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Aktueller Musiktitel:

Die Band Kettcar in einem Restaurantfenster

Andreas Hornoff

Das neue Kettcar Album „Ich vs Wir“

Gesellschaftspolitische Verantwortung in Songs dokumentiert und verpackt. Die Hamburger Band Kettcar hat Herz und Hirn. Das beweisen sie konstant seit ihrem Debütalbum und nun auch mit Platte Nummer Fünf, die sie am 20. Jänner am FM4 Geburtstagsfest und am Tag drauf dann im Orpheum Graz vorstellen werden.

Von Susi Ondrušová

Der erste Vorbote des neuen Albums war der vieldiskutierte Song „Sommer 89“. Für die Story darum hat sich Marcus Wiebusch von der Geschichte eines österreichischen Ehepaares inspirieren lassen: Es hat sich im Sommer 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze als Fluchthelfer engagiert und den „Bürgern erklärt wann die Grenzpatrouillen entlang marschieren“, so Wiebusch im Interview. Diese Geschichte wollte er mit dem Song erzählen. Wiebusch betont, dass er sich mit keinem Satz und keinem Wort auf die Flüchtlingswelle im Sommer 2015 bezieht. Es geht ihm um menschliches Handeln: „Der Song wurde geschrieben, um alle daran zu erinnern, dass es ein sehr, sehr menschlicher Akt ist, Menschen durch Zäune zu helfen.“

Plattencover

Kettcar

„Ich vs Wir“ von Kettcar ist bei Grand Hotel van Cleef erschienen.

Kettcar bezeichnen den Song mit seinem untypischen Sprechgesang als einen der wichtigsten Songs, die sie je gemacht haben. Auch der Albumtitel gibt die Themen der neuen Songsammlung vor: „Ich vs Wir“ lautet er. Wenn Marcus Wiebusch versucht, im politischen Gespräch mit Freunden, Kollegen, Bekannten und Nachbarn Ängste einzelner Menschen anlässlich der globalen Flüchtlingspolitik zu verstehen und mit Empathielosigkeit konfrontiert wird und von den anderen „ich-bezogene, egoistische“ Sätze hört wie „Wir wollen das für Deutschland. Für das Volk!“ kommt er zu dem Schluss: „Hier seid ihr und hier bin ich“.

Am „krassesten durchdekliniert“ wird die Thematik im Song „Wagenburg“. Der Song beschreibt das „Wir“ und das „Ich“, zum Beispiel wenn es gleich zu Anfang heißt:

Ein Ich schreibt online Kommentare
Und träumt von Selbstverwirklichung.
Ein Wir geht raus, raus auf die Straße
Und träumt von Selbstermächtigung.

Und so geht es weiter bis zur Frage nach dem öffentlichen Raum und wer einen Teil vom Kuchen bekommt. Selbst für eine Zeile wie „überall besorgte Bürger, die besorgte Bürger suchen“ ist im Song Platz. Wiebusch erklärt dazu: „Es gibt mehrere Punkte auf dem Album, wo es um eine ur-politische Frage geht: In Zeiten wie diesen, wo die sogenannten demokratisch legitimierten Entscheidungen wie Brexit, wie Trump, wie Erdogan, wie AfD-Wahlerfolge, wie Frankreich kurz vor dem absoluten Rechtsruck – zum Glück dann ja nicht in Frankreich - aber wie das alles so auf einen niederkracht und man denkt: Mit wem zusammen will ich eigentlich irgendeine Gesellschaft machen, die lebenswert und lebensfähig ist? Das ist eine schwierige Frage wo das Individuum gegen die Gemeinschaft clasht.“

Wird das alte Liebeslied abgelöst?

Eine „wichtige Platte, die den Mechanismen und Möglichkeiten der Interaktion zwischen uns selbst und einem Leben, das uns kaputtmacht, nachforscht“ war auch das Album „Flucht in die Flucht“, das die Hamburger Band Die Sterne vor vier Jahren veröffentlicht hat. „Hier kommt das Ende, wir haben alles versucht. Hier kommt die Wende, hier kommt die Flucht in die Flucht.“ singt Frank Spilker. Im Song „Innenstadt Illusionen“ auf dem selben Album geht es um das Thema Gentrifizierung. („Wenn alles schiefgeht, machen wir eben ein Benefiz“)

Löst die Frage wo es noch lebenswerter Raum gebt etwa das gute alte Liebeslied ab?

Die Band Kettcar in schwarz-weiß

Andreas Hornoff

Kettcar - bald am FM4 Geburtstagsfest zu sehen!

Kettcar versuchen im Song „Die Straßen Unseres Viertels“ beides. Ein Song darüber, dass man „immer abliefern muss, um sich etwas leisten zu können“, so Wiebusch. In diesem Fall den Wohnraum, der immer teurer wird und wo man nicht mehr weiß, wie lange man überhaupt bleiben kann. Es ist auch ein verstecktes Liebeslied, wenn der Protagonist im Song meint: „Bleib bei mir“.

Abwandern vom Pfad des logischen Handelns

Dass nicht alles schwere Kost sein muss, sondern auch eine Art „Auszucken“ und Abwandern vom Pfad des „logischen Handelns“ also kurz gesagt „Craziness“ erlaubt ist, dafür steht der Song „Mit der Stimme eines Irren“.

Kettcar spielen auch am:

FM4 Geburtstagsfest

Mein Fest, dein Fest, unser Fest!
Am Samstag, den 20. Jänner 2018, in der Ottakringer Brauerei in Wien. Beginn & Einlass: 20:00 Uhr

Line-Up
Beatsteaks, Kettcar, Dan Croll, Leyya, Mine & Fatoni, Intergalactic Lovers, Jordan Klassen, Kakkmaddafakka, Superorganism, The Crispies und Yukno.

FAQ
Was es sonst noch zum FM4 Geburtstagsfest zu wissen gibt.

Musikalisch ist er der „experimentellste Song“ auf der Platte, wie Wiebusch meint. „Ich wollte einen Song schreiben, der sich damit auseinandersetzt, dass man in logischen Zeiten wie diesen auch auf diese Zustände reagieren kann, indem man einfach „verrückt wird“. Und dass dieses Verrückt-Werden nicht negativ sein muss, sondern eine positive Verrücktheit sein kann. Das wird nicht näher erklärt und ich will das auch nicht näher erklären. Das kann Hedonismus sein oder was auch immer. Es ist verständlich, dass man auf Zeiten wie diesen mit einer Craziness reagiert.“

Wie Nina Simone schon festgestellt hat: „It´s an artist´s duty to reflect the times in which we live!” Zahlreiche Musiker von Kendrick bis eben Kettcar haben sich diesen Spruch und diese Verantwortung zu Herzen genommen. Das ist gut. Das braucht das Ich und das braucht das Wir.

Aktuell: