FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Olivia Rodrigo und Taylor Swift

MTV

Ist die Ära der „Zickenkriege“ vorbei?

Früher musste man sich als Pop-Fan entscheiden, wen man hören wollte, und Medien verbreiteten am laufenden Band frauenfeindliche „Bitchfight“-Narrative. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Britney gegen Christina gegen Pink gegen Avril gegen Beyoncé: Das waren Entscheidungen, die man als Pop-Liebhaber:in in den 2000ern und 2010ern treffen musste. Blieb man Britney treu oder liebäugelte mit der hochoffiziell zur Erzrivalin ernannten X-Tina? Oder hatte man mit dem Auftauchen von Sk8er-Girl Avril ohnehin genug von den vermeintlichen „Pop-Tussis“, wie sie damals so gerne geframet wurden? Dass all diese Artists friedlich nebeneinander existieren und sich sogar gegenseitig featuren und unterstützen könnten, schien weitgehend unmöglich.

Die mediale Berichterstattung rund um die großen weiblichen Popstars dieser Zeit war von einem knallharten „Entweder-oder“ geprägt – und somit auch die Art und Weise, wie viele von uns erfolgreiche Frauen wahrgenommen haben. Denn immerhin kann es „nur eine geben“, das weiß nicht nur Heidi Klum in „Germany’s Next Topmodel“. Also wurden Sängerinnen und Künstlerinnen gegeneinander ausgespielt, denn das sorgte für Schlagzeilen und Buzz. Das Ganze ist natürlich ein besonders toxischer Mix aus Klassikern aus der Trickkiste der Frauenfeindlichkeit: Stutenbissigkeit, Zickenkriege, Neid. (Ja, in Ansätzen gab es dieses Narrativ natürlich auch bei den Backstreet Boys und *NSYNC, aber letzten Endes lässt sich wohl nicht leugnen, dass männliche Acts meist davon verschont bleiben und sich alle einig sind, dass genug Fans für alle vorhanden sind.)

Vor allem Pink wurde damals zur Anti-Britney ernannt und durch ihre wilde Art zur Antithese der „Stupid Girls“, wie sie sie selbst in einem Song nannte, inszeniert – eine Entwicklung, die sie rückblickend betrachtet dann doch gar nicht mal so toll fand, wie sie in einem Interview klarstellte. Produzent L.A. Reid habe ihr irgendwann erklärt, dass das Musikbusiness groß genug für alle sei. „Für 20-jährige Girls haben wir uns da ganz gut durch navigiert. Jetzt ist das alles ganz anders. Es ist toll, wenn Girls sich gegenseitig supporten.“

Support und Solidarität statt „Stutenbissigkeit“

Pink hat Recht: Heute hat sich all das zum Glück geändert. Es ist lange nicht mehr cool oder spannend, wenn erfolgreiche, weibliche Popstars sich gegenseitig schlechtreden und durch gemeine Kommentare unter den Bus werfen. Es braucht keine Anti-Taylor oder neue Beyoncé, um das Game spannend zu machen. Aber was hat sich verändert, seitdem wir Schlagzeilen über all die Pop-„Zickenkriege“ aufgesaugt haben wie den ersten Aperol Spritz nach einem langen Arbeitstag?

Zum einen sieht die mediale Berichterstattung über weibliche Stars grundlegend anders aus. Spätestens seit der Britney-Doku „Framing Britney Spears“ und der breiten Diskussion darüber, warum zur Hölle Janet Jacksons Karriere nach dem Nippelgate eigentlich vorbei war, während die von Justin Timberlake durch die Decke ging, herrscht viel mehr Awareness darüber, wie falsch, sexistisch und bösartig weibliche Popstars in den 2000ern von Medien und Gesellschaft behandelt wurden.

Außerdem: Heute bestimmen nicht mehr hauptsächlich Klatschmedien den Diskurs über Popstars, sondern Fans – und die Artists selbst. Und ja, natürlich versuchen auch Fans manchmal einen Beef herbeizureden. Kürzlich zum Beispiel zwischen Taylor Swift und Olivia Rodrigo, nachdem Fans darüber spekulierten, warum Olivia Rodrigo nachträglich Taylors Namen zu den Credits zweier Songs ihres Albums „SOUR“ geaddet hatte, und direkt rechtlichen Beef vermuteten. Flammen solche Gerüchte auf, werden sie heute meist direkt von den Betroffenen im Keim erstickt: So stellte Olivia klar, dass sie und Taylor keinen Streit hätten, und Taylor unterstrich diese Behauptung bei den VMAs, indem sie Olivia applaudierte und zu ihrem Auftritt tanzte.

Adele schwärmte bei einem ihrer jüngsten Vegas-Konzerte von Miley Cyrus’ neuem Song „Used to be young“, Taylor Swift hat die Single ihrer Freundin Selena Gomez in einer Insta-Story gehypet und Beyoncé nennt im „Queens Remix“ von „Break my Soul“ direkt reihenweise Namen von Frauen, die sie beeinflusst haben.

Damit ist es wohl amtlich: Die Ära der „Zickenkriege“ ist over. Und die Ära, in der es cool ist, sich als Frauen gegenseitig zu supporten, anstatt gegeneinander zu arbeiten, ist endlich da. Und mit ihr die Zeit, in der wir uns als Pop-Fans nicht entscheiden müssen, wen wir lieber haben. Denn nein, es kann nicht nur eine geben. Es soll und muss mehrere geben.

Aktuell: