

Der letzte Festivaltag am Sziget Festival in Budapest hätte nicht besser programmiert werden können: Billie Eilish, Pop-Meisterin und Botschafterin der Gen Z spielt am Sziget ihr erstes Ungarn-Konzert. Als Co-Headlinerin tritt die norwegische Musikerin girl in red auf. Gerade hat sie ihre erste USA-Stadion-Tour als Support für Taylor Swift absolviert und bestätigt, dass die Eras-Tour, die 2024 auch nach Österreich kommen wird: einzigartig ist. Die Verbindung der Fans zu ihrer Lieblingskünstlerin, die dedication, das Gemeinschaftsgefühl (Stichwort: bracelets) macht so ein Konzert zu einem magischen Ort.

“I can confirm it is very magical. Because she just put so much effort into everyone. Like all of her songs and all of her music videos and everything. And also I think she’s been doing like ‘Meet&Greets’ up until now. She just takes really good care of everyone and she’s taken really good care of me. She’s just always all knowing, all loving. She’s amazing. I loved playing the shows. It was so cool to be able to step into something that was so big and like American pop culture.”

Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Festivalwoche: Die Themen Selbstvertrauen, Offenheit, Freiheit.
Lorde meinte zu ihren Fans, sie sollen immer ihr „most truest self“ sein, girl in red erzählt von ihrer Queerness und ermutigt ihre Fans zu leben und zu lieben wie sie möchten. Selbst als im Wavebreaker eine Gruppe von Besucher*innen nach Sanitätern ruft findet girl in red die genau richtigen Worte nämlich in etwa: Wir warten jetzt gemeinsam, ich weiß nicht genau was passiert, die Sanitäter kommen, wir können weiterspielen? Nein, warten wir doch noch ein bisschen, ob das so auch stimmt. Geht’s allen gut. Ist alles okay?

Es ist jedenfalls merkbar mehr los als an den anderen Festivaltagen. Die besten Plätze im Wavebreaker vor der Bühne sind schon seit dem Nachmittag mit Billie Fans belegt. Es ist heiß, sehr heiß. Selbst in den hintersten Plätzen schwitzt man bei Einbruch der Dunkelheit ohne sich bewegen zu müssen, einzig weil immer mehr Menschen ihre Köpfe (und Handies) Richtung main stage richten und Schulter an Schulter stehen. Ein einziger Heizkessel.

In den ersten Reihen am Gitter angelehnt stehen Fans aus Schweden, Dänemark, Neuseeland. Ein Vater ist mit seiner Tochter aus Dubai angereist. Sie meint: „Her music has helped me go through a lot. Some people don’t listen to the lyrics but the lyrics do have deep meanings and we have to appreciate what she has gone through and is going through to put up a show for us” Ihr Vater erzählt über die Lieblingsmusikerin seiner Tochter: “Billie Eilish touches my heart”

Ein anderer Fan erinnert sich wie ihn eine Freundin 2017 auf den Song „ocean eyes“ aufmerksam gemacht hat. Sie haben dann eine fanpage gestartet. Er bezeichnet sich selbst als „obsessed“ Reist so viel er kann, kauft Billie Eilish zum Anziehen. Was er an ihr als Popstar faszinierend findet? „If you really listen to her music, it has such a powerful message and she’s just so kind and she tries to change the world, she has a voice and she uses it and other celebrities don’t do that. I think that that’s why I love her.”

Vor den beiden letzten Auftritten auf der Hauptbühne wird Maggie Baird die Bühne betreten. Es kommt zu ersten „Maggie Maggie Maggie“ Rufen und ekstatischen Schreichören. Sie ist die Mama von Billie und Finneas. Auf die Bühne kommt sie, um über Klimaschutz zu sprechen. Letztes Jahr hat sie mit ihrer Tochter OVERHEATED ins Leben gerufen. Es geht darum den Fokus der Öffentlichkeit auf Klimathemen zu lenken, über die nötigen politischen Veränderungen zu sprechen um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Ende August wird es das zweite Event in London dazu geben: eine Art Klimagipfel für die jüngere Generation, weil: there’s no music on a dead planet!

Es war eine ungewöhnliche Aktion, vor den letzten beiden Acts einen Klimavortrag abzuhalten. Aber für ein Festival bei dem auf einer Nebenbühne am gleichen Tag ein Talk über „climate anxiety“ stattgefunden hat, macht es Sinn, dem Thema Raum zu geben. Billie Eilish nutzt ihre Stimme (oder: Gesicht) um andere Stimmen dazu zu bewegen aktiv zu werden oder einfach auch: sich zu informieren. Billie Eilish weiß, dass dieser Tag für die Fans ein besonderer werden wird, die Namen der beiden Klimaaktivistinnen – Dominique Palmer und Vanessa Nakate – sollen ein Teil dieser Erinnerung werden.

Je nach Standort hat man beim Konzert die Musikerin und ihre 2-köpfige Band selbst gesehen oder nur via Visuals auf den drei Screens mitverfolgen können. Gehört hat man selbst unter den Bäumen in der (nun wirklich) aller letzten Reihe sehr gut. Die Luft war nirgends besonders gut. Am letzten Festivaltag ist auch das letzte Stück Gras am Gelände zertrampelt und wie schon in den Jahren davor das Sziget Festival eine einzige Staubwolke. An den Festivalarmbändern oder einem starken Husten wird man am nächsten Tag am Bahnhof und im Zug erkennen, wer das Sziget Festival besucht hat. Ein Erkennungszeichen auf das man vielleicht gerne verzichtet hätte. Ein Billie-T-Shirt, ein Handy voller verwackelter Videos von „happier than ever“ hätte doch gereicht.