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Zwei junge Frauen mit Glitzer im Gesicht im Publikum

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

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Phoenix oder Foals?

„1901“ oder „Mountain At My Gates“? Thomas Mars oder Yannis Philippakis? Wirklich entscheiden musste sich gestern, am zweiten Abend des Out Of The Woods Festivals in Wiesen, ja glücklicherweise niemand. Die Bands haben nacheinander gespielt. Wieso mich die Frage trotzdem den Abend über begleitet hat.

Von Lisa Schneider

Die hartnäckigste Challenge auf vielen Festivals und, wenn man es vollbringt, Königsdisziplin ist es, keine Band wegen Überschneidung zu verpassen. Das Out Of The Woods Festival in Wiesen, das gestern, Freitag, seine zweite Runde eingeläutet hat, löst das Problem so halb: Die Acts bespielen diesmal nicht nur eine Haupt- sondern auch eine kleinere Nebenbühne. Alle Konzerte waren so verteilt, dass man zumindest noch 15 Minuten des jeweils gleichzeitig stattfindenden sehen konnte. Außerdem, und das ist ja fast das schönste an Wiesen, schafft man die Distanzen auch in High Heels. Ein Paradies für Gehfaule.

Von junger Anmut und dem richtigen Zorn

Mit ein bisschen Verschiebung im Timetable beginnen Nihils um 16.00 Uhr, sie eröffnen die Main Stage. Es gibt Live-Kostproben des neuen Albums „Perspectives“, den schönsten Song „Put You Back Together“ gleich ganz am Anfang. Nicht nur auf Platte, auch live haben sich Nihils komplett um ihre eigene Achse, von der Akustikgitarre zu dick dröhnenden Synths gedreht. Eine smoothe Einstimmung auf das, was noch vor uns liegt, auch, wenn die Stimme von Sänger Ramon leider ein bisschen zu laut gepegelt war.

Am 31. Juli gibt es in FM4 Heartbeat ein Best Of vom Out Of the Woods Festivals - mit Interviews und Livetracks!

Der 21-jährige Rat Boy springt für den noch jüngeren Declan McKenna ein, Englands Indierock-Rap-Mashup-Szene blüht wie nie, der oberste Apostel heißt natürlich Jamie T. Die Bühne ist voll von lustvoller Aggression, ins Mikro wird geschrien, die Gitarren geschrammelt, die Haare zerzaust. Ein schönes Klischee unverbrauchter, schonungsloser und hoffnungsvoller Jugend wird da bestätigt, kleine technische Patzer sind egal, die Songs sind gut.

Mira Lou Kovacs von Schmieds Puls

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

Mira Lou Kovacs von Schmieds Puls

Unbestreitbar gut ist natürlich auch und wie immer Mira Lu Kovacs, ihr Auftritt mit Schmieds Puls der besinnlichste des Abends, eine Einkehr, ein Runterkommen, und immer der dumpf-schöne Kontrabass im Nacken. Nach dem Wirbelwind auf der Bühne zuvor aber wäre sie vielleicht auf der dunklen, zweiten Bühne besser aufgehoben gewesen.
Auf dem Weg hinüber zur kleinen Stage, um mir dort das Wiener Producer-Duo Palastic anzusehen, überhöre ich eine Diskussion zweier Freundinnen. Es ist die Phoenix vs. Foals-Diskussion.

Ja, wer denn nun?

Beide haben gute Gründe, wieso sie die eine Band der anderen vorziehen. Foals etwa „sind live so brachial wie eine Urgewalt, die dicken Bässe dröhnen so, dass der ganze Körper vibriert vor Freude.“ Phoenix aber, „das sind keine Rockstars par exemple. Nur, dass sie 2009 mit ‚Wolfgang Amadeus Phoenix‘ eines der besten Indiepop-Alben überhaupt geschrieben haben!“ Schlagabtausch, es geht hin- und her.

Interessant. Wie steht der Rest von Wiesen zu diesem Thema? Der erste Besucher, der mir über den Weg läuft, sagt: „Phoenix oder Foals? Metronomy!“ Die bespielen nämlich gerade die Hauptbühne, es ist ein buntes, zuckriges Fest. Nirgends gibt es süßere Love Letters, und außerdem ist Metronomy eine Band, die man lieben muss. Sspätestens, wenn man sie einmal live gesehen hat. Diese Mischung aus frechem Disco-Pop und in schnellem Tempo erzählten Liebesgeschichten ist das, was ein Sommerfestival braucht. Zum Tanzen, zum Freuen, zum Feiern eben.

Metronomy auf der Bühne

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

Metronomy auf der Bühne

Tanzend und pfeifend zu „The Look“ geht’s weiter mit der Feldforschung. Unterm Strich entscheiden sich die meisten für Phoenix. Ein Besucher erzählt: „Es hat schon etwas Exotisches, Phoenix spielen endlich wieder in Österreich und dann gleich in Wiesen.“

Naturgewalten in Wiesen

Jetzt aber zur Praxis: Foals sind endlich da! Um neun Uhr, perfekt zum nur mehr diffusen Licht draußen, und ready, Wiesen ihren Sound so richtig um die Ohren zu blasen. Live, und diesen Grund haben mir viele Befragte vorhin genannt, sind Foals immer noch eine Spur härter, lauter und aggressiver als auf Platte. Das hat nicht mehr nur Rock- sondern teilweise sogar Metalanspruch. Ob Yannis Philippakis sich dieses Mal das Hemd zerreißt und sich die Brusthaare rauft? Er zeigt publikumsnah, die ersten Reihen dürfen mit ihm gemeinsam ins Mikro brüllen, auf dass sich die Adern am Hals wie pulsierende Schlangen erheben. Alles soll, kann und muss raus. Wie hypnotisiert stehen die BesucherInnen nach dem Set vor der Bühne, das war ein einstündiges, intensives und donnerndes Rock-Happening.

Foals Sänger Yannis reißt die Arme hoch

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

Foals-Sänger Yannis Philippakis

Zwischenstand: Team Foals also momentan vorne mit 1:0.

Aber! Aber.

Thomas Mars betritt mit Band die Bühne, die Visuals sind prächtig, aber noch prächtiger ist sein Grinsen, übers ganze Gesicht, von einem Ohr zum anderen: “Wir sind wieder da, und ihr freut euch auf die Show, aber wisst ihr was, wir freuen uns umso mehr“.

Musik ist ein Gefühl

Das neue Phoenix Album „Ti Amo“ hat vielleicht wenige Radio-Hits, aber das ist spätestens nach den dauerschleifentauglichen „Lasso“ oder „Entertainment“ egal. Im Interview hat Thomas Mars gemeint, das neue Album sei „the best version of ourselves“. Nach dem gestrigen Liveset ist auch viel klarer, wie er das meint. Waren Phoenix früher die Band, die einfach wahnsinnig gute Songs geschrieben hat, sind sie jetzt eine Band, die mehr noch als Hits ein Gefühl transportieren will.

Thomas Mars beim Crowdsurfen

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

Thomas Mars im Publikum

Ti Amo, ich liebe dich, und so naiv und einfach die Botschaft ist, sie muss hinaus in die Welt. In eine Welt, wo Konzerte immer wieder zum Ziel von Terroranschlägen werden. In der Musik eine kleine, aber nicht unwesentliche Stimme sein kann und muss. Genau diese Geschichte erzählt Thomas Mars gestern, als er mit seiner Band abgeht. Alle sehen sie aus wie Wunschschwiegersöhne, aber nicht bieder, sondern einfach supersympathisch. Die Freude, mit der Phoenix spielen, schwappt sofort über. Alles ist voller Euphorie, Freudentränen, Schweiß und Umarmungen.

Ein Gefühl eben, das gut ins schöne Wiesen passt, zur schon untergegangenen Sonne, zur schwül-heißen Sommernacht.

Phoenix, die Band von hinten und euphorisches Publikum

(c) ACODA (Wenzl/Pichler)

Begeistertes Publikum

Phoenix menscheln, sie wollen die Nähe, mehrmals wird ins Publikum gegriffen, Schmäh geführt, gemeinsam getanzt. Und scheiß drauf, wer braucht da auch noch ein Hemd, Thomas Mars zieht es aus und wagt sich im T-Shirt ins Publikum. Und natürlich, es trägt ihn auf Händen.

Die Frage Phoenix oder Foals stellt sich nach dem gestrigen Abend nicht mehr, beide Shows haben das Publikum glücklich, zufrieden, erschöpft, aber gut erschöpft, zurückgelassen. Sagen wir doch einfach: Phoenix und Foals. Genauso wie heute Abend, Cigarettes After Sex und Tommy Cash, Sohn und Feist.

Auf in die dritte Runde.

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