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Filmstills How to have Sex

Polyfilm / capelight pictures / Nikolopoulos Nikos

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Saufen, Sex, keine Zärtlichkeit

„How to have sex“ wurde beim diesjährigen Filmfestival in Cannes mit dem Preis „Un certain regard“ ausgezeichnet. Es ist der Debütfilm der britischen Regisseurin Molly Manning Walker.

Von Anna Katharina Laggner

Tara, Em und Skye sind beste Freundinnen, das versichern sie einander immer wieder, als sie mit dem Ferienflieger auf Kreta landen: besties forever! Auch wiederholen sie, dass das jetzt, dieser Urlaub, der beste Urlaub ever wird. Und welchen Preis die bekommt, die am öftesten flachgelegt wird – who gets laid the most - das wiederholen sie auch. Es sind, um es kurz zusammenzufassen, nicht viele Worte, die die drei verwenden. Diese dafür aber sehr oft.

Sie sind laute, überdrehte Partygirls, die ihre Körper in sexy Outfits stecken - in sehr unangenehme Outfits, auch das wiederholen sie - um zu gefallen, um flachgelegt zu werden. Davor trinken sie blaue Getränke aus Salatschüsseln.

Filmstills How to have Sex

Polyfilm / capelight pictures / Nikolopoulos Nikos

Die Figurenzeichnung in „How to have sex“ ist sehr plastisch: Em mit den langen Dreadlocks ist die Feinfühlige, Gescheite, Skye ist die Bitch, eine Freundin, vor der man sich hüten sollte, und dann ist da Tara, sie steht im Zentrum der Handlung. Tara ist 16 Jahre alt, aber! noch immer!! Jungfrau!!! Um ihren Hals baumelt ein silbernes Ketterl mit dem Schriftzug Angel.

Mia McKenna-Bruce, die Darstellerin der Tara, ist eine fulminante Schauspielerin. Allein die Art, wie sie immer wieder schluckt und sich zusammenreißt, erstens, weil das hier ein Ort ist, an dem man Spaß hat und zweitens, weil sie immer wieder Dinge mit sich tun lässt, von denen sie glaubt, dass sie ihnen zustimmen muss. Wobei der Versuch, in sich selbst hinein und auf den eigenen Körper zu hören, eine ominöse Idee ist, wenn die denkende Person nur mehr torkelt. An diesem Ort ist Entjungferung das, was nach dem Saufen, aber vor dem Speiben kommt.

Filmstills How to have Sex

Polyfilm / capelight pictures / Nikolopoulos Nikos

Denn wofür Tara, Em und Skye kaum Worte haben, sind ihre Bedürfnisse, ihre Lust, Wünsche, aber auch Ängste, die mit tatsächlichem Sex verbunden sein könnten. Die wenigen Worte, die sie dafür haben, sind patriarchale, machoide Begriffe, Worte, die dem individuellen Empfinden keinen Raum geben. A propos Raum: Den gibt es auch im rein physischen Sinne nicht, denn alles in diesem Film ist Partyzone. Im Hotelpool, am Balkon, im Club sowieso drängeln sich die Partypeople, weder Tara noch Em noch Skye haben ein eigenes Bett, alle schlafen irgendwo. Wer flachgelegt wird, kriegt das Doppelbett, eh klar.

Filmstills How to have Sex

Polyfilm / capelight pictures / Nikolopoulos Nikos

„How to have sex“ wirft ungute Fragen auf, vor allem über die krasse Vereinfachung, die hinter dem Konzept von Yes means yes, no means no steckt. Tara sagt zwar „Ja“, aber meint sie es auch, obwohl sie gar nicht weiß, welche Konsequenzen ihr „Ja“ nach sich zieht? Wie oft sagen wir, auch in weniger intimen Situationen als dem konsensualen Sex, „Ja“, ohne uns den Raum zu nehmen, über dieses „Ja“ ausgiebig nachzudenken? Und würden wir jemals zu irgend etwas „Ja“ sagen, wenn wir die ganze Zeit nur darüber nachdenken?

„How to have sex“ wirft also nicht nur ungute, sondern auch sehr schwierige Fragen auf. Es geht um den Spielraum der einzelnen Person in einer Masse, die andauernd pulsiert und keine Sekunde zur Besinnung kommt. Dass der Film dabei eher sensibel unter die Haut geht, ist nicht nur ein kleines Wunder, sondern vor allem der präzisen Inszenierung von Molly Manning Walker zu verdanken.

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