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Überwachungspaket: So viele Stellungnahmen wie noch nie

8.000 Stellungnahmen besorgter Österreicherinnen und Österreicher sind auf der Website des Parlaments zum Sicherheitspaket eingegangen - mehr als je zuvor bei einem Gesetzesvorschlag. Dabei ist die Begutachtung erst in zwei Wochen zu Ende.

Von Christoph Weiss

Wenn die Regierung in Österreich einen Gesetzesvorschlag in die parlamentarische Begutachtung übergibt, kann sich jede Staatsbürgerin und jeder Staatsbürger auf der Website des Parlaments an der Konsultation dazu beteiligen. Der bisherige Rekord dafür lag bei 1.600 Stellungnahmen zur einer geplanten Bildungsreform. Dieser Rekord wurde im Laufe der Begutachtung zum sogenannten „Sicherheitspaket“ jetzt problemlos geknackt, sagt Thomas Lohninger von der NGO Epicenter Works.

Derzeit liegen trotz des „Sommerlochs“ circa 8.000 Stellungnahmen vor (Stand: 8. August 2017). Lohninger dazu im FM4 Interview: „Das liegt weit über unseren Erwartungen. So viele Menschen haben ihrer Stimme bei einer Begutachtung noch nie Gehör verschafft. Das freut uns sehr, denn es zeigt, dass es großes öffentliches Interesse an den Regierungsplänen gibt. Viele Leute sind nicht damit einverstanden, dass diese Form der Massenüberwachung noch vor der Wahl beschlossen werden soll.“

In dem umstrittenen Gesetzesvorhaben sind Maßnahmen wie der sogenannte Bundestrojaner (also staatliche Computerviren, die unsere Computer überwachen sollen) enthalten, die Einführung von Netzsperren durch Internet-Serviceprovider, die österreichweite Videoüberwachung des Straßenverkehrs, der Lauschangriff im Auto und vieles mehr.

Eine Karton, der das Überwachungspaket symbolisieren soll mit Forderungen von Epicenter Works.

Epicenter Works

Bild von einem Aktionstag in Graz: Forderungen von Epicenter Works auf einem „Überwachungspaket“, das ans Innenministerium zurückgeschickt werden soll.

Im Wahlkampf ist das Sicherheitspaket derzeit trotzdem kaum Thema. Epicenter Works sieht dahinter Kalkül seitens der Regierung. „Deshalb wurde das Gesetz auch erst mitten im Juli - im Hochsommer, wenn es so heiß ist – vorgestellt, damit es möglichst wenig Leute mitbekommen. Als Zivilgesellschaft müssen wir wieder für Klarheit sorgen - also dieses komplexe Paket auspacken, genau erklären, was da alles drin ist und den Menschen eine Möglichkeit geben, noch ‚Nein‘ zu sagen.“

Einen Grund für das hohe Interesse am parlamentarischen Begutachtungsverfahren zum Überwachungspaket sieht Thomas Lohninger darin, dass die Regierung viele verschiedene Gesetze, die eigentlich gar nicht zusammengehören, in ein Überwachungspaket zusammengeschnürt hat. Zum Beispiel die flächendeckende Videoüberwachung und die mögliche Sperre von Websites.

Bundestrojaner als Ablenkungsmanöver?

Der einzige Teil des Überwachungspakets, über den im Wahlkampf bisher diskutiert wurde, ist der Bundestrojaner – also der Wunsch der Regierung, staatliche Computerviren auf unsere PCs zu schmuggeln, um uns auszuspionieren. Diese Forderung im Paket wird jetzt halbherzig zurückgenommen. „Das ist ein Ablenkungsmanöver“, sagt Thomas Lohninger. „Die Regierung will, dass wir uns jetzt über den Bundestrojaner streiten, und dann wird’s da irgendeinen Kompromiss geben. Aber der Großteil der anderen Überwachungsmaßnahmen wird gar nicht diskutiert. Die Regierung hofft einfach, dass die Leute es einfach nicht mitbekommen, dass zum Beispiel alle Autokennzeichen in Österreich überwacht werden. Für zwei Tage soll genau aufgezeichnet werden, welches Auto sich wann und wo in Österreich bewegt hat.“

Internet-Serviceprovider sollen in Zukunft Websites selbständig sperren dürfen – ohne richterlichen Beschluss. In Großbritannien gibt es das schon, die Filterlisten privater Firmen bestimmen dann, was man noch sehen darf. „Das Gesetz listet ein paar beispielhafte Inhalte auf, für die Netzsperren gerechtfertigt sein sollen - zum Beispiel auch Pornographie und Urheberrechtsverletzungen. Es soll den Internet-Serviceprovidern überlassen werden, welche Inhalte wir im Netz noch ansehen dürfen und welche nicht. Es könnte auch sein, dass ein unzensiertes Internet dann teurer wird. Das ist im krassen Widerspruch zu den EU-Regeln bezüglich der Netzneutralität. Ich glaube nicht, dass es vor Gericht halten würde, und es hat auch nichts mit Sicherheit zu tun, sondern nur mit Kontrolle.“

Bei Netzsperren, so Lohninger, handle es sich um Entscheidungen, die ein Richter, nicht aber ein Internet-Serviceprovider treffen soll.

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