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Szene aus "Wald"

WegaFilm / Gavriel

„Ich war immer unglaublich gschamig“

Die Schauspielerin Brigitte Hobmeier spielt in Elisabeth Scharangs Film „Wald“ eine Frau, die nach einer traumatischen Erfahrung in das Haus ihrer Großmutter, an den Ort ihrer Kindheit flüchtet. Dort wird sie erst recht konfrontiert mit den inneren Dämonen und mit handfesten Vorwürfen der Vergangenheit.

Von Anna Katharina Laggner

Eine Frau am See. Sie wirft ihre nassen langen Haare hinter sich, der Oberkörper nackt, ihr Atem stark, sie hebt die Arme. Ein Ruf in den Wald hinein, ein erwartungsvoller Blick.

Es ist ein starker Auftakt, den Elisabeth Scharang hier mit der Hauptdarstellerin Brigitte Hobmeier inszeniert. Ein Auftakt zu einem Film, in dem Erzählung und Dialoge knapp gehalten sind. „Wald“, der lose auf dem gleichnamigen Buch von Doris Knecht basiert, ist ein Film der Stimmungen. Wir sehen Marian mit ihrem Rollkoffer über Schotterstraßen zu einem alten Haus gehen. Hier lüftet sie erstmal durch und entfernt Spinnweben.

Im Dorfwirtshaus gibt’s als einziges vegetarisches Gericht Risibisi. Dafür aber reichlich toxische Männlichkeit, die der Heimkehrerin Marian zu verstehen gibt, dass sie und ihre möglichen Fragen unerwünscht sind. Aber Marian hat ohnehin nur Fragen an sich selbst. Welche Fragen das sind, was ihr verdammtes Problem ist, darüber gibt „Wald“ zurückhaltend Antwort. In einem kurzen Flashback sehen wir sie auf einer Straße liegen, rundherum laufen Menschen in Panik davon, ein Polizist mit Maschinengewehr im Bild, eventuell ein Terroranschlag. Wie eine Besessene rennt sie bei dieser Erinnerung durch den Wald.

Es gibt Nebel, strömenden Regen und Schnee. Es gibt einen alten Freund, der den Schnaps ablehnt, den Marian ihm anbietet. Und es gibt als zweite Hauptfigur die Kindheitsfreundin von Marian, sie heißt Gerti und ist im Dorf geblieben, pflegt ihre Eltern, kümmert sich um den alten Hof. Es ist fast unwirklich, wie Gerti Drassl die Verbitterung dieser Frau spielt. Aber in der Beziehung zwischen den beiden Frauen, im Wiederbeleben dieser alten Freundschaft stecken dann doch Hoffnung, Heilung der Wunden, eine Art Antwort auf den Ruf der Auftaktszene. Wie es mit den Freundinnen weitergeht, das lässt der Film konsequent offen.

Szene aus "Wald"

Wega Film

Anna Katharina Laggner: Wie hast du dich persönlich auf die Figur der Marian vorbereitet?

Brigitte Hobmeier: Lange bevor wir zu drehen begonnen haben, waren wir schon in dem Haus. Drei Tage lang nur Elisabeth Scharang, der Kameramann Jörg Widmer und ich. Die Elisabeth hat mich schamlos allein gelassen und ich wusste, die bleibt nicht nur fünf Minuten weg, die wartet jetzt, bis ich aufhöre, hier in diesem Haus fremd zu sein, sondern beginne, hier zu stöbern, Schubläden aufmachen, mich ins Bett legen. Nur die Fliegenleichen und die Spinnennetze durfte ich nicht entfernen. Die mussten bis zum ersten Drehtag bleiben, da durfte ich dieses vergangene Leben dann wegwischen.

Diese Figur muss zunächst alles tragen, es gibt sehr wenig Dialog, du musstest über deinen Körper, den Ausdruck, wie du dich bewegst, alles spielen. Kannst du diese Arbeit beschreiben?

Brigitte Hobmeier: Also das Drehbuch war sehr dezidiert. Da steht wirklich drinnen, wenn ich mich hoffentlich richtig erinnere: ich komme, die Tür ist geschlossen, ich geh hinten rum, ich suche den Schlüssel, der Schlüssel liegt noch da. Es kommt mir ein fürchterlicher Gestank entgegen. Es hat wirklich gestunken in dem Haus. Das musste ich nicht spielen. Es ist ganz lustig, weil es gibt zwei Ebenen. Im Film bin ich allein, aber ich habe natürlich ein Team um mich herum. Das heißt, hinter der Kamera stehen 20 Personen und die Elisabeth. Der Produktionsleiter hat mir auch diese Frage gestellt, weil ich die ersten zwei Wochen da alleine vor der Kamera war. Und ich habe die Frage erst gar nicht verstanden, weil in mir und in der Marian ja so viel los ist, so viele Geister da sind, so viele Personen, mit denen ich im Austausch bin. Die Geister der Vergangenheit, der Mann, den ich in Wien zurücklasse, die Großmutter, der Großvater. Und deswegen habe ich mich nie allein gefühlt.

Im Reden über diese Film wird der Terroranschlag, den diese Figur erlebt hat, stark in den Vordergrund gestellt. Dabei kommt der im Film gar nicht so vordergründig vor, man weiß die ersten 15 Minuten gar nicht, was die Marian für ein Problem hat.

Brigitte Hobmeier: Als ich zum ersten Mal den Film gesehen habe, da dachte ich mir „Hey, warum sind die Szenen nicht da und die nicht und die nicht und die nicht? Und dieser Flashback und da mein Nervenzusammenbruch vor dem Supermarkt, den hast auch rausgeschnitten. Und wie ich den Hasen erschossen habe, das heißt auch rausgeschnitten!“ Ich habe fast schon so eine Empörung in mir empfunden, warum darf ich nicht sehen, was ich alles gearbeitet hab. Die Elisabeth hat dann mir gegenüber ein schönes Bild beschrieben, sie meinte, „weißt du, ich baue das ganze Haus und dann nehme ich Teile raus und schaue, ob es immer noch steht oder ob es umfällt. Und manchmal ziehe ich was raus und das ganze Haus fällt um. Dann muss ich das wieder reintun oder an einer anderen Stelle was dazu geben. Das Skelett, das jetzt übrig ist, das trägt das ganze Haus."

Szene aus "Wald"

Wega Film

Im ersten Bild im Film bist du mit nacktem Oberkörper, du kommst gerade aus dem See. Du atmest, breitest die Arme aus zu einer großen Geste. Das kann eine Geste der Umarmung sein, es kann aber auch eine Geste der Verletzlichkeit sein. Wie gehst du mit Nacktheit um? Wann ist sie okay und wann ist sie nicht okay für dich?

Brigitte Hobmeier: Das ist ein ganz spannendes Thema für mich, weil ich immer unglaublich gschamig war. Dort am See haben wir sehr oft gedreht. Wir haben im Winter gedreht, dann durfte ich von der Versicherung aus nicht schwimmen. Das mussten wir dann im Sommer machen, weil die Gefahr, dass ich krank werde, das hätte die Versicherung nicht gezahlt. Im Sommer durfte ich dann im See schwimmen. Er hatte trotzdem nur 14 Grad, war also eiskalt. Und dann war eben die Situation: Da stehen dann 30 Leute da und ich muss jetzt nackt sein. Und irgendwann dachte ich mir: „Es is wurscht.“ Ich glaube, ich bin bei diesem Filmdreh Nudistin geworden. Aber es war mir wurscht, ob da jetzt 30 Leut herumstehen und wir drehen das noch einmal, ich wollte mich nicht hinter meiner Figur verstecken. Das war für mich total befreiend. Und auch diese Geste. Die ist am Set entstanden, als ich da nackt stand vor dieser Waldkulisse. Und ich dachte jetzt, jetzt steh ich hier, ich, Brigitte, ich, Marian, meine Figur, die untertaucht ins Wasser und hoffentlich irgendwas da unten gelassen hat und hoffentlich irgendwas von da unten mit hochgebracht hat. Und das war so eine kraftvolle Improvisation, dass sich das ergeben hat mit den Armen.

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