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Der Song zum Sonntag: Andy Shauf - „Halloween Store“

Der Song zum Sonntag, zwei Tage vor der großen Geisterstunde.

Von Lisa Schneider

Halloween kommt um die Ecke, vielleicht gehen wir nicht hin. Immer gut, eine Idee runterzubrechen und sie greifbar zu machen, ein Event zu reduzieren auf einen Ort, im Fall von Andy Shauf auf den „Halloween Store“. Er fände diese Orte ja sehr merkwürdig, erzählt der kanadische Musiker in einem Interview, da spielen sich seltsame Dinge ab, Menschen wollen ulkig, gruselig, verrückt oder einfach nur einen Tag lang anders aussehen als sonst, sie wollen sich vollstopfen mit den ungesündesten Dingen und alles soll am besten auch noch ein bisschen dunkel glitzern. Halloween-Store eben.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Andy Shauf schreibt gern Konzeptalben, Gott und der Teufel und alles weitere an komischen Dingen, die in menschlichen Köpfen vorgehen, haben es ihm angetan. Mit „Norm“, seinem aktuellen Langspieler, habe er das eigentlich anders machen wollen, aber irgendwie fällt doch immer wieder alles auf die eine große Erzählung zurück, die alles zusammenhält. Norm, den titelgebenden, fiktiven Charakter, treffen wir auch im Song „Halloween Store“.

Er ist ein Slacker, und auch ein bissi Stoner, also einer, der das Leben eh ernst nehmen will, es aber nicht immer genau so schafft. Wir hören hervorragendes Nichtigkeitenerzählen, wir sind im Kopf des anderen, da sitzt Norm also und denkt nach, ob er jetzt ein Kostüm kaufen soll oder nicht. Es ist eine kleine Herrlichkeit an sich, dass sich die gesamte erste Strophe darum dreht, wie Norm das Haus verlässt, im Auto erkennt, dass er die Haustür nicht abgesperrt hat, zurückläuft, Schlüssel wieder vergisst, und schließlich davonfährt, die Tür nach wie vor für alle offen, die eventuell einbrechen wollen. Es ist ihm egal.

Wer die Figur Norm schon kennt, weiß, dass er am gesamten Album auf der Suche ist nach jemanden, den er mag, aber vielmehr noch nach jemandem, der ihn vielleicht auch ein bisschen zurückmag. Er biegt am Parkplatz des Halloween Store ein, man hört das alte Auto fast knattern, und da steht ihre Vier-Räder-Version in dunkelblau. Die Frau, die er „einmal“ früher getroffen hat, da hängt fast ein sanfter Stalking-Duft über der Szene, es geht sich trotzdem aus. Norm ist verknallt, nicht verliebt, und da sind wir mittendrin in der Ahnung, die Andy Shauf in seinen Liedern (und in punkto Liebe) auch schon früher oft mitgeben wollte: Wir verstehen immer, also wirklich immer, alles ziemlich falsch.

Halloween kommt um die Ecke, vielleicht sind wir schon längst mittendrin. Halloween ist vielleicht für die, die’s mögen, keine punktuelle Sache, sondern eine Phase, eine Atmosphäre, ein Lebenszustand, der ein paar Wochen andauert. Der Nino aus Wien, größter Halloween-Fan hierzulande, sagt’s zumindest so. Egal wie man amerikanische Kitsch-Traditionen und deren fast schon unsinnige Annahme in Ländern, die mit der ursprünglichen Sache gar nichts zu tun haben, verteufeln mag oder nicht, ist das eine ur-menschlichste Sache überhaupt: sich im Leben die Feiertage selbst aussuchen, eine größere Sache draus machen, als sie eigentlich ist, Dinge mit Bedeutung aufladen, deren Entstehung und Wahrheit mit dem eigenen Leben auf den ersten Blick gar nichts gemein hat.

Und Norm? Der bleibt am Parkplatz vor dem Halloween Store sitzen, das ist heute der Ort, an dem möglicherweise alles neu beginnt, das ist so ein Moment, der mit dem eigentlichen Fest sehr wenig und mit seiner Lebensrealität sehr viel zu tun hat. Seine neue, alte, eh noch immer nicht Geliebte lächelt ihm durch die Windschutzscheibe zu.

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