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Israeli airstrike at the Rafah refugee camp

APA/AFP/SAID KHATIB

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„I have jewish friends and muslim friends, so it’s hard.“

Der Krieg im Nahen Osten geht weiter: Erschütternde Bilder aus Israel und Palästina fluten die Nachrichten und unsere Social-Media-Kanäle. Wie lässt es sich umgehen mit den News aus dem Kriegsgebiet?

Von Melissa Erhardt und Alexandra Rodriguez-Breña

Seit über einer Woche tobt im Nahen Osten Krieg. Stündlich erreichen uns neue Bilder und Videos der Lage vor Ort: Menschen, die um ihr Leben fürchten, Menschen, die gerade ihre Liebsten zu Grabe getragen haben, Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll. Während sich Israel auf eine sogenannte Bodenoffensive vorbereitet, die WHO vor einer „echten Katastrophe“ im Gaza-Streifen warnt und die UNO einen möglichen Völkerrechtsbruch Israels befürchtet, während auf der ganzen Welt Intellektuelle über den Kontext des Krieges debattieren, ist der Krieg mit voller Wucht auch in unserem Alltag gelandet.

Die israelitische Kultusgemeinde berichtet laut der Tageszeitung Der Standard über eine „erhöhte Gefährdung“ für jüdische Menschen in Österreich; es bestehe zwar „kein Grund zur Panik, aber zu erhöhter Vorsicht.“ Gleichzeitig ruft die dokustelle für Islamfeindlichkeit & antimuslimischen Rassismus gestern auf Instagram dazu auf, rassistische Kommentare oder Angriffe auf muslimisch gelesene Menschen zu melden, nachdem das Monitoring-Team der dokustelle solche Angriffe vermehrt online als auch offline wahrgenommen hat, wie sie uns auf Nachfrage erklären.

Auf TikTok wurden seit der Eskalation im Nahen Osten eine halbe Million Videos entfernt und 8.000 Live-Übertragungen gestoppt, deren Inhalte gegen die Nutzungsrichtlinien verstoßen hatten. Immer noch landet man beim Swipen über seine For-You-Page bei Live-Streams, in denen verhärtete, teils höchstproblematische und teils grenzüberschreitende Meinungen aufeinanderprallen, aber auch bei anderen, in denen viele Menschen einfach nur versuchen, sich einen Reim auf etwas zu machen, das so unmenschlich, so sinnlos scheint. Auf Instagram werden jahrzehntelange Konflikte in stichwortartige Info-Slides und Erklär-Videos gepackt und teils auf wenige Worte reduziert, und X (Twitter) ist momentan einfach nur living hell.

Nada Chekh, Journalistin, Autorin und Tochter eines Palästinensers, schreibt in einem Kommentar in der Zeitschrift biber: „Wenn ich die Nachrichten aus Israel/Palästina lese, blutet mir einfach das Herz.“

Nada Chekh Foto

Zoe Opratko

Nada Chekh ist Journalistin und Autorin. Ihr Buch „Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand“ erscheint am 31. Oktober im Haymon-Verlag.

„Es ist natürlich irrsinnig belastend für jeden Menschen, glaube ich, mit diesen Bildern konfrontiert zu werden. Vor allem im Internet, wo es oft ungefiltert und ganz plötzlich passiert, wo man ohne Vorwarnung schreckliche Sachen sieht“, erzählt sie im FM4-Interview. „Andererseits, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, war der Konflikt in Israel/Palästina immer schon aktuell. Ich hab als Kind am Wohnzimmertisch meine Hausaufgaben erledigt und im Hintergrund lief Al Jazeera mit genau solchen Bildern, die wir heute leider alle sehen müssen. Mit blutigen Kindern, die aus Trümmern herausgetragen werden, mit Menschen, die um ihre Liebsten trauern, mit Bombardements und so weiter. Ich bin es auf eine absurde Art, könnte man sagen, sogar gewöhnt. Aber natürlich ist die Überlappung mit dem Krieg in der Ukraine nochmal eine spezielle Situation.“

Ihr Ehemann ist aus Russland, bisher war die Konzentration der beiden also vor allem auf diesen Krieg gerichtet. „Jetzt kommt eben auch noch diese Sache in Israel/Palästina dazu, wo ich anhand meiner Eltern merke, wie schlecht es ihnen damit geht. Vor allem mein Vater, der selbst aus Palästina kommt und in Khan Yunes (Anm.: Stadt im Süden des Gaza-Streifens) zur Welt gekommen ist. Natürlich sehe ich, wie ihn das mitnimmt. Ich glaube aber, dass er sich damit abgefunden hat, dass er da keinen Frieden mehr erlebt. Aber es scheint so, als ob ich das vielleicht auch nicht mehr werde. Und das ist eigentlich das Traurigste an der Sache.“

Das Bekennen von Farbe, das Positionieren zu einer der beiden „Lager“ finde sie schwierig. „Dieser Vergleich mit dem Fußballspiel, das war natürlich ein sehr zynischer, den ich in meinem Kommentar gemacht habe. Aber mir sind für diese Beobachtung, die ich gemacht hab, keine anderen Worte eingefallen. Natürlich wollen Menschen in jedem Konflikt immer die gute Position beziehen, das ist ganz klar. Man will auf der Seite des Richtigen stehen. Aber vor allem im direkten Austausch mit meinen jüdischen Freundinnen und Freunden habe ich gemerkt, dass es in diesem Konflikt, der sich seit über 70 Jahren zieht und wo es zu so massiven Grenzüberschreitungen und zu einer Radikalisierung auf beiden Seiten gekommen ist, dass man da nicht klar Position für eine Seite ergreifen kann, ohne das Leid der anderen zu delegitimieren.“

Wie geht man mit der Berichterstattung um?

Dienstagvormittag, Mariahilferstraße im Wiener siebten Bezirk. Wir machen eine Straßenumfrage zur Frage „Wie gehst du mit der medialen Berichterstattung zum Krieg im Nahen Osten um?“
Nana spaziert mit Burak die Fußgängerzone entlang, sie ist Studentin, er Tourguide. Auf die Frage, wie sie mit der Masse an Informationen über den Krieg im Nahen Osten in den Medien und auf Social Media umgehe, sagt sie: „It makes me very sad. I used to use twitter a lot, but now when I go online there is just everybody fighting, everybody thinks that you have to choose sides and if you have a platform you have to “raise awareness”. Everybody is so polarized, I have jewish friends and I have muslim friends and it’s a bit hard. I’m hoping that something will change.“ Sie erzählt, dass sie den Großteil ihrer täglichen News Updates über Instagram konsumiert - dafür habe sie sich allerdings auch schon ein Zeitlimit gesetzt, damit es nicht zu viel wird. Ihre Begleitung Burak erzählt, dass er in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn nur zuhause geblieben ist und dort Nachrichten konsumiert hat: „Ich hab halt gemerkt, dass das auch richtig anstrengend geworden ist mit der Zeit. Jetzt versuche ich weniger davon zu lesen und deswegen geht es jetzt schon besser.“

Auch Sophie tut sich schwer mit der Flut an Informationen. Sie ist 24 Jahre alt und Studentin in Wien: „Ich versuche ein bisschen Social Media zu reduzieren, weil es mich sehr belastet, aber natürlich muss man sich informieren und up to date sein. Ich schaue sehr bewusst die ZIB Nachrichten oder die Tagesschau, aber bin da auch sehr selektiv und lasse es auf Social Media eher bleiben.“

Gloria ist 19 Jahre alt und Flugbegleiterin. Sie hat für sich eine Art gefunden, informiert zu bleiben, aber auch ihren Medienkonsum zu planen: „In der Früh schau ich, dass ich nach dem Aufstehen nicht mehr gleich aufs Handy schau, weil das hilft mir, dass ich mich ein bisschen abgrenzen kann.“ Sie meint, sie versuche sonst up to date zu bleiben, „so gut’s halt geht, weil ja doch immer neue Nachrichten reinkommen.“

Olivia ist 23 Jahre alt, sie studiert und ist aus Frankreich zu Besuch in Wien. Sie erzählt: „It has quite an impact on me and I feel compassion for my friends and all people concerned. And i also feel grateful to be kept in touch with all the information.“

FM4 Auf Laut: Unser Umgang mit dem Nahost-Konflikt

Der Krieg im Nahen Osten geht weiter, ein Ende ist nicht in Sicht. Erschütternde Bilder aus Israel und Palästina fluten die Nachrichten und unsere Social-Media-Kanäle.

Wie lässt es sich umgehen mit den News aus dem Kriegsgebiet? Beschäftigst du dich damit? Wie wirkt sich das auf dein Umfeld aus? In FM4 Auf Laut spricht Claudia Unterweger mit Nahost-Expert:innen sowie jungen Betroffenen aus Österreich.

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