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Jack Antonoff / Bleachers

Alex Lockett

Pop music hoarder

Let’s make it Bleachers, make it short: Das singt Jack Antonoff am neuen Album seiner Band, dabei gibt’s über ihn und seine Kollaborationen so viel nachzudenken, er ist einer der aktuell erfolgreichsten Produzenten der Welt. Ein Gespräch und ein paar Ideen.

Von Lisa Schneider

Schaut euch das an, da lehnt er im Türeingang, das Outfit schwere 80er-Jahre-Schlagseite, das Auto von Opa, die Ziegel ein bisschen fake und alles natürlich in Sepia gehalten. Jack Antonoff hätte manchmal wohl durchaus gern in den 70ern gelebt, die 80er haben ihn zumindest als Kind gestreift. Ganz groß drauf auf Outfit, Wagen und Sepia steht: Bruce Springsteen. Und damit natürlich: Nostalgie. Beides große Eckpfeiler in der Musik von Jack Antonoff, der seine Band Bleachers seit bald elf Jahren mit sehr viel Liebe anführt.

Nostalgie ist oft eine Kindheitserinnerungen-Angelegenheit, und oft ein Umstand, der sich im Erwachsenenalter in seltsamen Formen wiederholt. Vielleicht kennt ihr das: Ihr brecht euch den Arm und auf einmal haben alle Menschen, die euch begegnen, eine Gipshand. Ihr färbt euch die Haare, und auf einmal sind alle blond. Ihr kauft euch einmal und mit verschmitzter Idee im Kopf diese eine Süßigkeit, die Mama immer verboten hat, und auf einmal seht ihr sie überall. Auch so kann man Jack Antonoff und mehr noch seinen Auftritt in der aktuellen Popwelt beschreiben: Er ist immer da.

Und hier können wir mit den öden Sätzen beginnen, die aktuell alle Reviews zum neuen Album seiner Band Bleachers anführen: Jack Antonoff, der Super-Producer, also der, der sich heuer das dritte Mal in Folge den Grammy als „Producer of the year“ nachhause geholt hat, der für und mit Lorde, Lana Del Rey, The 1975, Taylor Swift und vielen anderen geschrieben hat. In einem eher seltsamen Interview nach der Grammy-Verleihung mag Jack Antonoff fast nicht ins Gesicht der vielen Reporter*innen schauen, und gibt dann doch sehr wohlüberlegte, wenn auch eher verdruckst überbrachte Antworten. Er schaue eigentlich nie zurück, deshalb wäre diese dritte Auszeichnung so etwas wie „being hit by an emotional boarder“. Im FM4-Interview ist Jack Antonoff höchst höflich und sagt Dinge, von denen man weiß, er hat sie auch schon in vielen vorigen Interviews gesagt. Das macht sie nicht schlechter.

Musik ist eine subjektive Angelegenheit, und jede:r nimmt sich aus einem Lied das mit, was er oder sie sich eben mitnimmt. Fragt man Jack Antonoff, was womöglich alle von ihm irgendwie berührten Lieder (von „Green Light“ bis „We Are Young“) auf einen Nenner bringt, welche Intention also hinter allen steckt, sagt er: Es geht immer ums Verbinden. Er könne Lieder über Verlust und Trauer und Liebe schreiben, am Ende des Tages ist es aber immer der Moment der Isolation, der durch Musik aufgebrochen werden kann. Kein Wunder, dass es sich mit ihm gut arbeiten lässt, aber natürlich ist das nicht alles. Jack Antonoff schreibt oder produziert Lieder nicht im Sinne von „Was ist morgen hip?“ sondern in einer sehr schönen, erdigen Form von „Was macht diesen Moment gerade aus, was ist greifbar und real?“. Dass er trotzdem immer wieder die Trends von morgen erschnuppert, ist seinem Talent bzw. einer Superspürnase zuzuschreiben.

Wir unterhalten uns wegen der neuen Bleachers-Platte, man muss sich natürlich ständig auf die Lippen beißen, um im Gespräch nicht im Name-Dropping unterzugehen. Das hat viel mit Respekt zu tun, dabei scheint er sich gar nicht großartig daran zu stören (und bezeichnet sich unter anderem im Lied „Modern Girl“ selbst als „pop music hoarder“). Viel eher scheint’s so, als wär’ ihm seine Band so noch ein bisschen lieber, immer ein bisschen am Unter-der-Oberfläche-Dahingrundeln, ein Austobungsplatz, nämlich einer, an dem er nicht die Stories der anderen beschützt, sondern seine eigenen auf die ihm wildest mögliche Weise umsetzt („Bleachers band, only friends“).

Jack Antonoff bekommt auf seinen Socials sehr viele Likes, wenn er eigene, neue Singles ankündigt, eine Tour oder whatever. Na klar, da sind so viele Menschen draußen, die ihm dankbar für seine Arbeit sind, so etwas nennt man gegenseitige Unterstützung. Wer sind jetzt aber die Fans seiner Band?

Vielleicht kennt ihr, wie die oben genannten Nostalgie-Throwbacks, auch diese Momente: Da wird euch ein Lied in die Timeline gespült, ihr klickt drauf und ihr wisst, das ist fantastisch. Das ist das Lied, das die Regentage wegwäscht. Ihr wisst aber in der gleichen Sekunde: Zum Angeben ist das nix. Wir haben uns in den letzten Jahren viel über guilty pleasures, und dass es die nicht mehr gibt, unterhalten, und trotzdem kommt man manchmal nicht drumherum. Das hat mit Alter und Sozialisierung zu tun, das hat damit zu tun, dass in den 00er- und Anfangs-10er-Jahren sehr wohl noch definiert war, wer jetzt die cool kids sind und wer nicht so sehr.

Über Jack Antonoff, Bleachers und Coolness nachzudenken, könnte allein einen schönen Roman ergeben, aber mal so zur Einstimmung: Am neuen Bleachers-Album geht sich alles aus. Das ist Regionalradio aus den 80ern, das sind mal gute, mal nicht so gute, aber immer cheesy Saxophon-Solos, das sind Shalala-Chöre, das sind halb gestellte Freuden-Schreiereien, da gibt’s Bowie-Momente und vor allem, und da treffen wir uns immer wieder, sehr viele E-Street-Band-Zitate. Dazwischen gibt’s etwa ein Duett mit Lana del Rey zu hören, obwohl sie weniger am Album vertreten ist als Matt Berninger (nach dem viele Songs klingen, obwohl er gar nicht mitgemacht hat). Es ist toll.

Und es ist auch ein Album, das drüber nachdenken macht (wieder Generation und Sozialisierung), wie aus der Zeit gefallen die klassischen „Wie-viele-Sterne-von-zehn“-Reviews sind. Je nach Geschmack landen da Songs von „Tiny Moves“ bis „Jesus is dead“ vorne, oder eben lieber „Alma Mater“ und „Isimo“. Manche Menschen lieben Saxophon, andere nicht. Manche Menschen haben verstanden, dass Lieder auch mal einfach nur die totale, kitschige Lebensfreude sein dürfen, manche nicht. Manche Menschen verstehen, mit welcher Art von „Coolness“ wir es hier zu tun haben, nämlich mit der, die schon immer am coolsten war: Mach’ das, was du magst, und kümmer’ dich nicht drum, ob andere das alt, neu, gut oder schlecht finden. Jack Antonoff schreibt seine Lieder, und das hat ihn sicher lange Zeit und Arbeit gekostet, nicht in Hinblick auf die Menschen, die’s nicht aushalten, mal zuzugeben, dass sie auch eine sanfte Seite haben.

Es gibt eine sehr schöne Seite im Internet, sie heißt „Bleachers Memes“, bekannte Follower sind nur Jack Antonoff und seine Band Bleachers selbst. Da stehen Kühe im Wasser und getitelt wird mit „I’m so tired of having self respect“. Ob Jack Antonoff selbst schon ganz realisiert hat, wie sein Status in der aktuellen Popwelt aussieht? Vielleicht. Fragt man ihn, ob der Erfolg etwas an seiner Arbeitsweise ändert, sagt er jedenfalls nicht „vielleicht“ sondern ganz sicher „nein“. Kein Erfolg der Welt habe in besser gemacht in dem, was er tut, und er bleibt dabei, dass vor allem das gemeinsame Musikmachen etwas ist, das höher steht als alle Auszeichnungen der Welt. Wieder so eine schöne Copy-Paste-Antwort, während die Telefonleitung kristallklar hinübergeht nach New York. Da sitzt ja aber trotzdem ein Mensch, er fragt manchmal: „Can you still hear me?“ oder ruft seiner das Haus verlassenden Frau ein schnelles „Love you“ hinterher.

Erfolg also, und viele hintereinander, im direkten Fall von Jack Antonoff hat sich dadurch nur ein noch mehr destilliertes Bild dessen hervorgetan, was seine Band sein kann und will. Natürlich schreibt er mit Lana Del Rey gerade an einem Country-Album (wir wissen, it is coming back), und natürlich bleibt er mit Bleachers bei dem, was ihm selbst am meisten Spaß macht. Da sind wir auch schon wieder bei den Sepia-Tönen.

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