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Jan Böhmermann in rotem Pulli vor rotem Hintergrund

Jens Koch

interview #2

„Es klickt gut mit Böhmermann im Titel“

Sein Name bringt Klicks, seine Prozesse bringen Schlagzeilen und für ihn gehören Streitfälle ausgefochten. Auch wenn man dann vielleicht verliert.

Von Lena Raffetseder und Alex Wagner

Aber zuerst wird einmal gewonnen. Und zwar neue Songcontest-Erfahrungen. Am 11. Mai kommentiert Satiriker Jan Böhmermann mit seinem Podcast-Partner, dem Musiker Olli Schulz, wieder das Finale des Eurovision Songcontest für FM4. Die Freude ist groß, dass die beiden bei einem der größten Events der Medienwelt wieder dabei sind. Aber vorher war abzuklären: Wieso legt sich Jan Böhmermann so gern mit Leuten an und was sind die komischen Seiten am Hype um seine Person?

FM4: Der Jan Böhmermann, den wir kennen, in der Öffentlichkeit. Das ist ja eine Kunstfigur.

Jan Böhmermann: Vielleicht.

Vielleicht. Du trennst sehr strikt Privates und Berufliches. Warum?

Weil es ansonsten alle anderen nerven würde. Mich auch. Das ist ja ein Beruf. Ein Rechtsanwalt ist auch nicht die ganze Zeit Rechtsanwalt – obwohl, viele Rechtsanwälte sind dauernd Rechtsanwälte. Es gibt auch Lehrer, die zu Hause nicht aufhören zu dozieren. Aber das ist ja dann auch nicht geil. Und deswegen finde ich es schlau, das voneinander zu trennen. Das ist wichtig.

Jetzt ist es ja so - dieser Charakter, der polarisiert sehr stark.

Ja, kommt drauf an, wen man fragt. Die einen finden‘s mega, die anderen finden es scheiße. Generell draufgeschaut kann man das dann polarisierend nennen. Aber mich interessiert das Schicksal des einzelnen Menschen.

Kannst du dich an den Moment erinnern, als das angefangen hat, dass Medien deinen Namen einfach in den Titel schreiben und schon bringt es Klicks?

Ich ahne, dass Leute offensichtlich deswegen Artikel über „mich“ schreiben, weil das klickt, aber das zu reflektieren, da habe ich noch gar nicht mit angefangen. Ich sehe die Artikel immer. Wir haben so Web-Crawler laufen, um immer zu checken, was geschrieben wird und da können wir meta-mäßig drauf schauen, wie die Verbreitungsmechanismen funktionieren. Zum Beispiel haben wir letztens mit dem ZDF Magazin Royale eine Sendung gemacht zum Thema Jagd. Da hatten wir ein nicht funktionsfähiges Plastikgewehr, bei dem wir vorne ein Mündungsfeuer montiert haben mit einem Digitaleffekt. Und da hat die Bild-Zeitung einen Riesenskandal draus gemacht: „Ist es eine echte Waffe!?“ Irgendwelche Leute, mutmaßlich aus dem näheren Umfeld der Bild-Zeitung, haben Anzeige erstattet. Da hatten sie erst mal schön zu berichten und dann kommen noch andere Medien ran, die das dann so weiter propellieren und immer weitertragen und das sieht man im Web-Crawler super übersichtlich. Es gibt auch Zeitungen und Medien, die das immer wieder pushen, wenn die merken, es klickt gut mit Böhmermann im Titel. Dann machen sie es immer wieder und immer wieder. Also ich muss gar nichts machen und trotzdem schreiben Leute irgendwelche Sachen. Das hat sich komplett verselbständigt. Es war aber immer schon egal. Verhindern kann man‘s sowieso nicht und steuern, was willst du da steuern? Ist ja eh Irrsinn und solange es so ist, ist es so.

Jan Böhmermann im Interview über Clickbait und Prozesse

Du hast vor kurzem in einem Interview gesagt, alles hat drei Seiten, eine gute, eine schlechte und eine komische.

Das ist nicht von mir! Eine gute, eine schlechte, eine komische, das ist ein Zitat von Karl Valentin. Allein das schon wieder, das wird mir dann aufgenagelt. Es ist nicht mein Zitat!

Nein, du hast gemeint, es war quasi ein Motto deiner Familie.

Diese Sicht aufs Leben, das wird in meiner Familie so gelebt und als ich das Zitat gefunden habe, dachte ich „ja genau, so ist es bei uns auch.“ Karl Valentin hat es auf den schönen Satz gebracht: Jedes Ding hat drei Seiten, eine gute, eine schlechte und eine komische. Und ich tendiere dazu, entweder die gute zu sehen oder die komische.

Was wäre denn jetzt beim Clickbait um deinen Namen, was wären die Seiten?

Also die komische ist, wie Leute, die sich mit gigantischer Hybris breitbeinig in Talkshows setzen an irgendwelche Meinungstresen, von Maischberger bis hart aber fair und sich als Journalisten produzieren und dann kommt im Tagesgeschäft einfach so simples Abgeschreibe jenseits von faktischer Korrektheit. Also totaler Klassiker ist, es gibt da so einen PR-Unternehmer, der hat als Reaktion auf eine Kritik in unserer Sendung dann angefangen, Produkte mit meinem Gesicht drauf zu verkaufen. Und jetzt wird das in Berichten so verkauft, als würde ich ihm irgendwelche Sachen verbieten, im Sinne der Meinungsäußerung. Dabei will ich einfach nicht, dass Produkte mit meinem Gesicht drauf für Geld verkauft werden, weil das darf man nicht. Und da gibt es eben gerade mehrere Gerichtsverfahren. Und bei Zivilgerichtsverfahren gibt es dann Verhandlungen und man wird eingeladen und da sind die Parteien dann vor Ort. Da heißt es dann, das Gericht bittet um persönliches Erscheinen. Das bedeutet aber nur, dass die Parteien persönlich erscheinen müssen. Ich muss da nicht persönlich erscheinen und wenn ich dann nicht komme, heißt das auch nicht, dass ich dann kneife oder Angst habe. Es gibt da wenig Argumente, die ich dazu beitragen kann, die nicht auch Rechtsanwälte machen können. Deswegen gehe ich da nicht hin. Aber die Meldung ist dann eben, Böhmermann muss persönlich vor Gericht erscheinen. Das stimmt nicht, die meisten Zivilverfahren werden über Anwälte geregelt. Und übrigens der kommerzielle Faktor, was da an Wertschöpfung betrieben wird, was da geklickt wird und wie viel Google-ads Geld generieren mit diesen ganzen Null-Meldungen, da bin ich noch viel zu schlecht bezahlt für, selbst für österreichische Verhältnisse.

Zwei kreisförmige Fotos von Jan Böhmermann und Olli Schulz vor pinkem Hintergrund und dem Schriftzug "Songcontest"

FM4 / LWZ / ORF / Roman Zach-Kiesling

Das Finale des Eurovision Song Contest mit Jan Böhmermann und Olli Schulz live aus Malmö

Am 11. Mai ab 20.45 Uhr auf radio FM4, im Videostream auf fm4.ORF.at, in der ORF TVthek und der simpliTV App.

Deine Sendung läuft im ZDF; warum für weniger Geld beim öffentlich-rechtlichen Sender journalistisch arbeiten, wenn du beim Privatfernsehen für mehr Geld mehr Humor verbreiten könntest?

Mutmaßlich. Ich habe ja schon mit Privatsendern zusammengearbeitet. Und ich finde das grundsätzlich gar nicht verkehrt. Aber die Bedingungen sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für mich und mein Team sinnvoller. Und es gibt natürlich auch Überlegungen, geht man mal woanders hin eines Tages. Es ist nicht so, dass da jetzt Schranken im Kopf wären, aber es macht Sinn, das, was wir machen, in einem öffentlich-rechtlichen Sender zu machen. Sehr oft kritisieren wir Unternehmen, Menschen aus der Wirtschaft, Leute, die die Politik beeinflussen und die auch immer noch da sind, wenn Politiker und Politikerinnen nicht mehr in Ämtern sind. Diese Strukturen zu kritisieren, dafür ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemacht worden. Und sich da nicht darauf reduzieren zu müssen, was Quote bringt oder was Werbekunden pleased, das ist ein großer Vorteil. Der Nachteil ist natürlich, dass auch in Deutschland - es ist nicht so schlimm wie in Österreich - aber dass auch in Deutschland die Politik eine große Nähe zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat und auch irgendwie das Gefühl, dass sie da mitmischen können. Das ist so ein bisschen mehr Arbeitsaufwand wahrscheinlich als bei RTL. Aber was anderes als öffentlich-rechtlich macht momentan keinen Sinn. Und das kann sich vielleicht eines Tages ändern, aber momentan nicht. Finanziell hast du aber völlig recht, ist eine dumme Entscheidung.

Du hast viele Verfahren am Laufen, warum legst du dich so gern mit Leuten an?

Ich kann es nicht so gut ertragen, Dinge unausgefochten zu lassen. Also bei klaren Nummern macht das keinen Sinn. Aber diese Geschichte mit diesem Unternehmer, der diese Honigbienen-Kästen vermietet an andere Unternehmen, damit die sagen können, dass sie was Gutes für die Umwelt tun. Das haben wir in der Sendung kritisiert und das fand er kacke und hat dann gedacht, es wäre eine satirische Antwort, dann einfach den Moderator auf Gläser seiner Produkte zu drucken und das dann zu verkaufen. Und das sehe ich zum Beispiel anders. Ich glaube, das ist rechtlich nicht in Ordnung. Ich fände es aber interessant, wenn es so wäre, weil mir das neue Möglichkeiten für Geschäfte eröffnen würde. Das ist gerade die rechtliche Situation in diesem Fall und das will ich einfach klären. Warum sollte man Angst vor Auseinandersetzung haben? Das ist nur produktiv. Ich habe wirklich schon wahnsinnig viele Prozesse hinter mir. Das ist ganz spannend. Das Wort Prozess bedeutet nämlich auch wirklich Prozess, der sehr lange dauern kann. Über mehrere Instanzen, teilweise mehrere Jahre, durchläuft man verschiedene Stadien, in denen man auch unterschiedliche Sichtweisen auf den Fall entwickeln kann und auch sich selber anfängt zu reflektieren zum Beispiel. Das ist gar nicht mit so einem Willen, „Ich will jetzt gewinnen“ oder so was. Ich verliere total gerne. Also wenn man eine gute Begründung dafür hat, warum man verliert, ist das auch produktiv. Dafür gibt es ja den Rechtsstaat. Ich bin da jetzt nicht persönlich angepiekst, sondern ich interessiere mich einfach für spannende Streitfälle und finde, die sollten dann aber auch ausgefochten werden und ich laufe nicht so gern davon.

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