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Promising Young Man

Emerald Fennell hat Pop, Begierde und dunkle Abgründe in den Mixer geworfen und erzählt mit „Saltburn“ eine over-the-top-Geschichte. Wer braucht schon Subtilität, wenn man Überschwang, Barry Keoghan und Jacob Elordi haben kann. NIEMAND!

Von Pia Reiser

Ein Blick und schon ist es um einen geschehen. Mir ging es mit „Saltburn“ wie Oliver mit Felix in „Saltburn“. Der junge Mann mit dem Stipendium (Barry Keoghan) wirft einen Blick auf seinen Studienkollegen Felix (Jacob Elordi) und eine Obsession beginnt in seinem Kopf und seinem Herz zu brodeln. In meinem Fall war es ein Still, auf dem ein Mann von hinten in einem lila Seidenmorgenmantel zu sehen war, der von einem steinernen Balkon in einen herrschaftlichen Garten schaut, wo Post-Party-Chaos herrscht.

In Kombination mit dem fantastischen Font, in dem sich Saltburn auf diesen ersten Bildern ausgebreitet hat und dem Wissen um die Regisseurin Emerald Fennell, formierte sich in mir eine Vorfreude-Wolke in „Nope“-Größe. Als sich in der Vorberichterstattung zu „Saltburn“ die Erwähnung von Patricia Highsmiths Roman „The talented Mr Ripley“ und Alfred Hitchcocks „Rebecca“ dazugesellte, hab ich innerlich quasi die Initialen von mir und Saltburn in Baumrinden geritzt und rundherum ein Herz.

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If I had not seen such riches, I could live with being poor

Das Herz von Oliver in „Saltburn“ ist auch in Aufruhr, seit er am Oxford-Campus einen Blick auf Felix geworfen hat, ein junger Mann aus mehr als nur gutem Hause. Jacob Elordi ist die Idealbesetzung für die schlaksige Unbekümmertheit, an dessen Lippen alle hängen, alles ist leicht, wenn man in seiner Nähe ist. Die Anziehungskraft von Felix macht einem Emerald Fennell in „Saltburn“ in einer Montage klar, die auch gleich ein gutes Beispiel dafür ist, dass Fennell fließend Pop spricht.

Wie auch Fennels „Promising Young Woman“ ist „Saltburn“ ein frizzelndes, knisterndes und wummerndes Stück Pop. Fennell beschreibt „Saltburn“ als tale of privilege and desire - und in Oliver und Felix treffen die beiden Hauptzutaten aufeinander. Die beiden freunden sich an, wenn Felix auf Distanz geht, ist Oliver tief getroffen, wenn er in seiner Nähe ist, ist alles leicht. It was impossible not to love him, heißt es zu Beginn in Bezug auf Felix. Noch essentieller als Liebe ist in „Saltburn“ aber die Besessenheit mit einer Person, der Wunsch wie sie zu sein oder noch besser: sie zu sein.

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„Saltburn“ wird am 22. Dezember 2023 via Amazon Prime Video veröffentlicht

Gleich anziehend wie Felix Persona ist für Oliver auch dessen Status; während Oliver erzählt, sein Vater wäre tot und seine Mutter schwer suchtkrank ist Felix ein Goldjunge mit Silberlöffel im Mund. Natürlich nimmt er also Felix Einladung an, den Sommer auf Saltburn zu verbringen, einem Anwesen der Familie Catton in Südengland. Wie Fennell hier die Cattons als aristokratische Addams Family inszeniert - dekadent und der Welt entrückt - zählt zu den Glanzmomenten des ohnehin recht glossy Films. Speziell Rosamund Pike als Elsbeth, die mit großen Augen und höflich formulierten Gemeinheiten durch Saltburn traumwandelt ist grandios. Die reiche Familie zeichnet Fennell mit breiter Satire, doch im Gegensatz zu einigen Filmen und Serien der letzten Jahre setzt „Saltburn“ nicht ganz auf den klassischen „Eat The Rich“-Theorieunterbau. Zu MGMTs „Time to Pretend“ breitet sich in „Saltburn“ eine Montage aus, die in einem - trotz der weirden Cattons und einer Vorahnung, dass das alles nicht idyllisch enden wird - den Wunsch weckt, auch dabei zu sein, beim Tennis spielen im Smoking und dabei Champagner aus der Flasche zu trinken, in einem wunderschönen Teich schwimmen, in der Wiese liegen oder Felix dabei zuzusehen wie er das britische Äquivalent einer Twinni-Hälfte verzehrt und dabei Harry Potter liest.

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Sehnsucht, Begierde, Überschwang, Schwulst getaucht in flirrenden Pop, das ist eine der Stärken von Emerald Fennell, Subtilität ist - wie sie selbst sagt - schwer überschätzt und weiter: “Kubrick is not subtle. Hitchcock is not subtle. Britney is not subtle, but my god can ‘Everytime’ kick you in the cunt." Der wichtigere Begriff für das Kino von Fennell ist pleasure. Und es ist ein großes Vergnügen mit „Saltburn“ zurück in den Sommer 2007 zu reisen, wo Paris Hilton modetechnisch einiges vorgegeben hat, wo man sich Lifestrong-Armbänder umgeschnallt hat, auf den Jogginghosen stand „Juicy couture“ und die Haare waren blond gebleicht. Man hört Cold War Kids und Arcade Fire, Bloc Party und The Killers.

In der aktuellen Episode des FM4 Filmpodcast sprechen Christian Fuchs und ich über „Saltburn“ und „Wonka“.

Aus Pop und Ideen aus dem Gothic Horror füttert sich „Saltburn“, der Film nimmt sich aber auch selbst nie ganz ernst, das schöne Wort bonkers wird man vermutlich brauchen, wenn man wirklich nur über den Plot sprechen möchte. Over the top und durchaus gaga landet „Saltburn“ in einem finalen Akt, der in Sachen Erwartungshaltungen einen U-Turn mit quietschenden Reifen hinlegt und entlässt einen mit einer Tanzszene und einen Song, wo Düsternis und Überschwang - zwei essentielle Bausteine - von „Saltburn“ nochmal gebührend gefeiert werden. Lots of people get lost in Saltburn, orakelt einer der Bediensteten und es ist auch herrlich sich im Film „Saltburn“ zu verlieren.

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