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"Madame Web" Filmstills

Sony/Marvel Studios

Netzriss im Spider Verse

„Madame Web“ ist ein altmodischer Superheldinnen-Film mit wenig Charme und viel Cringe.

Von Natalie Brunner

Casandra Web ist eine in die Zukunft sehende Mutantin, die zum ersten Mal in den 1980er in einem Comic auftaucht, um Spider-Man bei der Suche nach Entführten zu helfen. Madame Web wird als weise und mysteriös beschrieben wird. Sie ist eine telepathisch begabte Frau, die in einem lebenserhaltenden Tank gefangen ist und über ein profundes Verständnis für das Multiversum verfügt. Als Seherin und Beraterin spielt sie eine wichtige Rolle bei der Führung und Lenkung der Helden und Schurken des Marvel-Kosmos.

Die Madame Web, die wir auf der Leinwand kennenlernen, ist ein anderer Charakter. Sie ist ein Adrenalin Junkie, eine Rettungswagenfahrende Alltagsheldin, die aufgrund ihrer Kindheit als Waise nicht in der Lage ist, Bindungen einzugehen oder Gefühle zu zeigen. Nach einem Unfall und einer Nahtod-Erfahrung entwickelt sie übersinnliche Fähigkeiten, die es ihr ermöglichen, zukünftige Ereignisse im Spider Verse zu sehen. Diese Fähigkeit bestimmt sie dazu, eine Superheldin wider Willen zu werden.

Wir treffen in Madame Web eine unerfahrene Casandra in ihren 30ern, die erst lernt, mit ihren neuen Kräften und Fähigkeiten zurechtzukommen. Es ist ein Learning by Doing unter Druck, da ihr Gegenspieler Ezekiel Sims, der schon ihre Mutter ermordet hat, ebenfalls hellseherische Fähigkeiten besitzt und die Superheldinnen, die ihn zur Strecke bringen werden, ermorden will, bevor sie ihre Kräfte entdecken. Sprich: Die drei renitenten jungen Damen, die Casandra Web in die Arme laufen.

"Madame Web" Filmstills

Sony/Marvel Studios

Casandra Web wird zu einer Mischung aus Babysitterin und Superheldinnen-Leihmutter, die mit den drei elternlosen jungen Frauen eine Ersatzfamilie bildet und mit Solidarität der Egomanie des Schurkens entgegentritt. Sony setzt mit „Madame Web“, „Kraven the Hunter“ und „Venom“ auf eigenständige Superheld:innengeschichten, während die Cinematic Universes zu straucheln beginnen. In den Comics hat Madame Web die Funktion, das Multiversum der Spider-Man-Figuren zu verbinden. Es bleibt abzuwarten, ob sie in Zukunft auch in den Filmen diese Aufgabe bekommt, oder ob es bei diesem einen Auftritt als Hauptfigur bleibt.

Ich mag den lakonischen Humor von Dakota Johnson, und ich bin froh, dass sie im Marvel-Universum gelandet ist und nicht wie in der „50 Shades“-Serie immer nur fummeln muss, sondern dass sie Action Szenen hat und ihren schelmischen Charme wirken lassen darf. Sie selbst distanziert sich in Promointerviews zu dem Film bereits mit bissigen Kommentaren. Sie bezeichnete ihre Erfahrung am Set in einem Interview als „psychotisch“. Was auch immer die Produzenten von „Madame Web“ von den Kommentaren halten, in den sozialen Medien gibt es viel Liebe für Dakota Johnson und ihren Mut zur bissigen Selbst- und Industriekritik.

Schön ist auch zu sehen, mit welcher Akribie das New York des Jahres 2003 rekonstruiert worden ist. Vor dem Appartement von Casandra ist eine Häuserfront mit dem Cover von Beyoncés „Dangerously in Love“ bemalt und in der U-Bahn hängen Werbeplakate mit einem Magazincover von Paris Hilton und Tinkerbell.

Problematisch hingegen sind die ganzen losen Enden, die vom Drehbuch nicht schlüssig zu einem Netz verknüpft werden. In seinem Unwillen, Dinge zu erklären oder eine logische Backstory zu bieten, wirkt „Madame Web“ wie ein altmodischer Superheldinnen-Film, der zwischen charmanten Momenten und Cringe pendelt und schnell vergessen sein wird.

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