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Gefahr im Verzug

Wenn eine Indiefilm-Ikone auf eine lebende Rock-Legende trifft: In „Gimme Danger“ feiert Jim Jarmusch seinen Lieblingssänger Iggy Pop und dessen Band The Stooges.

von Christian Fuchs

Gimme Danger“: Der Titel passt wirklich punktgenau. In den späten Sixties überschreiten The Stooges die Grenzen des damals üblichen Rock’n’Roll-Entertainment. Die Band aus Michigan, rund um ihren manischen Performer Iggy Pop, strahlt wirklich etwas Gefährliches aus. Eine frühe Stooges-Show wirkt oft so extrem, exzessiv und bisweilen gewalttätig, dass sie Existenzen verändern kann.

Der mittlerweile 64-jährige Jim Jarmusch hat die Stooges in ihrer Hochblüte gar nie live gesehen, wie er seufzend in Interviews gesteht. Aber er entdeckt als Teenager in Akron, Ohio, deren Platten und die Musik trifft ihn wie ein Stromstoß. Dieser klirrende, heftige, aber immer auch groovende Sound voller Wildheit und Wahnsinn verweigert nicht nur spießbürgerliche Lebensentwürfe, er geht weiter.

Für subkulturelles Gedankengut stehen ja auch etliche andere Langhaar-Combos, und The Doors rund um Jim Morrisson kokettieren bereits mit den Blumen des Bösen, inmitten der Flower-Power-Ära. Aber die Stooges bewegen sich genüßlich in einer asozialen Twilight Zone aus Nihilismus und Zerstörungswut, nehmen die aggressive Energie des Punk vorweg.

Iggy Pop & The Stooges

Constantin Film

Filmischer Liebesbrief an eine geniale Chaostruppe

Auch wenn er eine bemerkenswerte Karriere im Indiekino-Bereich einschlägt, Jim Jarmusch ist angefixt und bleibt dem Outsider-Rock tief verbunden. Typen wie Tom Waits, Screamin Jay Hawkins oder Jack White geistern durch seine Filme, die Soundtracks bedienen sich schon mal bei Sunn O))), den Black Angels oder Boris. Er folgt Neil Young in „Year Of The Horse“ auf Tour und dreht mit „Only Lovers Left Alive“ eine Hymne an den nachtschwarzen Rock’n’Roll, als Vampirfilm verkleidet.

Mit Iggy Pop alias Jim Osterberg, eben unglaubliche 70 geworden, verbindet Jarmusch eine lange Freundschaft, die sich mehr auf der Leinwand niederschlägt. Der Sänger taucht sowohl im düsteren Neowestern „Dead Man“ auf, einem der besten Filme mit Johnny Depp, als auch im komödiantischen Episodenstreifen „Coffee and Cigarettes“, wo er sich selbst spielt. Es wundert also nicht, dass der Regisseur sich in seinem neuen Streifen zur Gänze Mr. Pop und seiner berühmt-berüchtigten Band The Stooges widmet.

Mit “Gimme Danger” kehrt Jim Jarmusch zu seinem jugendlichen Initiationserlebnis zurück und präsentiert einen filmischen Liebesbrief an die für ihn wichtigste Rockband ever. Die Doku ignoriert dabei Iggy Pops illustre Solokarriere und konzentriert sich ganz auf den Aufstieg und Fall der genialen Chaostruppe Stooges, inklusive der Comebackkonzerte der Gegenwart. Der Film macht deutlich, dass diese Band, die Legionen von Punks und Grungerockern inspirierte, in den späten 60ern und frühen 70ern als Geheimtipp kaum wahrgenommen wurde.

Iggy Pop & The Stooges

Constantin Film

Stagediving-Versuche und tragische Drogenabstürze

„Gimme Danger“ untermauert auch, dass die Stooges in jeder Hinsicht ein Produkt ihrer Zeit waren. 1969, als die Ideale der Hippiebewegung zu scheitern drohen, durchzieht ein dunkler Vibe die Jugendkultur. Mit Songs wie „No Fun“ und „I Wanna Be Your Dog“ stehen Iggy & The Stooges für den musikalischen Underground, stellvertretend auch für unzählige Garagenrocker, die bewusst primitive Beats und schneidende Gitarren dem verträumten Folksound und progressiver Virtuosität entgegenstellen.

Im Fall der Stooges, auch das verdeutlicht der Film, kommt zur brachialen Attitude auch noch das Wissen von Jim Osterberg um Avantgarde-Klänge und afroamerikanische Musik wie Freejazz und Blues dazu. Und die Ambition, einerseits sexy, andererseits so brutal zu klingen wie der Industrial-Lärm der Stahlfabriken im mittleren Westen.

Der Horror von 1969

Im August des Jahres metzelt sich eine Gruppe junger Hippiefrauen, indoktriniert vom Sektenführer Charles Manson, mit langen Messern durch Hollywoods Partyszene, zu den Opfern gehört die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate.

Die grausamen Morde zerstören das Bild vom freundlichen langhaarigen Außenseiter, der gerne Blumen in Gewehrmündungen steckt. Als Mitte August das legendäre Woodstock-Festival stattfindet, bei dem sich hunderttausende Jugendliche unter dem Symbol der Friedenstaube im Regen und Schlamm versammeln, ist Sharon Tate gerade ein paar Tage tot.

Im Dezember 1969 stirbt dann beim Altamont-Festival der Rolling Stones ein weiteres Stück des Love & Peace-Mythos. Mitten im Publikum ermorden Mitglieder der Hells Angels Gang einen afroamerikanischen Jugendlichen.

Wüst, aber witzig

„No Fun“ als Stooges-Motto heißt nicht, dass Jim Jarmusch einen todernsten Film gedreht hat, ganz im Gegenteil. Iggy Pop selbst führt auf verdammt witzige Weise durch seine eigene wüste Vergangenheit. Und die bizarren Storys rund um verunglückte Stagediving-Versuche und tragische Drogenabstürze werden durch oft durch animierte Cartoonsequenzen bebildert. „Gimme Danger“ vergisst bei all den Anekdoten aber nie auf seinen Titel. Diese Reise durch die Rock’n’Roll-Geschichte macht Spaß, aber man sollte sich unbedingt anschnallen, it’s dangerous out there.

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