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Donaufestival 2024

David Višnjić

Under the april sky: Der Auftakt des Donaufestivals mit u.a. The Jesus and Mary Chain

Verregneter Eröffnungstag beim Donaufestival 2024: Wärme brachten die neue, heimische Metal-Supergroup Eaeres, sowie die schottischen Rockveteranen The Jesus and Mary Chain.

Von Katharina Seidler

Donaufestival 2024

  • Wochenende 1: 19.04. bis 21.04.2024
  • Wochenende 2: 26.04. bis 28.05.2024

Krems an der Donau

Alle Infos plus Tickets gibt es auf der Donaufestival Website.

Vom Wetter ist ein Stadtfestival zum Glück weniger abhängig als eines, das sich im Pechfall Sorgen um verwehte Zelte und Gatschlacken machen muss. Dennoch wurde am Freitagabend leider ein Teil des Zaubers, der einem Auftakttag nach einem Jahr Planung, Organisation und Vorfreude innewohnt, von Dauerregen und Windböen verweht. Frierend trotten Menschentrauben durch Pflastersteingassen. Sie sehnen sich nach Punsch statt nach weißem Wachauer Spritzer und bekommen zur Eröffnung gleich ordentliches food for thought serviert.

Ins Forum Frohner haben Sylvia Eckermann und Gerald Nestler gleich zu Beginn des Abends eine ganze Riege an Philosoph:innen, Musiker:innen, Ökolog:innen und anderen Universalgelehrten eingeladen, um unter dem Titel „Like a Ray in Search of its Mirror“ über das Weltgefüge, über Pilze, Quantenphysik und Posthumanismus zu referieren. Auf Englisch, abwechselnd als Projektionen via Livestream oder als real im Raum umherstreifende Vortragende. Im Licht der Projektoren, zwischen süßlich duftenden, scheinbar organischen, kunstvoll drapierten Stoffen hat man ständig das Gefühl den Performenden im Weg zu stehen und ihren komplexen Gedankengängen intellektuell nicht gewachsen zu sein.

Frustriertes Aufgeben, Hinüberhuschen nach nebenan, wo in der Minoritenkirche die iranische Musikerin Nazanin Noori gemeinsam mit der syrisch-ukrainischen Videokünstlerin Diana Azzuz außerweltliche Gesänge, Drones und entferntes Glockenläuten mit der uncanny Mimik digitaler Gesichter auf der Leinwand kurzschließt. Soll man im Kirchenschiff nun stehen oder sich auf den Boden setzen? Für ersteres spricht, dass dann alle Anwesenden etwas sehen können – es ist also die einzig faire und einleuchtende Option – pro zweiteres könnte man immerhin argumentieren, dass ein solches Festivalwochenende neben den Gehirnwindungen und Trommelfellen auch die Beine ganz schön beansprucht. Wenn einmal der verdammte Regen aufhörte, könnte man das eigens nach Krems mitgebrachte Fahrrad beineschonend zwischen den Spielstätten zum Einsatz bringen.

Donaufestival 2024

David Višnjić

Sing Song Soil

Zurück in der Festivalhomebase Messehallen: FM4 Kollege Fritz Ostermayer steuert einen Zwischenbericht über die Performance „Sing Song Soil“ von Eglė Budvytytė and Marija Olšauskaitė bei:

In Halle 3, ganz hinten, steht ein riesiges Trampolin, rundherum Hocker für das Publikum wie in einer Mini-Manege. Das mindeste, was zu erwarten wäre: Dass die drei Performer:innen, die beim Reinkommen schon entspannt auf dem Turngerät liegen, irgendwann beginnen würden, dieses zu nutzen. Also darauf herumspringen. Das wird nicht passieren. Aber kaum will man seine Vorurteile über Ausdruckstanz wieder einmal bestätigt sehen, kippen die Gesten der Nichthüpfenden in eine schablonenhafte Gleichförmigkeit.

Donaufestival 2024

David Višnjić

Sing Song Soil

Das Trio gleitet bald vom Trampolin und beginnt sie mit einem seltsam introvertierten Schlendertanz, bei dem mir die dürren Außerirdischen aus Tim Burtons „Mars Attack“ einfallen. Sanft komisch ist das, und auch ein bissl melancholisch. Ich habe keine Ahnung, was das Ganze soll, aber die Szene entwickelt eine sehr eigenartige Magie. Für ein Folk-Horror-Ritual ist es zu wenig spooky, für ein erotisches Irgendwas zu somnambul. Ein Großteil des eigenartigen Zaubers verdankt sich der fantastischen Tonebene der 30-minütigen Aktion, einer musikalischen Collage aus durch den elektronischen Fleischwolf gedrehten Chören, herzergreifend schönen Synth-Akkorden, langsamen Beats und Glitches aus dem Setzkasten von Aphex Twin. So etwas Schönes habe ich schon lange nicht mehr gehört.

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David Višnjić

Eaeres

Nach den Eröffnungsperformances, für die man im Kopf immer gut mitarbeiten musste, holt die brandneue Band Eaeres die Menschen zurück auf den Boden, es wird endlich warm und es gibt was zu beißen. Eaeres sind eine sogenannte Supergroup aus vier einzeln und in zahlreichen anderen Konstellationen verstrickten Musiker:innen, die in der heimischen Experimental-(Elektronik-)Szene Respekt genießen. Namentlich sind es Katrin Euller alias Rent an den Synthesizern, Ursula Winterauer aka Gischt am Bass, Leon Leder alias Asfast am Schlagzeug und Karo Preuschl (ehemals etwa Coco Béchamel und MC Rhine) am Mikrophon, die sich vergangenes Jahr im Rahmen des Impulstanz Festivals für ein krachiges Musical – ein Noisical – zusammengetan haben, und die hier beim Donaufestival nun ihren ersten Gig als offiziell existierende Band mit kryptischem Namen und ebensolchen Bandfoto spielen.

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David Višnjić

Eaeres

In ihrer Grundauffassung sind Eaeres eine Doom Metal-Band; sie haben sich aber keineswegs der reinen Dunkelheit verschrieben, sondern präsentieren ihre wuchtigen Songs mit Spielfreude und gern auch einer Prise Humor. „I love my sister!!!“, growlt die geborene Frontfrau Karo Preuschl, deren Stimme zwischen Kieksen, Röhren und majestätischem Singen offenbar keine stilistischen Grenzen kennt: „She’s nice!!“ Rent baut dazu ein Bett aus wohligem Dröhnen, Asfast und Gischt schneiden Rhythmen aus saftigem Fleisch. Eaeres sind also auch insofern eine Supergroup, als sie super sind.

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David Višnjić

„And I’m happy now, and I’m happy when it rains“: The Jesus and Mary Chain

Und dann war es Zeit für die Headliner des gesamten Donaufestivals, die großen schottischen Krawall-Pop-Brüder William und Jim Reid alias The Jesus and Mary Chain. Wer heute auf Facebook (nicht zufällig dort) unterwegs ist, wird von den in Scharen angereisten Besucher:innen des gestrigen Abends, viele von ihnen JAMC-Fans der ersten Stunde, mitunter enttäuschte Kommentare über die Kraftlosigkeit ihres Auftritts zu lesen bekommen. Rätselhaft bleibt dabei, warum viele sich eine Show aus Krach und Abriss erwarteten, wo die Band doch schon seit Beginn nicht durch Bühnenexzesse, sondern eben durch Fuck-It-Attitüde, im Sinn von sich mit dem Rücken zum Publikum stellen und dem Shoegaze den Weg bereitendem Auf-die-Schuhe-Starren, aufgefallen ist.

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David Višnjić

The Jesus and Mary Chain

Dass Ultra-Klassiker wie „Just like honey“ oder „Darklands“ nach 40 Jahren tatsächlich etwas lustlos heruntergespielt werden, nagut. Grandios gealtert sind die zuckersüßen und im klassischen Sinne hübschen Popmelodien von The Jesus and Mary Chain allemal und die Altersmilde und Drogenfreiheit ihrer Urheber kehrt eben die melodiösen Seiten ihrer Ohrwürmer mehr hervor als die Feedback-Schichten. Außerdem haben JAMC mit „Glasgow Eyes“ derzeit ein amtliches und mindestens mit zwei Handvoll sehr guten Songs bestücktes neues Album im Gepäck. „JAMC – OD“ heißt es darauf in der Nummer „Jamcod“, die auf der derzeitigen Tour als Firestarter das Set der Brüder eröffnet, aber die darin herbeiimaginierte „Overdose“ (OD) ist glücklicherweise nie eingetreten. Freundlich reicht William Reid nach der Show die Setlist ins Publikum. Manchmal darf ein schönes Konzert ein schönes Konzert sein, nicht mehr und nicht weniger.

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David Višnjić

The Jesus and Mary Chain

Zum Abschluss der Eröffnungsnacht arbeiteten Meuko! Meuko! aus Taipeh sowie Deena Abdelwahed mit einer brandneuen Liveshow noch dem Dancefloor zu. Geboren in Tunesien, aufgewachsen in Qatar, war das Internet für die Musikerin und DJ Deena Abdelwahed als junge Frau in einer strengen muslimischen Gesellschaft lange Zeit das Fenster zur Welt. Auch mit der Partywelt kam sie bis zum Studium, nunmehr zurück in Tunesien, nur online in Berührung. Heute gilt Deena Abdelwahed als eine der progressivsten Produzentinnen und Botschafterinnen von Clubmusik mit arabischem Einschlag. Sie lebt nun in Lyon in Frankreich, wo sie mit dem französischen Label InFiné in Kontakt kam und dort zuletzt das ausgezeichnete Album „Jbal Rrsas“ (جبل الرصاص) veröffentlicht hat. Ihr Auftritt gemeinsam mit dem Mitmusiker Khalil Hentati war ein Highlight der Nacht.

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David Višnjić

Deena Abdelwahed

Heute, am Samstag, geht es etwa mit den kalifornischen Industrial-Rap-Poeten Clipping. weiter, da kann sich dann die Katharsis abholen, wer gestern nicht genug bekam.

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