FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Projekt Ballhausplattz

Filmladen

Projekt Ballhausplatz startet im Kurzfilm-Rauschen

Das Sommerkino von Sebastian Kurz soll als Trilogie vollendet werden. Es reicht! Auch mit den Wortspielerein. Wir müssen trotzdem noch einmal kurz über „Projekt Ballhausplatz“ reden.

Von Paul Pant

Bevor es losgeht: „Projekt Ballhausplatz“, Untertitel „Aufstieg und Fall des Sebastian Kurz“, ein Film der sich kritisch mit dem Ex-Kanzler und seinem Werdegang auseinandersetzt, startet am Donnerstag, 21. September 2023 im Kino. Trotz aller Blutgrätschen und PR-Stunts.

Auf der Videoplattform Vimeo wird zeitgleich ein weiterer, inzwischen also dritter, Kurz-Film starten. Der kroatische Regisseur Jakov Sedlar drängt sich mit „Sebastian Kurz - the truth“ ins Rampenlicht. Das Drehbuch für den Film stammt von der Journalistin Judith Grohmann, die 2019 eine authorisierte Biografie über Kurz verfasst hat. Diese geht durchaus als türkise Fanliteratur durch.

Nebelgranaten

„Dead-Cat-Strategie“ oder „Strategisch Notwendiger Unfug“ (SNU) hat ÖVP PR-Mastermind Gerald Fleischmann seine Strategien genannt, die kritische Berichterstattung torpedieren soll. Fakten zerstreuen, Verwirrung stiften. Andere Darstellungen schon vor Veröffentlichung mit dem eigenen Spin verdrehen. Türkise Erfolgsrezepte aus dem Giftschrank der politischen Kommunikation. Wegen der kurzfristigen Premierenplanung der zwei – wohlmeinend formuliert – eher wohlmeinenden Kurz-Filme drängt sich der SNU-Vergleich geradezu auf.

Das filmische Porträt „Kurz – Der Film“ startete ohne Vorankündigung zwei Wochen vor „Projekt Ballhausplatz“. Mit meterhohem Werbeplakat neben der Wiener Südosttangente und ÖVP-Premierenparty. „Sebastian Kurz - the truth“ startet nun auf Vimeo am selben Tag wie die Langbein-Doku im Kino. Beide „Überraschungs“-Filme sollen ohne türkise Hilfe finanziert worden sein, behaupten die Produzent:innen. Insgesamt werden die Kosten beider Filme zusammen wohl an der Millionengrenze schrammen.

Projekt Ballhausplattz

Filmladen

Der Film von Regisseur Kurt Langbein wurde jedenfalls transparent über die Filmförderung finanziert und soll etwas unter 600.000 Euro gekostet haben. Ein weiterer Unterschied zu den beiden anderen Kurz-Filmen: „Projekt Ballhausplatz" will nicht der Faszination von Sebastian Kurz nachgehen (wie "Kurz - Der Film im Pressetext erklärt), sondern dessen Politik auseinandernehmen. Als roter Faden wird dafür das „Geilomobil“ aus Sebastian Kurz‘ erstem großen Wahlkampf in einer Autowerkstatt Stück für Stück auseinandergeschraubt.

Wer ist Sebastian Kurz?

Kurt Langbein sagt, er wollte nicht hinter die Maske von Sebastian Kurz blicken, sondern vielmehr zeigen, dass diese seit dem Geilomobil immer schon perfekt gescheitelt saß. Weil wir gar nicht wüßten, wer Sebastian Kurz eigentlich sei, sondern „nur die Maske kennen“, sagt Langbein.

Die Maske fällt in „Kurz - Der Film“ aber ebenso wenig wie in „Projekt Ballhausplatz“. Das ist bemerkenswert, da Sebastian Kurz im Filmporträt die meiste Zeit spricht und wenig Platz in seinem Schatten lässt. Das hat den Filmemachern viel Kritik eingebracht. Kurt Langbein jedenfalls hat die Gefühlswelt von Sebastian Kurz von vornherein nicht interessiert. Mit „Projekt Ballhauplatz“ wolle er stattdessen zeigen, wie zielgerichtet der ehemalige Bundeskanzler mit einer kleinen Gruppe Weggefährt:Innen die ÖVP und schließlich die Machtzentren der Republik übernehmen konnte, erklärt er.

„Erfolg schafft Gefolgschaft“

Das Sebastian Kurz ein Meister der Inszenierung ist, wird auch in „Kurz – Der Film“ offensichtlich. Wenn Regisseur Sascha Köllnreitner beteuert, er habe ohne Einflussnahme sein Kurz-Porträt produzieren können und gleichzeitig ungefragt bekennt die türkise Politik abzulehnen, drängt sich die Frage auf, ob ein Meister der Illusion überhaupt Einflussnehmer:Innen braucht. Wenn man Menschen mit großem Charisma die Regeln bestimmen und die Strippen ziehen lässt, tanzen die Puppen auch ohne Zügel. Dann reicht es wohl, sich einfach ein bisschen geil fühlen zu dürfen, wenn man mitfahren darf im Geilomobil. Oder wie Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger es festnagelt: „Erfolg schafft Gefolgschaft“.

Unheimlicher Hummer

Kurt Langbein ist dieser Faszination nicht erlegen, er sagt sogar, dass er sich während der Dreharbeiten zu seiner Doku nicht in den Hummer setzten wollte. Das Auto sei ihm unheimlich gewesen, sagt Langbein. Auf der Premierenfeier im Gartenbau Kino hat er sich dann für ein FM4-Interview doch reingesetzt. Inszenierung hin oder her, es war der einzige Ort für eine ruhige Minute.

Ihm als Journalist ginge es darum die Auswirkungen der „rechtspopulistischen Politik“ von Sebastian Kurz zu zeigen, sagt Langbein. Was diese Politik mit der Gesellschaft, Randgruppen und der Flüchtlingspolitik gemacht habe. In „Projekt Ballhausplatz“ kommt dafür eine berufstätige Frau zu Wort, die beklagt, dass ihre Arbeit mit der Kinderbetreuung durch die Großeltern am seidenen Faden hänge. Der Anklage stellt Langbein Chatnachrichten gegenüber, die zeigen, wie Sebastian Kurz ein ausverhandeltes Paket für gratis Kinderbetreuung in ganz Österreich offenbar aus Machtkalkül gesprengt haben soll.

Filmdokument

Dass Sebastian Kurz und seine Weggefährten in „Projekt Ballhausplatz“ nur auf Archivmaterial zu Wort kommen ist dem türkisen Boykott des Films geschuldet. „Projekt Ballhausplatz“ ist trotzdem ein bemerkenswertes zeitgeschichtliches Filmdokument, schon allein wegen des absurden Wettstreits um Aufmerksamkeit. Aber auch weil am Ende der Geschichtsbücher nicht die Gefühlswert der Herrschenden steht, sondern immer die Auswirkungen ihrer Politik auf die Beherrschten.

Und wer dachte, mit dem vergangenen SPÖ-Wahldebakel zum Vorsitzenden hat man das Maximum an Absurdität aus der österreichischen Innenpolitik (für dieses Jahr) herausgeholt, der wurde einmal mehr eines Besseren belehrt. Eine Filmtrilogie hat es für einen ehemaligen österreichischen Bundeskanzler noch nie gegeben. Und wir müssen fast hoffen, dass Sebastian Kurz’ Vater kein begnadeter Hobbyfilmer in der Kurz’schen Adoleszenz gewesen ist. Das hätte sicher ausreichend Stoff für ein oder zwei Prequels.

mehr Film:

Aktuell: