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Die Band Cold War Kids

Cold War Kids

Nicht ganz so göttlich

Es gibt in jeder Familie diese eine Lieblingstante, die aber leider nur alle paar Jahre zu Besuch kommt. Sie bringt die tollsten Geschenke mit. Und sie duftet so, so gut. Als ich vom Plan der Cold War Kids, demnächst ein neues Album zu veröffentlichen, gelesen habe, ging es mir so, als hörte ich schon, wie besagte Tante mit dem Geschenkpapier raschelt.

von Lisa Schneider

Es gibt sie, diese Bands, die einen schon ewig begleiten. Mit Cold War Kids sind unter anderem auch Bands wie Portugal The Man vor einem gutem Jahrzehnt schon zu Alternative-Heroen aufgestiegen, als „Indie“ noch kein Schimpfwort war und eben diese Sparte ihre goldenen Jahre gefeiert hat. Bands mit gutgelaunter Melodieverliebtheit, die so schön offen und direkt, aber nie aufdringlich klingt. Paradebeispiel dafür ist etwa „Audience Of One“, ein in seinem Songwirting so feiner Hit, der auch nach dem Cold War Kids Debut „Robbers & Cowards“ (Downtown Recordings) klar gemacht hat: Diese Band muss ihren Sound nicht mehr suchen, sie hatte ihn vom ersten Gründungsherzschlag an. Es folgen Songs wie „Hang Me Out To Dry“ oder „Hospital Beds“, die das Bandfundament untermauern. Schlicht-schöne Popmelodien, die sich auch ab und zu getraut haben, in rauerer Postpunk-Manier zuzubeißen. Das gehämmerte Klavier immer dort, wo es hingehört, als steter Begleiter der hervorragend eindringlichen und unverkennbar klaren Stimme von Sänger Nathan Willett. „First“ ist dann die Single, die vergoldet wird, und die Nummer eins der Billboard Alternative Charts erreicht - der größte Erfolg bis dato.

Die Band Cold War Kids

Cold War Kids

Die lange Vorrede zu einem Text über das neue Album der Cold War Kids, ist dem Konvolut an Musik und Musikgeschichte geschuldet, das die Band auf dem Buckel hat. In zwölf Bandjahren werden fünf Alben und fast unzählige EPs veröffentlicht, der anfangs noch dezent punkgeschwängerte Rebellionswille nach und nach getauscht gegen gezähmtere Saiten.

Neues Label, neuer Wind

Das Quintett (Sänger Nathan Willett,Bassist Matt Maust, Keyboarder Matt Schwartz, Gitarrist David Quon und Schlagzeuger Joe Plummer) kehrt im Herbst 2016 ihrem jahrelangen Label-Zuhause Downtown/V2 den Rücken und zeichnet von nun an bei Capitol Records. Mit dem neuem Label kommen neue Gedanken: Nathan Willett verrät im Interview, dass sich die Band, trotz intensiver Zusammenarbeit nie so wirklich zusammengesetzt hat, und darüber gesprochen hat, was sie ausmacht, und wieso sie tun, was sie tun. Vielleicht war es eine Quarterlife-Crisis, oder auch einfach nur der Drang danach, sich auf dem neuen, sechsten Studioalbum neu zu positionieren. Wer so früh schon seinen Sound gefunden hat, will sich trotzdem nicht die zwanzig Folgejahre darauf ausruhen. Es war weniger Experimentierwut an sich, als vielmehr das Konzentrieren auf das jetzige Musikgeschehen, das die neue LP der Cold War Kids von ihren Vorgängern unterscheidet.

“One thing we ended up talking about a lot is, it seems like we’re heading into an age more and more where the best rock song and the best pop song are really not that different. The actual guitars and drums and tones that are being used in a rock song might be different, but the approach to the songwriting is very similar. It’s all about making everything really kind of dry and in your face, make it really pop. I think it’s an exciting time. It’s all about immediacy, and I think that was kind of a revelation for me -- to listen to a Selena Gomez song and an Arctic Monkeys song and go, “You know, these are both doing a similar thing.”

Frustrierende Momente stellen sich beim ersten Hören von „LA Divine“ leider schnell ein, weil es so wirkt, als wollten die Songs alle gleich klingen. Als wären sie geschrieben worden, um dann einen regenbogenfarbenen Pop-Schleier über sie allesamt zu ziehen. „Love Is Mystical“ ist die erste Single, verheulter Stadioncharakter und ungedrosselte Sehnsuchtsphantasie, gezuckert noch dazu mit Uptempo-Beat. Gleichzeitig auch die Nummer, die sich inhaltlich weit aus dem Pathos-Fenster lehnt: „It’s about supernatural love – looking for inspiration and meaning, surrendering to feeling, love calling out your name; that journey we must go on to find it” erzählt Nathan Willett. Hm, ja. Das ist schon ein bisschen viel.

LIVE

Alle Tourdaten der Cold War Kids findet ihr hier: coldwarkids.com.

„LA Divine is the best version of what we’ve always done“, sagt Willett weiter, und hier sind wir an dem Punkt, wo ihm leider widersprochen werden muss. “Restless” klingt nach dem Versuch, ein zweites “First” zu schreiben, verliert sich aber in Imagine Dragons-Anleihen. Auf „LA Divine“ findet man auch drei kurze Interludes, Songschnipsel. Krachend-kratziger Sprechgesang, musikgefütterte Fieldrecordings, ein Experiment, das nicht ganz zu den anderen, so geradlinigen, aufgepoppten Songs passt. „Wilshire Protest“ will eine Beat Poetry-Anleihe sein und steigert sich in schmerzvoll-plumpe Zeilen: “We are separated by steel and glass/In traffic trapped on the freeway, everybody is a DJ/Looking down at our phones for the fastest way to get home/Don’t text me that you’ll be late/I can wait” - nach solch abgemühten Zeilen klingt sogar der erwähnte, zu dick aufgetragene Opener über die große Liebe wieder in Ordnung.

Aber, aber!

Trotz der Meckerei, nicht alles ist verloren auf „LA Divine“. Göttlich, so wie die titelgebende Heimatstadt der Band, ist es zwar nicht geworden. Aber etwa „Can We Hang On“ oder „Ordinary Idols“ schließen, obwohl ebenfalls ein bisschen gewollt ins Popkleid gesteckt, nahtlos an die besten Songs der Cold War Kids an. Diese Highlights des neuen Albums sind es wert.

... die Lieblingstante also, sie ist gealtert. Aber sie macht einem immer noch dieses angenehm-wohlige Gefühl im Bauch, wenn sie lacht und an ihrem Glas Rotwein nippt. Sie duftet immer noch köstlich, es ist jetzt eben mehr ein Eau de Pop.

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