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Die Jugendlichen in "Club Zero" auf ihrem Campus im Freien.

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Bissig und klug: Jessica Hausners „Club Zero“

Jessica Hausners neuer Film ist ein High-School-Drama und eine gnadenlose Erzählung darüber, wie Extremismus entsteht. Rich Kids, die hungern, stehen im Zentrum.

Von Maria Motter

Er fände es so wichtig, den Kindern beizubringen, ihren Konsumismus zu reduzieren, erklärt ein Vater in „Club Zero“. Das nächste Bild derselben Szene zeigt uns „the bigger picture“: Der Mann chillt im Liegestuhl auf der Terrasse seines Designerhauses und seine Aussage könnte direkt in ein Drehbuch von Ruben Östlund passen. Trommelschläge von Marcus Binder begleiten die Geschichten und Jessica Hausner schlägt mit ihrem neuen Spielfilm „Club Zero“ ungeahnte Töne an: Sie hat sich das High-School-Drama vorgeknöpft. Die österreichische Regisseurin wird in diesem vertrauten Setting gnadenlos durchexerzieren, wie Extremismus entsteht.

Ein düsteres, hoch politisches Märchen

Die für immer mädchenhafte Mia Wasikowska tritt als neue Lehrerin an einer Eliteschule an. Ihre Schüler:innen kommen aus reichen Elternhäusern. Nur ein Jugendlicher muss seine ausgezeichneten Noten halten, um ein Stipendium zu bekommen. Die Neue, Miss Novak, unterrichtet Teenager im Turnen und „Conscious Eating“. Und das bedeutet für Miss Novak, wenig bis nichts zu essen. Davon ahnt der Vater noch nichts, der sich im Elternkomitee für die Neue eingesetzt hat.

Mia Wasikowska steht hinter einem Fenster in einem Schulgebäude in "Club Zero".

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Mia Wasikowska bringt als Miss Novak eine Ideologie des Hungerns unter junge Leute.

Jessica Hausner hat mit „Club Zero“ ein zeitgenössisches, düsteres Märchen über Extremismus geschaffen, das nie fad wird. Wie eine Idee in die Welt kommt und ein unheimliches Eigenleben entwickelt, wird sehr einlullend präsentiert.

Miss Novak hat die Körperhaltung einer ehemaligen Leistungssportlerin, einen Pagenkopf und einen eigenen Fastentee. Die Schüler:innen sind ihr neugierig zugewandt und „Borgen“-Hauptdarstellerin Sidse Babett Knudsen bewundert als ahnungslose Direktorin noch Miss Novaks Lächeln auf deren Bild auf der Teeverpackung. Auch sie habe Schwierigkeiten, sich beim Essen zurückzuhalten, vertraut sie der Lehrerin an. Bald zieht Miss Novak eine kleine Gruppe junger Menschen in ihren Bann. Sie erklärt den Teenagern allen Ernstes, man könne auch leben, ohne zu essen.

Jugendliche beim Essen in Schulkantine in "Club Zero".

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Ein High-School-Drama, das zeigt, wie Extremismus in die Welt kommt.

„Club Zero“ zeigt Mechanismen, die es einem einzigen Menschen ermöglichen, ein ganzes soziales Gefüge zu sprengen, ohne körperliche Gewalt gegen andere auszuüben. Miss Novak bringt ihren Schüler:innen stattdessen eine Idee näher. Nur wer lerne, nichts zu essen, würde in der Zukunft überleben. Diese Manipulation setzt zur Gänze auf Autoaggression.

Auf die Skepsis eines Mädchens kontert Miss Novak mit einer Gegenfrage: Warum wolle man überhaupt einen wissenschaftlichen Beweis für etwas, dass doch einfach funktioniere? Das ist ein Killer-Satz. Der Boden der Tatsachen wird verlassen, fortan fliegt eine Schülerin geradezu über das Trampolin. Bald werde sie abheben, freut sich Miss Novak und das Kinopublikum schaut zu, wie Teenagerbeine immer dünner werden und sich gelbe Ringe unter Augen und gelbe Flecken auf Wangenknochen abzeichnen.

Leidenschaft und wenig Widerstand gegen die Idee und die Radikalisierung spazieren hier in gelben Poloshirts, kombiniert mit beigen Hosen und -röcken und hohen Strümpfen über den Campus. Wie immer in Jessica Hausners Filmen ist alles streng und farblich durchkomponiert. Emotionale Erpressung, das Bloßstellen und Herauspicken Einzelner, das „Othering“ - das kürzlich vom Duden ins Wörterbuch aufgenommen wurde - wird hier doppelt vorgeführt. Selbstoptimierung und die große Sehnsucht nach einem heilen Planeten gehen Hand in Hand, aber kurz vor einem Kuss scheitert die Annäherung zweier Teenager. „Hast du was gegessen?“, fragt ein Bursch voll Entsetzen eine Schulkollegin.

„Club Zero“ läuft jetzt in den österreichischen Kinos.

Jessica Hausner reißt in „Club Zero“ große Gesellschaftsfragen an. Etwa, wie weit man für Klimaschutz gehen kann, wie entfremdet Eltern von ihren Kindern sein können und wie man jemanden doch noch zurückgewinnen kann, der sich bereits verabschiedet hat. Dieses High-School-Drama ist eine elegant in Szene gesetzte, bissige und hoch politische Erzählung. Das Lachen bleibt einem dabei oft im Hals stecken.

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