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APA/dpa/Bernd Von Jutrczenka

interview

„Wir brauchen dringend ein Informationsfreiheitsgesetz“

Österreich rutscht im Pressefreiheitsranking dramatisch ab. Wie das zustande gekommen ist und wid man da gegensteuern könnte, sagt Professor Fritz Hausjell im FM4-Interview.

Von Joanna Bostock

Beim aktuellen Ranking über den Status der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Österreich drastisch abgerutscht – von Platz 17 auf 31. An der Spitze sind nach wie vor die skandinavischen Länder, um die Wirtschaftsriesen USA, China, Indien, Russland und Türkei steht es noch schlechter, als um Österreich. Die Gründe für den massiven Absturz Österreichs und was dagegen unternommen werden könnte und müsste hat der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell von Reporter Ohne Grenzen Österreich im Interview erläutert.

Joanna Bostock: Können sie kurz erklären, wie der Index der Pressefreiheit in einem Land gemessen und ermittelt wird?

Fritz Hausjell: Das ist der insgesamt 20. Index, den Reporter ohne Grenzen macht. Die Messung dieses Indexes ist auf Basis von 123 Fragen erfolgt, die verschiedene Aspekte betreffen, die Medienfreiheit und Pressefreiheit behindern und andererseits ermöglichen. Und dieser Fragebogen wird von einer Reihe von Fachleuten ausgefüllt, die anonym bleiben, um sie zu schützen, in allen Ländern dieser Welt - es ist ja nicht überall so selbstverständlich, dass man frei reden kann, wie hier. Die Auswertung erfolgt dann im Wesentlichen nach fünf Säulen, das ist jetzt ein neues System, seit heuer. Und diese Säulen sind politische Rahmenbedingungen, rechtliche Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, gesellschaftliche/ soziologische Rahmenbedingungen und schließlich als wichtige Säule auch noch die Frage der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten bei der Berufsausübung.

Heuer haben sich die Augenbrauen der Österreicher*innen stark nach oben bewegt – immerhin ist man auf den 31. Platz von von 180 abgestürzt, letztes Jahr war man auf dem 17., davor sogar auf dem elften Platz. Was hat zu diesem dramatischen Absturz im Pressefreiheitsindex geführt?

Es ist ein ganzes Bündel von mehr oder weniger heftigen Nadelstichen, die der freie Journalismus in diesem Land bekommen hat und die zusammen für diesen massiven Absturz verantwortlich sind. Vor allem sind es Ereignisse, die von der Regierung zu verantworten sind. Wir haben hier auf der einen Seite das sicher Markanteste, nämlich dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft durch Ermittlungen zutage gefördert hat, dass es ein korruptes Verhältnis gibt zwischen einer Boulevardzeitung, einer großen Boulevardzeitung, einigen politischen Vertretern der türkisen Regierungspartei und einem Meinungsforschungsinstitut, wodurch in der Öffentlichkeit Verhältnisse anders dargestellt worden sind, als sie in der Realität existieren, durch entsprechend abgeänderte, gefälschte Meinungsforschungsumfrageergebnisse. Und diese Umfragen sind zudem durch öffentliche Mittel finanziert worden, obwohl es beim Meisten davon eigentlich um parteipolitische Fragen gegangen ist. Der Journalismus ist dafür mit üppigen Regierungsinseraten belohnt worden. Das sind die Vorwürfe.

Es gilt gleichwohl die Unschuldsvermutung, wie wir so oft dazu sagen müssen, aber es wurde aufgrund dieser Ermittlungen der damals amtierende Bundeskanzler Sebastian Kurz als Beschuldigter geführt, wird es auch nach wie vor. Und es wurde etwas gemacht, was in dieser Republik noch nie passiert ist, nämlich beim Bundeskanzler eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Das führte schließlich zum Rücktritt des Bundeskanzlers, der zugleich Medienminister war. Das ist sicher das Einschneidendste, was im letzten Jahr passiert ist, das auch außerhalb Österreichs sehr stark wahrgenommen worden ist.

Daneben gibt es aber ganz viele strukturelle Maßnahmen und auch fehlende Maßnahmen, die zu dieser schlechten Bewertung geführt haben. Auf der einen Seite sind das zum Beispiel die Regierungsinserate, Inserate seitens der Bundesregierung, von einzelnen Ministerien, vom Bundeskanzleramt selber, die freihändig nach nicht nachvollziehbaren Kriterien vergeben wurden.

Man hat aufgrund der Auswertung etwa des Medienhauses Wien den Eindruck, dass hier Medien, die einen regierungsfreundlicheren Kurs gefahren sind, die meisten Inserate bekommen haben, während Medien, die einen ordentlichen Journalismus praktiziert haben und also sowohl Regierung als auch Opposition entsprechend kritisch behandelt haben, sehr viel weniger Inseratenaufträge bekommen haben.

Diese Belohnung für ein entsprechendes inhaltliches Verhalten ist natürlich ein letztlich unzulässiger Eingriff in die Freiheit des Journalismus.

Könnte man sagen, dass sich das Bild eines eher ungesunden Verhältnisses zwischen Politik und einzelnen Medien ergibt, womöglich sogar eines illegalen, als dass Journalist*innen an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert würden?

Das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus ist in vielerlei Hinsicht problematisch geworden in Österreich, das muss man so klar sagen. Das hat damit zu tun, dass vor allem die türkise Regierungspartei und davor, in der Vorgängerregierung auch die blaue Regierungspartei, ein eigenwilliges Verhältnis zu Medien hat. Hier waren im letzten Jahr unter anderem die Interventionsversuche in Redaktionen zahlreich, nicht nur innerhalb des öffentlich-rechtlichen ORF, sondern auch bei den privatwirtschaftlich betriebenen Tageszeitungen und Magazinen. Das ging sogar soweit, dass der Bundeskanzler selber bei Chefredakteuren angerufen hat, um sozusagen seine Sichtweise darzustellen, sich über die Art der Berichterstattung zu beschweren.

Weniger freundlich waren Beauftragte des Bundeskanzlers unterwegs, haben immer wieder Druck gemacht gegenüber Journalisten und Journalistinnen, haben mit zynischen Bemerkungen nicht gegeizt - das ist etwas, was weit entfernt von einem korrekten Verhältnis zwischen Politik auf der einen Seite und Medien auf der anderen Seite ist. Denn in der liberalen Demokratie haben Medien mehrere klare Aufgaben: Die eine Aufgabe ist, möglichst umfassend und fair zu berichten und zu informieren, die zweite Aufgabe ist, eine Kritik- und Kontrollfunktion auszuüben. Dazu braucht freilich der Journalismus auch entsprechende Instrumente. Und das ist ein weiterer Punkt, der in dieser Bilanz sehr bitter fehlt.

Was würde nun gebraucht, um das zu ändern und die Pressefreiheit in Österreich zu verbessern?

Da ist sehr viel zu tun. Auf der einen Seite brauchen wir dringend ein Informationsfreiheitsgesetz. Wir sind das letzte Land in Europa, das das noch nicht hat. Wir haben stattdessen weiterhin ein Amtsgeheimnis, das es für Journalistinnen und Journalisten schwer macht, an Informationen ranzukommen. Wir haben auch keinen Schutz für Whistleblower, was insbesondere für den investigativen Journalismus wichtig ist. Wir haben zwar ein Redaktionsgeheimnis, aber das reicht nicht aus, damit Whistleblower, die ihre Informationen preisgeben, über beobachtete Vorgänge, die Korruption oder andere Gesetzesbrüche darstellen, dies dann den Medien und den Journalisten gefahrlos erzählen zu können.

Wenn wir zum Beispiel nach Schweden blicken: Schweden liegt im aktuellen Ranking auf Platz drei, wenn dort jemand anonym in eine Redaktion kommt und sagt: „Ich kann Ihnen diese und diese Information geben“, dann kann er das erstens anonym machen, zweitens ist gewährleistet, dass vom Anbeginn des ersten Kontaktes bis zum Ende, bis zur Veröffentlichung, und natürlich auch darüber hinaus, diese Person absolut geschützt ist. Würde ein Journalist zum Beispiel irgendwem anderen gegenüber die Identität der Person preisgeben, würde der Journalist dafür ins Gefängnis gehen.

Wenn Personen nahe an Informationen dran sind, dann sind sie oft auch hochrangig, nicht zwingend, aber oft, und es haben alle Verträge unterschrieben, dass sie diese Informationen nicht rausgeben. Wenn jemand in der Verwaltung sitzt, oder Beamter ist, dann hat er hier entsprechende dienstrechtliche Vorschriften, die es ihm eigentlich verbieten, diese Informationen rauszugeben. Das kann nur dann gefahrlos passieren, wenn ein entsprechendes Gesetz sie dann auch entsprechend schützt. Und das haben wir leider nicht.

In Österreich dauern Reformen oft sehr lang. Inwieweit sehen sie einen Willen oder ein Momentum, die von ihnen erwähnten Veränderungen auf den Weg zu bringen?

Das Problem liegt, glaube ich daran, dass es im Land noch zu wenig Druck von unten gibt.

Der Druck aus der Zivilgesellschaft muss noch stärker werden.

Es gibt jetzt ein Anti-Korruptions-Volksbegehren, ich hoffe, dass das sehr, sehr viele Menschen auch unterzeichnen werden, weil das auch ein Zeichen dafür ist, dass man auch im Bereich der Medienkorruption neue Verhältnisse schaffen muss. Die neue Medienministerin Susanne Raab hat leider bei ihren Vorhaben nur einen Teil der Probleme zu ihren Zielsetzungen erklärt, andere Probleme, die durch die Aufdeckungen einerseits von Journalisten, andererseits der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft so offensichtlich geworden sind, etwa die sogenannten „Side Letters“ zu den Regierungsvereinbarungen bei den letzten beiden von Kanzler Kurz geführten Regierungen, die massiv auch in den Medienbereich, insbesondere in den öffentlich rechtlichen Rundfunk hineinspielen, werden derzeit nicht angegangen, und das ist eigentlich skandalös.

Ich glaube, die Veränderung passiert erst dann, wenn der Druck nicht nur von der Zivilgesellschaft, sondern auch aus den Medien selber kommt. Denn das Geschäftsmodell der klassischen, journalistischen Medien basiert auf einer sehr klaren Sache, nämlich ob das Publikum, ob die Bevölkerung einigermaßen Vertrauen in die journalistischen Medien hat. Das Geschäftsmodell funktioniert nicht auf der Basis, ob eine Regierung Vertrauen in die Medien hat. Dessen sollten sich die Medien hier in dieser Situation bewusster werden, bevor das Vertrauen zu sehr verspielt wird, und hier über diese aktuellen Verhältnisse wesentlich breiter und intensiver berichten, damit auch ein öffentlicher Druck auf die politisch Handelnden entsteht

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