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Screenshots aus "Thimbleweed Park"

Terrible Toybox

Ulk und Unruhe

In Kaff Thimbleweed Park liegt einiges im Argen, doch für abgedrehten Humor bleibt auch in beklemmenden Situationen immer Zeit.

von Robert Glashüttner

Sie wollten was über eine Leiche, zwei Kriminalbeamte, einen Geist, einen Clown und einen Computerprogrammierer schreiben. Mehr wussten die Autoren Ron Gilbert und Gary Winnick anfangs nicht über ihr Adventure-Game „Thimbleweed Park“. 30 Jahre ist es mittlerweile her, dass beide beim legendären Spielestudio Lucasfilm Games (George Lucas’ ehemaliges Computerspielteam) heutige Klassiker wie „Maniac Mansion“ oder „Zak McKracken“ geschaffen haben. Nun haben Gilbert und Winnick nach langer Schaffenspause als Duo wieder ein Adventure veröffentlicht.

Adventures haben seit ihrer Hochzeit in den 80er Jahren einige Wandlungen und Revivals durchgemacht, doch bis heute sind fast nur die Spiele von Lucasfilm (später: Lucasarts) nachhaltig im popkulturellen Gedächtnis geblieben. Vor allem zwei Namen werden mit diesen Spielen verknüpft: Ron Gilbert und ein gewisser Tim Schafer, der mit seinem im Jahr 2000 gegründeten Studio Double Fine schon seit vielen Jahren ein relevanter Fixpunkt der zeitgenössischen, unabhängigen Games-Entwicklung ist. Gilbert ist beim Produzieren und Entwickeln von Computerspielen weiterhin ähnlich aktiv wie sein ehemaliger Lucasfilm-Kollege, dabei aber lieber Nomade als Studioleiter. Er hat wesentlich öfter Firmen gewechselt und begründet.

Vereint im Crowdfunding

Tim Schafer und Ron Gilbert eint bis heute nicht nur die Vorliebe zu klassischen Adventure-Games, sondern auch erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen. Double Fines „Broken Age“ war der ehemalige Kickstarter-Rekordbrecher mit über 3,3 Millionen US-Dollar. „Thimbleweed Park“ hat weniger SpenderInnen gefunden, dennoch sind über 620.000 Dollar gesammelt worden. Nach circa dreijähriger Entwicklung ist das Game nun seit ein paar Wochen fertig und bereits seit Anfang Februar ein Liebling der (Spiele-)Presse - unter anderem, weil Gilbert zu dieser Zeit eine ausgiebige Pressetour unternommen hat, die ihn auch nach Deutschland geführt hat.

Traue niemandem

Thimbleweed Park ist ein seltsames kleines Örtchen im Stil von Twin Peaks. Zwei Kriminalbeamte aus der Stadt gehen dort einem gerade erst stattgefundenen Mord nach und kommen bald drauf, dass in diesem Kaff vieles im Argen liegt und die Leiche nur ein Anlass ist, den seltsamen BewohnerInnen und ihren zahlreichen Geheimnissen auf den Grund zu gehen.

Agent Ray und Agent Reyes sind nicht happy darüber, dass sie zusammenarbeiten müssen: Sie ist abgebrüht und schon lange im Geschäft, er noch jung und idealistisch. Als die beiden den Mord an einem unbekannten Mann aufklären müssen, bekommen sie von EinwohnerInnen in Thimbleweed Park wenig Unterstützung. Fast scheint es, als ob niemand ernsthaftes Interesse an der Aufklärung des Falles hätte.

Zurück zu den Wahnsinnigen

„Thimbleweed Park“, das im Jahr 1987 spielt (eine von vielen Anspielungen an das in jenem Jahr erschienene „Maniac Mansion“) beginnt etwas belanglos, aber nach circa einer halben Stunde kommt die Geschichte in Fahrt und die ersten Figuren entspinnen sich: Da gibt es zum Beispiel den im Ort hochverehrten, aber kürzlich verstorbenen Erfinder Chuck, der überall seine kuriosen, röhrenbetriebenen „Tron“-Maschinen aufstellt, einen fiesen Clown, der wegen seiner beleidigenden Witze von einer Voodoo-Zauberin verflucht wurde und zwei abergläubische Installateur-Schwestern, die sich als Tauben verkleiden. Absurder Humor ist etwas, für das Ron Gilbert bekannt ist, und das funktioniert auch 30 Jahre später noch erstaunlich gut.

„Thimbleweed Park“ ist für Mac, Windows, Linux und Xbox One erschienen.

Nicht nur spielerisch, sondern auch visuell ist „Thimbleweed Park“ eine Hommage an „Maniac Mansion“: Die Umgebung ist pixelig, die Figuren haben alle große Köpfe und auch, dass wir immer wieder zwischen den Charakteren (es gibt mehr als nur die beiden Agenten!) wechseln können, wurde von damals übernommen. Wir geben Befehle, indem wir auf Verben wie „Nimm“, „Schaue an“ oder „Sprich mit“ klicken und verknüpfen so Objekte und Subjekte miteinander. „Thimbleweed Park“ bietet eine abgedrehte Geschichte, markante Charaktere und eine sympathische Prise Nostalgie. Wenn man unbedingt weiterspielen möchte, weil man keine Zeile Dialog, keinen Gegenstand und keine Wendung der Geschichte verpassen möchte, dann weiß man, dass man gerade einen künftigen Klassiker spielt.

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