Brandon Cronenberg und Karim Hussain: Traumduo des Arthouse-Horror

Fantastischer Besuch aus Kanada im FM4 Studio: Die Macher eindringlicher Albtraum-Werke wie „Possessor“ und „Infinity Pool“ erweisen sich im Gespräch als charmante Sympathieträger.

Von Christian Fuchs

Ok, das hört sich jetzt nach Papa-erzählt-vom-Krieg-Erzählung an, aber: Wer das Glück hatte, so viele spannende Menschen zu interviewen wie der Schreiber dieser Zeilen, teilt Künstler:innen irgendwann in Kategorien ein. Da gibt es Profis, die aalglatt wirken, aber auch erstaunlich viele authentisch anmutende Personen. Die private Königsklasse bilden für mich Leute, bei denen Widersprüche produktiv aufeinanderknallen. Künstler:innen, die das Ambitionierte mit dem Bodenständigen verbinden, die Radikalität mit der Popkultur, den Wahnsinn mit Intelligenz.

Wenn solche Traum-Gesprächspartner:innen nebenbei noch die nettesten Typen der Welt sind, fühlt sich die Luft im FM4 Film Podcast Studio fast elektrisch an. Klingt pathetisch, ist aber so. Bereits als Regisseur Brandon Cronenberg und sein Stamm-Kameramann Karim Hussain am ORF-Gelände ankommen, scheint klar: Das sind keine elitären Arthouse-Kerle, sondern eher die Mitglieder eines Industrial-Rock-Duos, das sich in die Filmwelt verirrt hat. Die Architektur am Küniglberg fasziniert die beiden Kanadier, unentwegt werden Fotos gemacht. Der Name des Autors James Graham Ballard fällt, der in seinen Büchern futuristische Retro-Bauten verherrlicht. „We should film our next movie here at ORF“, lächelt Brandon, Karim nickt schmunzelnd.

Hallo, Body Horror!

Die Begeisterung für den Briten J.G. Ballard (1930-2009), mit seinen eisigen Sci-Fi-Anti-Utopien ein Prophet der Genreliteratur, eint den Sohn des berühmten Regisseurs David Cronenberg mit seinem Vater. Letzterer hat mit dem fetischistischen Thriller „Crash“ in den 90ern eine schockierende Ballard-Verfilmung präsentiert, Brandon und Karim arbeiten gerade daran, dessen Roman „Super-Cannes“ als Miniserie umzusetzen.

Aber Cronenberg Jr. und Sr. teilen sich noch weitere Obsessionen. Die furchtlose Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, im Zusammenhang mit moderner Technologie wie archaischen Ritualen, zieht sich durch die verstörenden Streifen des Body-Horror-Großmeisters. Auch sein Sohn erzählt in seinen drei Spielfilmen „Antiviral“, „Possessor“ und heuer „Infinity Pool“ von extremen physischen Momenten. Aber auf seine ganz eigene Weise, mit einem sehr gegenwärtigen Blick. Die unvergesslichen, oft kontroversen Bilder kommen vom Lichtzauberer Karim Hussain (früher selbst Regisseur), der mit Brandon Cronenberg auch privat „sehr viel Zeit“ verbringt.

Genre-Erneuerer im FM4 Studio

Jan Hestmann und ich, wir sind uns einig: Würde es sich bei diesen beiden kanadischen Partners in Crime einfach um zwei liebenswürdige Horror-Nerds handeln, wäre die Situation schon lässig genug. Aber Brandon Cronenberg und Karim Hussain gehören eben zur Königklasse, wie gesagt. Soll in diesem Fall heißen: Der Abstand zwischen intellektuellen Reflexionen und gewitzten Blödeleien ist gering, das Fachwissen der beiden beängstigend beeindruckend, Selbstironie regiert an Stelle von Eitelkeit.

Und so plaudern wir uns durch unseren ersten englischsprachigen FM4 Film Podcast, dem wir dem spitzenmäßigen SLASH Filmfestival verdanken, wo Brandon und Karim eine Masterclass abhielten und einige Tage lang als Gäste durch das Geschehen flanierten. Es geht um den Reiz analoger Spezialeffekte, das Überschreiten von Grenzen, erste kindliche Horrorerlebnisse, Zensurbehörden und sehr vieles mehr.

Ein Talk-Deluxxe, dank zweier unfassbar charmanter Menschen vor dem Mikrophon. Ein kleines bisschen reden wir auch über das Vermächtnis von David Cronenberg, aber es wäre eigentlich nicht notwenig gewesen. Brandon und Karim erneuern das Genre auf eindringliche Weise. Lang lebe die Vergangenheit des Body Horror, hier kommt die Zukunft.