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Katharina Mückstein bei einer Kundgebung am Mikrophon

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„Wir sind alle Teil von diesem System“

Katharina Mückstein zur NDR-Doku „Gegen das Schweigen“ und wie man Gewalt und Machtmissbrauch im Film- und Theaterbereich bekämpfen kann.

Von Rainer Springenschmid

Die NDR-Doku “Gegen das Schweigen” wirbelt seit letzter Woche gehörig Staub in Österreichs Film- und Theaterszene auf. In der Doku geht es um Machtmissbrauch und sexuellen Missbrauch am Set, bei Proben und Castings.

Ein Thema, das Regisseurin Katharina Mückstein erstmals im Juni 2022 in einer Insta-Story und einer FM4 Auf Laut-Sendung an die Öffentlichkeit getragen hat. Andere haben sich ihr angeschlossen, und dass sich heute so viele Menschen trauen, sich in dieser Doku zu Wort zu melden, liegt sicher auch an der Vorarbeit von Katharina Mückstein und ihren Mitstreiter:innen.

Seither ist einiges in Bewegung gekommen, aber, wie man auch an den Reaktionen zur Doku „Gegen das Schweigen“ sieht, längst nicht genug. Zwischen den Promotion-Interviews für ihren ersten Wien-Tatort, der am Sonntag läuft, hat sich Katharina Mückstein Zeit für ein paar Fragen zum Status quo von #metoo in Österreich genommen.

FM4: Wie schätzt du das ein, ist der gute Wille in der Filmbranche da oder versucht man da eher was zu machen, was den Schein wahrt?

Katharina Mückstein: Na ja, auch ein guter Wille bedeutet nicht immer, dass man es auch gut macht. Also ich glaube, dass es beim Thema Gewalt extrem wichtig wäre, dass alle – und zwar auch die Leute, die einen guten Willen haben, was zu verändern, da schließe ich mich selbst mit ein – mal schauen müssen, wie sie selbst Teil dieses Systems sind.

Für mich hat das zum Beispiel bedeutet, dass ich auch mal reflektieren musste: wie oft war ich in der Vergangenheit dabei, wenn jemand schlecht behandelt wurde und habe mich nicht getraut, den Mund aufzumachen? Oder wie oft habe ich als Regisseurin grantig auf irgendwas reagiert und jemanden deshalb irgendwie unfair behandelt, einfach, weil das in meinem Machtspielraum ist?

„Es geht nicht darum, dass es die Guten und die Bösen gibt.“

Es geht nicht darum, dass es die Guten und die Bösen gibt, die einen üben Gewalt aus und die anderen nicht. Sondern es würde eigentlich darum gehen, dass man sagt: das ist ein System und wir sind alle Teil davon. Und wir brauchen sehr gute Beratung und Experten und Expertinnen, die uns helfen, das besser zu machen.

Wie könnte denn ein Film- oder Theatersystem ausschauen, in dem ein Machtmissbrauch nicht vorkommen kann? Hast du da konkrete Vorstellungen?

Ich glaube, das ist unmöglich. Wir sind Menschen. Ich glaube, Gewalt wird es immer geben. Aber die Frage ist, können wir ein System schaffen, in dem wir dann angemessen damit umgehen, wenn es zu Konflikten oder sogar zu Gewalt oder Machtmissbrauch kommt. Dass wir so damit umgehen, dass eben die Betroffenen nicht noch einen zusätzlichen Schaden erleben.

Und ich kann das zum Beispiel aus meiner Position als Regisseurin sagen. Ich bekomme, wenn ich einen Film mache, so viel Macht zugeteilt auf verschiedensten Ebenen. Für mich fühlt sich das oft auch gar nicht gut an und niemand kontrolliert diese Macht. Also bei mir wird zum Beispiel nie evaluiert: Wie geht’s meinem Team? Ich arbeite manchmal als die Führungsperson von 40 oder 50 Leuten auf einem Set und ich bekomme eigentlich nie ehrlich zurückgemeldet, wie es den Leuten geht, die für mich arbeiten.

„Ich bekomme, wenn ich einen Film mache, so viel Macht zugeteilt (...) und niemand kontrolliert diese Macht.“

Ich glaube schon, dass man da sehr viele Kontrollmechanismen einschalten könnte. Überall dort, wo eben in unserer Arbeitswelt sehr viel Macht oder auch sehr viel Geld in den Händen einer Person oder einer kleinen Gruppe liegt. In anderen Arbeitswelten wird das ja auch gemacht. Es gibt Compliance Systeme oder Qualitätsmanagement, das ist ja auch total normal in anderen Branchen. Und ich glaube, so was bräuchte die Filmbranche einfach auch.

Wenn du jetzt einen Film drehst, arbeitest du dann anders, als du noch vor drei Jahren gearbeitet hast?

Ja, auf jeden Fall. Wie mit Schauspielern und Schauspielerinnen zum Beispiel im Rahmen von Kostümproben umgegangen wird. Da ist es ganz normal, dass diese Person zur Türe hereinkommt, vielleicht unter Umständen mich zum ersten Mal sieht. Und das erste, was die dann machen muss, ist sich in einer Ecke auszuziehen und verschiedenste Kleidung anprobieren, die wir schon vorbereitet haben, und sich von oben bis unten anschauen und kommentieren zu lassen. Das ist zum Beispiel eine Situation, die mir erst jetzt als wirklich sehr heikel aufgefallen ist und wo ich angefangen habe, andere Voraussetzungen zu schaffen.

Was sind die Dinge, die du konkret verändert hast?

Mehr Zeit einzuplanen. Zu fragen: Wie geht’s dir? Ist es okay, wenn wir das jetzt machen? Bist du bereit? Fühlst du dich wohl? Auch nach der Meinung von Schauspieler:innen zu fragen, das zum Beispiel ist tatsächlich nicht normal. Es ist normal, so eine Situation herzustellen, wo diese Leute sehr stark objektifiziert werden. Da schon einen bewussteren Umgang zu finden, glaube ich, macht einen sehr großen Unterschied. Aber dafür muss man es halt auch erst einmal als eine heikle Situation identifizieren.

FM4 Auf Laut zu Machtmissbrauch und Gewalt in der Filmbranche

Am 5.3.2024 um 21 Uhr diskutieren wir in FM4 Auf Laut live mit unseren Studiogästen Steffen Jäger vom Reinhardt-Seminar und Schauspieler Nikolaus Firmkranz. Per Skype ist die Schauspielerin Luna Jordan mit dabei und Daniel Sanin von der Beratungsstelle we_do. Wenn du Fragen oder Erfahrungen hast, ruf an oder schick uns eine (Sprach-)Nachricht per Whatsapp: 0664 8284444!

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