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Jakob Schubert schreibt schon wieder Klettergeschichte

Vor einem Monat hat sich Jakob Schubert seinen fünften und sechsten Weltmeistertitel im Wettkampfklettern gesichert. Jetzt hat er am Fels Sensationelles geleistet und „Project Big“ erstbegangen, eine der schwersten Kletterrouten der Welt.

Von Simon Welebil

Erstbegehungen schwieriger Kletterrouten geschehen normalerweise im Stillen. Denn es kann Wochen, Monate oder gar Jahre dauern, bis Kletterer und Kletterinnen in ihren schwierigsten Projekten Erfolge feiern können.

Jakob Schubert hat für seine Versuche in „Project Big“ allerdings einen anderen Weg gewählt und alle seine ernsthaften Versuche live via Youtube gestreamt. Damit hat er jetzt eine Woche lang tausende Mitglieder der Klettercommunity in seinen Bann gezogen.

Die Geschichte von „Project Big“

Kletter-Superstar Adam Ondra hat „Project Big“ vor zehn Jahren eingerichtet, in einer gigantischen Höhle im norwegischen Flatanger. Die eindrucksvollsten Linien, die er sich damals erdacht und eingebohrt hatte, hat er als „Project Hard“ und „Project Big“ bezeichnet. „Project Hard“ hat Ondra 2017 schließlich nach jahrelangen Versuchen durchstiegen, der Route den Namen „Silence“ und den Schwierigkeitsgrad 9c verpasst, die derzeit damit schwierigste Kategorie im Sportklettern. „Project Big“, die „Kingline“, also die imposanteste Kletterlinie der Höhle, konnte bis jetzt noch niemand durchsteigen.

Normalerweise hat im Sportklettern der Entdecker oder die Entdeckerin das Vorrecht der Erstbegehung, aufgrund der hohen Schwierigkeiten hat Ondra „Project Big“ aber auch für andere freigegeben. Im Vorjahr haben die beiden Freunde Ondra und Schubert gemeinsam versucht, eine Lösung für die Schwierigkeiten von „Project Big“ zu finden, sind aber noch knapp gescheitert.

Dieses Jahr hat sich Jakob Schubert alleine an „Project Big“ versucht. Mit seinem Weltmeistertitel hat er sich bereits für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifiziert und somit ein Zeitfenster für Felsprojekte geschaffen, während Ondra noch an Plastikgriffen trainieren muss.

In sechs Versuchen zur Erstbegehung

Auf Instagram hat Jakob Schubert jeden seiner Durchstiegsversuche kurzfristig angekündigt und dann den Livestream auf Youtube gestartet. Er habe das gemacht, weil er sehr zuversichtlich gewesen sei, das Projekt klettern zu können, sagt er im FM4 Interview. „Es hat vielleicht minimal mehr Druck ausgeübt“, sagt er, „aber sobald ich im richtig schweren Teil der Route war, war ich so fokussiert, dass ich das komplett vergessen habe“.

Die ersten fünf Versuche in ebenso vielen Tagen - mehr als einen Versuch pro Tag lässt die Route nicht zu, weil sie so kraftraubend ist - scheiterten dennoch, manchmal an Kleinigkeiten. In den sechsten Versuch startete Jakob Schubert eher aus Verlegenheit, weil die Bedingungen alles andere als vielversprechend waren: Regen hatte einige Griffe feucht und rutschig gemacht.

Schreckmoment über der „Crux“

Erstaunlicherweise ging es dann aber doch recht schnell nach oben, vielleicht auch, weil der Druck unter den schlechteren Bedingungen weg war. Die „Crux“, also die Schlüsselstelle der Route, scheint auf einmal kein Problem mehr. Nur etwas drüber, wo es ein wenig leichter wird („nur mehr 8a“ [sic!]) sorgte ein überraschend ausbrechender Griff dann für einen Schreckmoment: „Da ist mir natürlich das Herz ziemlich in die Hose gerutscht. Jetzt im Nachhinein natürlich eine coole Geschichte, weil es gut ausgegangen ist, aber das hätte ein Tragödie sein können“, sagt Jakob. Von einem solchen mentalen Tiefschlag hätte er sich wohl nicht so schnell wieder erholt.

Am Top der Route fühlte Jakob dann eine riesige Erleichterung. In den letzten 20 Metern der Route, die für ihn normalerweise kein Problem sind, sei er extrem nervös gewesen, sodass der letzte Griff und das Klippen des Sicherungsseils in den Karabiner ein erlösender Glücksmoment gewesen sei, an dem schließlich ein großer Teil der Klettercommunity live teilnehmen konnte.

Jakob Schubert

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Glückwünsche von allen Seiten

Auf Instagram sieht man mittlerweile zahlreiche Postings von Spitzenkletterern und -kletterinnen und anderen Fans, die ihre großen und kleinen Bildschirme abfotografiert und mit Glückwünschen gepostet haben. „Das ist natürlich ein cooler Nebeneffekt vom Live-Streamen“, sagt Schubert, fast wie nach einem Wettkampf. „Wenn man eine schwere Route am Fels klettert, kriegt das keiner mit, bis man es veröffentlicht, aber so habe ich sofort sehr viele Glückwünsche bekommen, weil so viele mitgefiebert haben.“

Unter all seinen Klettererfolgen räumt Jakob dieser Erstbegehung einen riesigen Stellenwert ein. Noch nie habe er so viel Zeit in eine Route hineingesteckt, dadurch aber sehr viel über sich selbst und sein Klettern gelernt und sich verbessern können.

Es war immer ein Ziel von mir, viele der schwersten Routen der Welt zu klettern. Jetzt habe ich gezeigt, dass ich das auch kann.

Auf ein Detail, das die Kletterszene besonders interessiert, muss sie sich noch ein wenig gedulden, nämlich den Schwierigkeitsgrad der Route, für den der Erstbegeher traditionell einen Vorschlag abgibt. Jakob Schubert schwankt noch zwischen den beiden bisher schwersten Graden 9b+ und 9c. Er wird in den nächsten Tagen noch ein paar andere der äußerst schwierigen Routen in Flatanger probieren, um ein besseres Gefühl zu bekommen, und sich darüber auch noch mit Adam Ondra austauschen, der den Schwierigkeitsgrad 9c ja ins Leben gerufen hat. Mit Ondra wird Schubert sich auch über den neuen Namen für die Route beraten. Was immer dabei herauskommt, in der Klettergeschichte wird daneben Schuberts Name als Erstbegeher stehen.

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