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Portrait Sophie Passmann

Laura Schaeffer

„Pick Me Girls“ von Sophie Passmann: Verquerer Feminismus

Sophie Passmann kommt mit ihrem Bestseller „Pick Me Girls“ auf Lesereise nach Wien. In dem Buch widmet sie sich dem Begriff „Pick Me Girls“, der sich über Tiktok rasant verbreitet hat. Das sind Mädchen und Frauen, die besonders sein wollen. Anders, als all die anderen weiblichen Personen. Das Ergebnis: Ein einleuchtendes, aber überlanges und widersprüchliches Essay.

Von Livia Praun

Anfänglich hat mir das Buch häufig ein zustimmendes Nicken entlockt. Etwa wenn Sophie Passmann anhand persönlicher Anekdoten darüber erzählt, wie es ist, als junges Mädchen das Teenager-Dasein zu navigieren. Wie man genau beobachtet, was bei anderen gut ankommt, und sich selber dahingehend versucht zu optimieren. Wie man sich selber verstellt und versucht sich zu verändern, charakterlich wie physisch, um für andere (vor allem des anderen Geschlechts) interessanter zu sein. Und wie man sich selber im Zuge dessen verlieren kann.

Aber dann beginnt sie zunehmend in Richtungen abzubiegen, wo ich nicht nur die Stirn runzle und den Kopf schüttle, sondern mich wirklich ärgere und mich vor lauter Staunen über gewisse Passagen frage, ob ich das gerade richtig verstanden habe. Aber mal von vorne.

Sophie Passmann: Große Figur im deutschen Mainstream-Feminismus

Wenn man deutsche Medien konsumiert, stolpert man früher oder später über Sophie Passmann. Die 29-Jährige ist Autorin, Moderatorin und Schauspielerin. Bislang hat sie schon so einiges gemacht: Preise im Poetry Slam gewonnen, für Medien wie Jolie, ZDFneo und die Zeit gearbeitet, eigene Sendungen im Fernsehen gehabt und sie ist Autorin von mehreren Büchern (darunter auch der Bestseller „Alte weiße Männer“). Ihr neues Buch ist auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Listen in der Kategorie Hardcover/Sachbücher eingestiegen, die dazugehörige Lesereise teils ausverkauft.

Sophie passmann

Laura Schaeffer

Die Autorin, Moderatorin und Feministin Sophie Passmann

Sophie Passmann ist ziemlich feministisch und Sophie Passmann ist auch ziemlich erfolgreich mit all den verschiedenen Sachen, die sie so macht. Dadurch ist sie eine Hauptfigur des deutschen Mainstream-Feminismus geworden. Die eine, die die Sendung „Männerwelten“ von Joko und Klaas auf Prosieben moderiert hat. Die eine, von der man mal ein feministisches Video auf Instagram gesehen hat. Die eine, die ein Buch über das Phänomen „Pick Me Girls“ geschrieben hat.

Anders, als die anderen, und dadurch genau so wie die anderen

Die Grundthese von Pick Me Girls beschreibt Passmann wie folgt: „Ich glaube, dass alle Frauen, die im Patriarchat groß werden, Pick Me Girls sind.“ Alle Frauen haben laut ihr früher oder später in ihrem Leben mal diesen Drang, sich selber und anderen klar zu machen, anders zu sein als all die anderen Frauen. Und das häufig, um dem anderen Geschlecht zu gefallen, also um Anerkennung von Männern zu bekommen. Auf Tiktok wurde begonnen, auf diese Verhaltensweise hinzuweisen, und es wurde ziemlich schnell zu einem Trend, das nachzuspielen.

Pick Me Girls Trend

Screenshots von Tiktok

Auch Sophie Passman war selber schon oft im Leben so ein Pick Me Girl. Denn, so steht es am Buchumschlag: „Der männliche Blick ist die höchste Währung.“ Ob als Teenagerin in der Schule, als junge Erwachsene auf Dates oder im Arbeitsleben - sie kennt diese Tendenz, die eigene Weiblichkeit zugunsten von männlicher Aufmerksamkeit zu verkennen, zu gut. Sophie Passmann erklärt in dem Buch in weiterer Folge, wie sich dieses Verhalten in der Popkultur manifestiert hat (zum Beispiel in Filmen) und wie es sich auf die verschiedensten Lebensbereiche von Frauen auswirkt.

Vieles, was sie schreibt, ist sehr schlüssig. Sie erzählt von den heftigen Erwartungshaltungen, die an junge Frauen gestellt werden beziehungsweise die sie an sich selber stellen und zeigt schonungslos auf, wie der männliche Blick das oft gestörte Selbstbild von Frauen prägt:

„Frauen sollen anmutig sein und schön, elegant, ohne dabei angestrengt zu wirken. Schlank, ohne Sport zu machen oder nur Salat zu essen. Ebenmäßig, ohne zu viel Zeit im Badezimmer darauf zu verwenden. Emotional verfügbar, ohne zu anhänglich zu werden oder zu viel Therapie zu machen.“

Schönheits-OPs, langweilige Frauen: Verquerer Feminismus

Einige Passagen ihres Buches sind aber auch recht kontrovers. Etwa das Kapitel über Schönheitseingriffe, das sie auch in der Zeit veröffentlicht hat. In der Einleitung zum Text steht: „Ausgerechnet du?“, fragen die Leute, wenn sie hören, dass unsere Autorin Sophie Passmann Schönheitseingriffe machen ließ. „Allerdings“, antwortet sie. „Frauen haben keine Wahl“. Dass Frauen keine andere Wahl haben, als für viel Geld ihr Gesicht mit Spritzen und Skalpell zu bearbeiten, ist eine durchaus schräge Aussage, die auch viel kritisiert wurde. Ihre Kollegin Caroline Rosales von der Zeit kritisiert etwa: „Dahinter steckt die These, dass einem nur Respekt entgegengebracht wird, wenn man gewissen Schönheitsidealen entspricht. Doch das könnte gerade jungen Leuten, die Akzeptanz und Zustimmung suchen, schaden. Weder meine Tochter noch ihre Freundinnen, (...), sollen eines Tages annehmen, sie hätten keine Wahl, außer sich ihr Gesicht operieren zu lassen – weil das eben so läuft.“

Cover von Pcik me Girls

Kiepenheuer & Witsch

Pick me Girls ist am 7.9.2023 im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen.

Ebenso befremdlich ist die folgende Passage: „Ich möchte nicht, dass Frauen glauben, es würde reichen, so zu sein wie andere Frauen, weil ich glaube, dass Frauen heute nicht ansatzweise so interessant sind wie junge Männer.“ Das schreibt Sophie Passmann in dem selben Buch, in dem sie analysiert und kritisiert, wie weibliche Hobbies und Interessen intellektuell abgewertet werden. In dem sie kritisiert, dass Frausein grundsätzlich bedeutet, mangelhaft zu sein. Sophie Passmann widerspricht sich häufig selbst und schreibt Sätze, die man bestenfalls als verquer feministisch und schlimmstenfalls als frauenfeindlich deuten kann.

„Pick Me Girls“ ist ein etwas zu lange geratenes, persönliches Essay, das sich thematisch teilweise auch verläuft: Es geht um das Selbstbild, Beziehungen, Scham, Dating, Shoppen und darum, ob ihre Partner einen Führerschein haben oder nicht. Manchmal fehlt der Zusammenhang zum Überthema komplett. Warum es beispielsweise ein ganzes Kapitel braucht, in dem Sophie Passmann über die eigenen Erfahrungen mit Shitstorms erzählt, erschließt sich mir bis zum Ende von „Pick me Girls“ nicht. Die Autorin geht generell (zu) sehr von sich und ihren persönlichen Erfahrungen aus. Das ist zwar ehrlich und sorgt für Nähe und Identifikation, aber dadurch bleiben auch viele andere Lebensrealitäten unangetastet.

Dem Buch fehlt neben Distanz zum Persönlichen letztendlich auch komplett ein Learning. Aus den 224 Seiten können junge Frauen keine wirkliche Lehre ziehen, obwohl Passmann genau das beabsichtigt hat. Sie schreibt nämlich anfangs: „Ich schreibe dieses Buch jetzt, weil ich glaube, dass ich jungen Frauen mit ein paar Dingen in diesem Buch das Leben leichter machen kann.“ Leider ist das nicht ganz aufgegangen.

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