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Flying Lotus mit Augäpfeln zwischen den Fingern

Tim Saccenti

Food for thought and feet

Ein kleines Future-Jazz-Festival: Flying Lotus, Thundercat, Dorian Concept und Jameszoo am Donnerstag in der Arena Wien

Von Katharina Seidler

Er allein wäre schon Headliner genug gewesen, ein ausgezeichneter Grund, den Open-Air-Platz der Arena Wien mit Menschen zu füllen und eine Sommernacht zwischen intellektueller Stimulation und selbstvergessener Tanz-Extase zu verbringen: Steven Ellison alias Flying Lotus gehört seit über zehn Jahren, seit fünf Alben und unzähligen Kollaborationen, Remixes, DJ-Mixes und als Labelboss verantworteten Platten zu den Vorreitern und Aushängeschildern einer Bewegung an der Schnittstelle von Jazz und elektronischer Musik.

Voll der Vorfreude auf den Brainfeeder-Abend morgen in der Arena hat Natalie Brunner Fyling Lotus beim Primavera Festival in Porto getroffen und mit ihm über sein Label Brainfeeder, seinen ersten Kinofilm Kuso und über sein Interesse an Transzendenz gesprochen, welches sein Werk in welchem Medium auch immer durchzieht:

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Das von Steven Ellison gegründete Label Brainfeeder trägt den Anspruch auf ausgeklügelte Tanzmusik, die mehr sein möchte als Tool und Funktion, bereits im Namen, und rund um dieses Haus hat sich mit Acts wie Samiyam, Lapalux, Tokimonsta, Kamasi Washington, Teebs, Ras G, The Gaslamp Killer und vielen mehr eine hochkarätige Posse versammelt, die den Dancefloor als die Erweiterung der Jazzbühne, Freejazz als Kehrseite und Ausdehnung von Clubmusik und Hip Hop als logische Konsequenz aus Soul und Funk versteht. Und vice versa. Alles fließt, alles gehört zusammen.

Dementsprechend vereint auch Flying Lotus’ letzter Longplayer mit dem pragmatischen Titel „You’re dead!“ aus dem Jahr 2014 dreimal um die Ecke gedachtes Beat-Design mit dem wärmsten Soul, kosmischste Elektronik mit atemberaubend schnellen Jazz-Bassläufen, Geistern der Vergangenheit und Gastauftritten von Kendrick Lamar, Snoop Dogg oder Thundercat in sich. Kurz davor hat FlyLo unter dem Namen Captain Murphy übrigens auch selbst ein Rap-Abum aufgenommen, aber das ist eine andere Geschichte.

Eines der meisterwarteten Alben auf Brainfeeder der letzten Zeit war ein Werk mit dem schönen Titel „Drunk“, produziert und kuratiert von dem Bassisten und Produzenten Stephen Bruner aka Thundercat. Auch bei ihm ist die Liste der Referenzen lang, er hat neben FlyLo mit Kendrick Lamar auf dessem wegweisenden Album „To pimp a butterfly“ gearbeitet, außerdem mit etwa Erykah Badu, Ty Dolla $ign oder den Suicidal Tendencies und hat in seinen 23 neuen Songs ebenfalls die Gast-Stimmen von King Kendrick, Wiz Khalifa oder Pharrell Williams mit an Bord. Funk, Beatbastlertum und Soul treffen auf „Drunk“ auf Hip Hop, Disco und futuristischen Jazz-Fusion-Sound.

Es ist eine Platte, die zurecht in wochenlanger Aufregung in MusikauskennerInnen-Seiten der Welt angeteast und gehypt wurde, und wenn Thundercat sie am 22. Juni live auf die Bühne bringt, kann man davon ausgehen, dass in Kollaboration mit seinen Labelkollegen zusammenkommt, was zusammengehört: „No one wants to be in the friend zone?“ Stimmt ja gar nicht!

And then some. Brainfeeder, Warp Records, Ninja Tune, auch Labels können Familien bilden, zwischen denen Acts, Ideen, Kollaborationen, Live-Shows ausgetauscht und erweitert werden. Weit über die österreichischen und britischen Ninja-Tune-Grenzen hinaus hat sich auch die Fingerfertigkeit und das allgemeine Genie des Wiener Supertypen Dorian Concept herumgesprochen. Seine beiden Alben „When planets explode“ und „Joined ends“ klingen immer noch fresh wie am ersten Tag. Auch treten Dorian Concept und FlyLo ebenfalls seit tausend Jahren gemeinsam auf.

Dorian Concept

Affin Records

Dieser Typ ist einfach der Beste: Dorian Concept. Ein Interview mit ihm ist derzeit zu hören im FM4 Player.

Jameszoo Albumcover mit Gemälde

Brainfeeder

Ceci n’est pas Jameszoo? „Fool“ Albumcover

Jetzt reicht’s aber dann bald. Jameszoo ist auch noch mit von der Partie, auch er ein dem Jazz zugeneigter Musiker mit regem Interesse an left-field Elektronik jenseits der herkömmlichen Rhythmuskonstrukte. Sein Debütalbum „Fool“ hat der autodidakte Holländer Mitchel Van Dinther im letzten Sommer auf, genau, Brainfeeder veröffentlicht und ihm selbst die Genrebezeichnung „naive computer Jazz“ mit auf den Weg gegeben. In gewisser Weise ist er vielleicht der freigeistigste unter den hier genannten Musikern, der seine Melodien scheinbar von Raum, Zeit, Diatonik oder Taktkorsetten befreit, nur um sie Minuten später wieder nachhause zu bringen. Experimental Jazz, gibt es diese Genrebezeichnung schon? Der Juniabend morgen in der Wiener Arena wird es weisen.

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