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Surfen am Fluss in Innsbruck

Nora Burkhardt

spot-check

Was passiert, wenn man eine Stahlrampe in einen Kraftwerkskanal dropped

Wir haben nicht gedacht, dass man zwischen Autobahn und Baustelle surfen kann. Aber in Innsbruck passiert gerade etwas - es entsteht nicht nur eine Welle zum Surfen, sondern auch eine Community. Und was wir hier noch entdeckt haben, wirft genauso viele Fragen übers Surfen in Österreich auf, wie es beantwortet.

Von Michael Troll und Claus Diwisch

Schwimmen kann man das nicht nennen, was wir machen, um unter der Autobahnbrücke durch die Sill zu kommen - der Fluss spült uns eher an unser Ziel. Innsbrucks Surfhotspot ist rough. Auf den ersten Blick sieht man nicht, was hier besonders ist - aber dann treibt ein Surfer die Sill hinunter. Irgendwas muss da also dran sein, damit man sich das antut.

Fluss Surfen in Innsbruck

Nora Burkhardt

Die Welle ist heute etwas schief, aber Moment mal...

Bei der Welle treffen wir Ilja - ein Surfer, dessen Ambition uns gleichermaßen beeindruckt wie einschüchtert. Er ist Gründungsmitglied im Verein Surf’Inn. Und wenn er hier surft, dann heißt das, dass die kleine Welle, die heute aussieht wie eine schiefe Wasserverwirbelung, mehr kann als wir zuerst vermuten.

Aus einem Kraftwerkskanal schießt Wasser von einem Speichersee in die Sill - Ilja und seine Freunde haben vor fünf Jahren entdeckt, dass sich hier eine kleine Welle aufstellt. Und seitdem haben sie alle möglichen Rampen ins Wasser gedropped, um die Welle besser und surfbarer zu machen. Das war nicht immer ganz offiziell - eben wie es bei motivierten DIY Projekten so läuft.

„Also Tränen haben wir nicht vergossen, aber blood, sweat und tears.“

Wie baut man diese Welle? Für uns ein Rätsel - der Aufwand ist enorm - Strömungen berechnen, Aufbauten bauen, am Seil hängend Löcher in Betonwände stemmen, mit Kränen Rampen versenken und verzweifeln, wenn sie sofort brechen. Aber sie haben es geschafft - mit einer Stahlrampe ist es heute möglich, die Welle zu formen und an die Wasserbedingungen anzupassen.

„Es war oft so, dass wir 1-2 Wochen an was gebaut haben, es reingelassen haben und es war kaputt.“ (Ilja Kunz)

Flusswellen bauen geht besser gemeinsam

Die Leute hier sehen genau, was im Fluss möglich ist, und sie sehen auch den Aufwand. Aber sie wollen surfen, trotz aller Hürden. Wir merken am Spot, wie ansteckend die Stimmung ist. Alle sind fokussiert, haben die selben Ziele und Ideen. Rechtlich war das Projekt am Anfang eine Grauzone, bis die Vereinsstruktur es ermöglicht hat, mit einem Haftungsausschluss das Surfen hier offizieller zu machen.

In der Praxis gibt es schon mehr als 200 Vereinsmitglieder, die Nachfrage ist groß. Es gibt eine Whatsapp-Gruppe, in der die Sessions organisiert werden und wo zum ersten Mal die Community an einem virtuellen Ort zusammenkommt. Hier werden Neoprenanzüge genauso getauscht, wie Wasserstände gecheckt und Mitfahrgelegenheiten für gemeinsame Surftrips organisiert. Ilja freut sich über die Stimmung: „Die Community ist total locker und dass ist uns auch wichtig, wir wollen nicht, dass das so ein Ding wird, wo es um gepushe geht - hauptsache Instagram - es soll einfach ein guter Vibe da sein, und das haben wir auf jeden Fall.“

links: mit Drahtseilen ist die Stahlrampe fixiert, damit die Welle im Fluss verstärkt wird
rechts: Mann in Neoprenanzug surft auf der Welle

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Wann ist Wellenkonsum ein Problem?

Neben allen positiven Entwicklungen, drängen sich aber auch Fragen auf, denen wir erstmal ratlos gegenüber stehen.

Surfen ist offensichtlich gerade zeitgeistig - es gibt eine ÖM, die Austrian Surfing Organisation und andere organisierte Verbände. Wer die Szene genau beobachtet, könnte sagen, es ist ein früher Boom. Aber was bedeutet das z.B. für die Natur, wenn immer mehr Leute zu Flusswellen strömen oder sie bauen wollen.

Ab wann ist ein Spot überfüllt? Wie findet man die Balance im Wellenkonsum? Wie kann man sichergehen, dass die Wasserqualität passt? Und an wen wendet man sich, wenn man nach der Session Durchfall bekommt?

Oder wenn der Surfsport an anderer Stelle vermarktet wird - mit großen, künstlichen, stromhungrigen Wellen. Ist es wirklich sinnvoll, an einer Stelle ein Wasserkraftwerk zu bauen, nur um mit dem Strom an anderer Stelle einen künstlichen Fluss zu erzeugen?

Surfen am Fluss in Innsbruck

Nora Burkhardt

Im Gespräch mit den Surfer:innen merken wir auch viel Sensibilität für die Gemeinschaft und den Sport. Hier wird Vieles diskutiert:
Wie kann eine kleine Surfcommunity im Gleichgewicht bleiben, wenn sie wächst? Wie schafft man den Spagat zwischen Inszenierung und Authentizität, zwischen Insta-Reel und Realife? Wie gibt man Anfänger:innen ein gutes Gefühl? Wie schafft man es, offen zu sein und sich trotzdem nicht zu ärgern, wenn man 10 Minuten anstehen muss, um den Spot zu surfen? Werden Surfspots wie Skigebiete?

„Du willst niemandem ausschließen, eine Welle gehört doch allen. Es entsteht ein besserer Vibe, wenn du sagst: Komm einfach vorbei!“

Wenn es in Zukunft mehr Wellen gibt, fragen wir uns - wie werden wir sie surfen? Hoffentlich ähnlich wie hier in Innsbruck, denn die Eigeninitiative an diesem Spot ist großartig. Der Vibe und die Dedication von DIY Projekten ist immer wieder bewundernswert und zeigt uns, was alles möglich ist. Surfen in den Alpen, auf der eigenen Welle dank einer super Community!

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