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Eröffnung Kulturhauptstadt Bad Ischl

Florian Wörgötter

Eröffnung Kulturhauptstadt 2024: Winterfrische in Bad Ischl

Die Europäische Kulturhauptstadt 2024 im Salzkammergut ist eröffnet – und mit ihr ein Jahr voller Musik, Kunst, Baukultur, Handwerk und Literatur. Ein Besuch der Eröffnung zeigt, wie Tradition und Zeitgeist ineinander fließen, welche Highlights euch Conchita empfiehlt und welche Projekte auch junge Menschen einbinden.

Von Florian Wörgötter

Zur feierlichen Eröffnung haben sich laut Veranstalter*innen 5.500 Menschen im kaiserlichen Kurpark versammelt. Einer der berühmtesten Salzkammergut-Influencer, Hubert von Goisern, dirigiert einen Jodelchor mit 1.000 Stimmen, die in ihrem unkitschigen Gleichklang elegisch über das fröstelnde Publikum fließen.

Deutlich mehr polarisiert die Tanzperformance der vom Attersee stammenden Choreografin Doris Uhlich, als sie bei klirrender Kälte ihren nackten Körper mit rhythmischem Einpudern entstaubt – und vermutlich auch die Erwartung mancher Lodenjackenträger im Publikum, dass hier im Kulturjahr nicht nur des Kaisers alte Kleider vorgeführt werden. Nein, auch die neuen!

Und wenn schon Habsburger-Modeklischee, dann am Leibe von Drag-Queen Conchita Wurst, die ikonisch im schwarzen Sissi-Kleid ihr Eröffnungskonzert der Menschlichkeit widmet und dabei aufruft, das zu tun, was unterm Kaiser noch nicht möglich war: „Geht’s alle wählen!“

Das Streusalz der Kultur

Conchita ist als Tom Neuwirth in Bad Mitterndorf aufgewachsen, eine der 23 Gemeinden im Salzkammergut, die an dieser ortsübergreifenden Kulturhauptstadt mitwirken. Erstmalig teilt sich mit Oberösterreich und der Steiermark eine ländliche Region im Alpenraum die Austragung; die Salzburger Salzkammergütler haben aber abgewinkt.

Unter dem Motto „Kultur salzt“ sind über das Jahr verteilt 300 Programmpunkte geplant – 85 % davon entstehen unter regionaler Beteiligung. Alle Interessen einzubinden, war nicht die leichteste Übung, wie sich im Vorfeld herauskristallisierte. Die Gemeinden hatten unterschiedliche Vorstellungen, wie das Verhältnis von heimischer Tradition und avantgardistischer Kunst mit europäischem Blick auszubalancieren sei.

Eröffnung Kulturhauptstadt Bad Ischl

Florian Wörgötter

„Die Kulturhauptstadt hat das Potenzial der Begegnung. Ich glaube, dass das Alte vom Neuen und das Neue vom Alten lernen wird", sagt Conchita im FM4-Interview. „Künstler:innen und Performances aller Art zur Schau zu stellen, ist auch für die Jugend extrem wichtig, um zu sehen, was möglich ist, wenn man Fantasie hat.“ Neue Impulse für die alternative Musikszene im Salzkammergut sieht Conchita vor allem mit dem aus Frankreich übernommenen Konzept „Fete de la Musique“, bei dem im August an jedem Straßeneck alle Musikgenres abgebildet werden sollen.

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Florian Wörgötter

Außerdem empfiehlt sie das Projekt „Salzkammerqueer“, das die lokale Queer-Community in einem Netzwerk vereinen und mit einer eigenen Pride sichtbar machen möchte. „Ich glaube, dass dieses Projekt gerade jenen Einheimischen helfen wird, die Angst vor dem Neuem haben, weil es ihr bisheriges Wissen infrage stellt“, sagt Conchita. „Ich kann diese Angst verstehen, doch wir stehen schon mit offenen Armen da und fragen: Wo woast du denn so lang?“.

Die Jugend in der Kulturhauptstadt

Das Jahr der Kulturhauptstadt soll auch einen Regionalentwicklungsprozess einleiten. Im einstigen Bahnhofsresti hat Dreadlock-Fernsehkoch und Restaurant-Betreiber Christoph „Krauli“ Held mit 18-jährigen Tourismusschüler:innen das Wirtshaus „Genusslabor“ eröffnet. „Wir wollen in Zeiten von Fachkräftemangel aufzeigen, was die Jugend braucht, um die zukünftige Gastronomie zu gestalten: Freiheit, Kreativität, faire Bezahlung und ein Team, in dem du dich daheim fühlst und ausbreiten kannst“, sagt Krauli, für den die Kulinarik das wichtigste Kulturgut einer Region darstellt.

Eröffnung Kulturhauptstadt Bad Ischl

Florian Wörgötter

Auch alte Kulturstätten wie das David-Lynch-Film-taugliche Lehartheater, wo das selbstspielende „Ballet Mécanique“ spielt, sollen im Zuge der Kulturhauptstadt renoviert werden. Das vergleichsweise schmale Budget von 30 Millionen Euro auf 23 Orte aufzuteilen verhindert womöglich aber, dass nachhaltig sichtbare Großprojekte wie der Friendly Alien in Graz mit der Kulturhauptstadt assoziiert werden.

Eröffnung Kulturhauptstadt Bad Ischl

Florian Wörgötter

In der Trinkhalle, einst ein kaiserlicher Wellness-Tempel für Molke-Trinkkuren, präsentieren sich am Eröffnungstag diverse Kulturhauptstadt-Projekte für junge Menschen. Das Jugendprogramm der Kulturhauptstadt „Next Generation You“ fördert 12- bis 25-Jährige aus dem Salzkammergut mit 1.000 Euro inklusive Coaching, damit sie eigene Projekte ins Leben rufen – vom Podcast, einem Konzert oder einem 3x3-Basketballkorb. Es können noch Projekte eingereicht werden.

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Florian Wörgötter

Eines der geförderten Projekte steht am Stand nebenan: An ihrer Hissing Booth verspricht Mary Mayerhofer für 50 Cent das Erlebnis, sich einmal wie eine Frau zu fühlen. Dafür legt sie einen Schnurrbart an, nimmt ihr Büchlein zur Hand und spendiert den Herren einen Catcall à la „Du hast zwar ein paar Kilos zu viel, aber zum f....n reicht’s!“. Die Einnahmen gehen an das Frauenhaus Linz.

Sommerfrische am Dancefloor

Die Nachtschicht des Eröffnungsprogrammes gestalten diverse Konzerte auf verschiedenen Bühnen. Im kaiserlichen Kurpark pfeffern Camo & Krooked den Kurort mit üppigen Basswellen. Clara Luzia und ihre Band blasen sich Wärme in die Hände, während sie auf der kleinen Open-Air-Bühne einen Sound-Ausfall überdauern. Cid Rim beheizt die warme Stube des Pfarrsaals. Am kuscheligsten ist es aber vorm Kamin im Buchladen Kurdirektion, wo neonbeleuchtete Literatur heute auf Stoner Rock in Mundart trifft.

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Florian Wörgötter

Ein Haus weiter in der Trinkhalle bespielt Yasmo mit ihrer Klangkantine die Ö1-Bühne und liest mit Poetry-Slam-Teamkollegin Mieze Medusa lebensbejahende Lyrik als MYLFs („Mothers you’d like to flow with“). Mieze Medusa hat bereits seit Dezember ihr Zelt als Stadtschreiberin in Bad Ischl aufgeschlagen.

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Florian Wörgötter

Ihre Aufgaben: Die Autorin und Slam-Poetin hört den Menschen im Salzkammergut zu, begleitet die Kulturhauptstadt, schreibt Texte und geht in Schulen. Ihr großer Spaß an der Kulturhauptstadt: „Ich werde jetzt täglich von der Solange-Installation von Katharina Cibulka begrüßt". Auf dem Gerüstenetz des Postgebäudes steht fassadenfüllend: „Solange ois bleibt, weils oiwei scho so woa, bin I Feminist:in“. Mieze Medusa: „Seitdem lächeln vor allem Frauen beim Vorbeigehen konspirativ – und das macht mir eine große Freude.“

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Florian Wörgötter

Das gesamte Programm der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 findet Ihr hier.

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