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Eine Frau tritt durch eine Art Schleuse hinaus in eine zerstörte Welt

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Serie

Strahlende Zukunft

Mit „Fallout“ wagt sich eine TV-Serie in die chaotische, postapokalyptische Welt der legendären, gleichnamigen Videospielreihe und erzählt ihre eigene, originäre Geschichte.

Von Daniel Grabner

Was „Mad Max“ für den Film ist, ist „Fallout“ für die Welt der Videospiele: der Goldstandard in Sachen Postapokalypse. Seit dem ersten Teil, der 1997 erschienen ist, und seinen neun weiteren, hat „Fallout“ eine treue Fangemeinschaft um sich geschart. Das Erfolgsrezept: ein zynischer Blick auf die Menschheit, eine einzigartige Ästhetik, ein düsteres Setting, tiefschwarzer Humor voller popkultureller Verweise und ein wilder Genremix aus Science-Fiction, Western, Horror und Trash.

Das „Fallout“-Universum wurde mit jedem neuen Spiel reicher an Hintergrundgeschichte, Mythen und Insidern. Keine leichte Aufgabe, das zu verfilmen. Regisseur und Drehbuchautor Jonathan Nolan („Westworld“, „Interstellar“), Christopher Nolans jüngerer Bruder und Co-Autor bei vielen von dessen Filmen, hat es gemeinsam mit seiner Frau Lisa Joy trotzdem gewagt. Mit Ella Purnell („Yellowjackets“), Kyle MacLachlan („Twin Peaks“), Walton Goggins („The Hateful Eight“) und Aaron Moten in den Hauptrollen.

Beste Voraussetzungen für eine Verfilmung

Falls man die Qualität einer Videospielverfilmung darin sieht, dass sie sich möglichst genau an ihre Vorlage hält, dann bringt Jonathan Nolan die besten Voraussetzungen mit. In einem Interview sprach er davon, selbst ehrfürchtiger Fan der Spielreihe zu sein. So verbrachte er die Produktionspause zwischen den beiden Batman-Filmen „The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“ damit, „Fallout 3“ zu spielen. „I think Chris [Anm. Christopher Nolan] had tasked me with writing ‚The Dark Knight Rises‘, and so if that movie was slightly delayed, it was probably in part because of ‚Fallout 3‘.“

Gemeinsam mit Todd Howard, Chefentwickler von Bethesda Game Studios (den Machern der jüngsten „Fallout“-Teile) war man sich schnell einig: Hauptcharakter der Serie solle die Welt von „Fallout“ sein. Und diese Welt, die uns Jonathan Nolan in der nun Serie zeigt, ist mit unglaublich viel Detailverliebtheit der Gamesvorlage nachempfunden.

Retrofuturismus à la „Fallout“

2077, in einer alternativen Zukunft, vernichtet sich die Menschheit fast vollständig im Atomkrieg. Die Gesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt zwar technologisch fortgeschritten, aber ästhetisch bzw. kulturell in den 1950er Jahren stecken geblieben. Es ist ein überzogen optimistisches, patriotisches Amerika, in dem die Atomkraft sämtliche andere Energiequellen abgelöst hat. Auf kultureller Ebene sieht alles aus wie im sogenannten Space Age der 1950er Jahre mit seinem charakteristischen Googie-Design. Diesen ganz speziellen Retrofuturismus hat Nolan für die Serie übernommen. Konsumprodukte, Gebäude, Waffen, Kostüme, Roboter, Fahrzeuge: Alles sieht genauso aus wie in den Spielen. Wer die Spiele kennt, wird sich sofort zu Hause fühlen.

Screenshot eines Computerspiels

Fallout

Auch im erste Teil der Fallout - Reihe müssen wir unsere Vault verlassen.

Treffen sich ein Ghul, ein Ritter und eine Vaultbewohnerin...

Acht Folgen zählt die erste Staffel (eine zweite wurde bereits angekündigt), und sie beginnt da, wo auch viele Spiele ansetzten: Nach dem Atomkrieg konnten sich einige wenige Privilegierte in hochmoderne Atomschutzbunker retten, die mehr so etwas wie unterirdische Städte sind, sogenannte Vaults. Dort hat man das optimistische Vorkriegsamerika bewahrt, Rasenteppiche und Gartenstühle am Stahlboden vor den Wohnkojen, Vorhänge vor aufgemalten Fenstern mit Aussicht.

Der Plan: Wenn die Oberfläche wieder bewohnbar ist, sollen es die Menschen aus den Vaults sein, die die Zivilisation wieder aufbauen. In der Serie folgen wir Lucy (Ella Purnell), die 200 Jahre nach dem Atomkrieg ihre Vault, in der sie geboren und aufgewachsen ist, frühzeitig verlassen muss und das verstrahlte Ödland erkundet. Zu ihrer Überraschung ist die Zivilisation aber nicht ausgelöscht. Im Gegenteil, im Wasteland wimmelt es nur so von Menschen, Mutanten, Ghulen und anderem durch radioaktive Strahlung verändertem Getier.

Walton Goggins

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Es ist eine brutale Welt, in der das Recht des oder der Stärkeren gilt. Kann man es sich leisten, gut zu sein, in einer Welt, in der man schlecht sein muss, um zu überleben? Diese Frage muss sich die anfangs naive Lucy immer wieder stellen, die nur das zivilisierte und optimistische Leben im Bunker kennt. Ella Purnell spielt diesen Struggle der braven Bunkerbewohnerin in der derben, postapokalyptischen Welt sehr amüsant. Schon in der zweiten Episode trennt sie einem Wissenschaftler mit einer Elektrosäge den Kopf ab - im Ödland muss man Kompromisse eingehen.

Im Verlauf der Handlung trifft Lucy auf Maximus (Aaron Moten), ein Mitglied der militärischen Sekte „Brotherhood of Steel“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Vorkriegstechnologie zu sammeln, und auf einen 200 Jahre alten, kopfgeldjagenden Ghul (Walton Goggins), also einen Menschen, den die Strahlung zu einem unsterblichen Zombie gemacht hat. Einen großen Teil der Serie nehmen die Rückblenden in dessen bürgerliches Leben vor dem Krieg ein.

Hier entfaltet Nolan nach und nach eine Backstory, die nicht nur die Entstehung der Vaults beleuchtet, sondern auch von einer großen Verschwörung von Techkonzernen gegen die Menschheit erzählt.

Poster zur Serie mit den Hauptfiguren

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Auch für Neueinsteiger:innen

Ja, wenn man auf einen durchaus brutalen, witzigen und bunten Stilmix mit Elementen aus Western, Science-Fiction und Trash steht. Die Serie ist über weite Strecken überzeichnet, skurril und überraschend, hat aber auch ihre ernsten, wahrhaftigen Momente: wenn, gleich zu Beginn des Filmes, ein junges Mädchen den ersten Atompilz des beginnenden Krieges beobachtet oder Lucy vom grausamen Schicksal ihrer Mutter erfährt.

Fallout ist auf Amazon Prime erschienen.

Jonathan Nolan ist es gelungen, den Spirit der Videospiele ins Medium Film zu übertragen. Nach „The Last Of Us“, ist „Fallout“ eine weitere sehenswerte Videospieladaption. Für diejenigen, die die Spiele nicht kennen, ist die Serie ein guter Einstieg in die Welt von Fallout, die man nach dem Bingen in den Games erkunden kann.

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