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Ich war Diener im Hause Hobbs

Verena Roßbacher war selbst mal Hausmädchen und schreibt jetzt über einen Butler, eine schwerreiche Zürcher Familie, vier Pseudointellektuelle junge Feldkircher, John Wray, falsche Kunst und viel Blut. Das Ergebnis ist der sehr gelungene Coming-of-Age Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“.

von Zita Bereuter

Das ist wohl einer der ersten Romane, in dem die poolbar in Feldkirch erwähnt wird. In die oder ähnliche Clubs zieht es Krischi und seine Freunde allerdings nicht - die jungen Herren treffen sich lieber zum Zeitungslesen im Kaffeehaus und orientieren sich an Stefan Zweig, auch kleidungsmäßig - Jeans, kurze Hosen oder Rucksäcke etwa gehen gar nicht.

„Wir wurden das, was man heute Hipster nennt, orthodoxe Bärte, rahmengenähte Schuhe und auf jeden Fall Brille, Sehschwäche hin oder her. Damals gab es dafür noch keine Lobby." Krischi, der Ich-Erzähler, heißt eigentlich Christian Kaufmann, aber, so liest man, „es gibt keinen Eigennamen, den der Vorarlberger nicht kleinkriegt.“

Krischi und seine Freunde Isi, Olli und Gösch haben ihren eigenen Stil und wollen bewusst anders sein: belesen und intellektuell.

„Wir jedoch wollten uns abheben, koste es was es wolle, abheben von den ganzen Idioten um uns herum.“

So einzigartig ist das nicht, muss Krischi später erkennen - diese Gruppen findet man in jeder Generation.

Der Butler

Auch die vier haben sich verändert: Isi ist buddhistischer Mönch in Feldkirch, Olli leitet eine Drogenberatungsstelle, Gösch ist irgendwie in Berlin versumpft und Krischi („Ich war eine Schlaftablette, die nicht wirklich wirkte.“) findet schließlich seine Berufung zum Butler.

Ein Butler ist eine dankbare Erzählfigur, erklärt Verena Roßbacher. „Er ist sehr nah dran an Leuten. Sehr intim. Er ist Familienmitglied, ohne Familienmitglied zu sein.“ Verena Roßbacher weiß, wie es in der Dienerschaft zugeht - sie hat während ihres Studiums als Hausmädchen in einem reichen Zürcher Haushalt gearbeitet. Für sie war das damals ein idealer Job, erinnert sie sich. „Es ging im weitesten Sinn darum, Ordnung zu schaffen.“

Sie komme aus einer sehr großen Familie, das bisschen aufräumen sei ihr leicht von der Hand gegangen und war gut bezahlt. Aber „es stellt sich irgendwann ein wahnsinniger Widerwille ein, Arbeiten zu verrichten für jemanden, der sich im Grunde für diese Arbeiten zu schade ist.“

Autorin Verena Rossbacher

© Joachim Gern

Verena Roßbacher ist in Bludenz, in Vorarlberg, geboren und aufgewachsen, hat am Literaturinstitut in Leipzig studiert und lebt in Berlin. Mit ihrem Debüt „Verlangen nach Drachen“ sorgte sie 2009 für Aufsehen. 2014 folgte „Schwätzen und Schlachten“.

Neben Verena Roßbacher gab es in dem Haushalt noch einen Gärtner, jemanden zum Fensterputzen, jemanden für die Wäsche, jemanden für die Hemden, eine Nanny fürs Baby, ein Au-pair für die großen Kinder, eine Malerin, die ab und an die Wände neu pinselte. „Mir war als Studentin nicht klar, dass es eine völlige Normalität ist, in bestimmten Kreisen so viele Angestellte zu haben.“ In diesen Kreisen verkehrt also der Diener Krischi. Aber: „Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall“.

Das Butlerleben ist jedoch nicht die Hauptgeschichte, auch wenn sich der Protagonist das eigentlich wünschen würde. Sein Leben sollte im Idealfall keine „Unwägbarkeiten“ bieten. Allein - das Leben bzw. Verena Roßbacher meint es anders.

Gleich zu Beginn erfährt man, dass etwas Grausiges mit sehr viel Blut passiert ist. Bis das aber aufgelöst wird, erzählt Verena Roßbacher ebenso spannend wie unterhaltsam eine Coming-Of Age Geschichte aus Feldkirch, eine Satire auf den Kunstbetrieb und die Beziehung zwischen Krischi und John Wray.

Buchcover "Ich war Diener im Hause Hobbs"

Kiepenheuer & Witsch

„Ich war Diener im Hause Hobbs“ war der Arbeitstitel des Romans. „Mir war immer klar, dass wird nie so heißen.“ Es blieb aber dabei. Erschienen ist der dritte Roman von Verena Roßbacher bei Kiepenheuer und Witsch.

John Wray

Krischi befreundet sich mit einem amerikanisch-österreichischer Autor namens John Wray. Das ist erst mal irritierend, für Verena Roßbacher aber ganz klar: „Weil John Wray natürlich toll ist. Man könnte sich keinen tolleren Autor als Protagonisten eines Buches vorstellen.“

John Wray habe ihr mal von seinem Besuch in Feldkrich und seiner jährlichen Ulysses-Lektüre erzählt - das wird auch im Roman beschrieben. Sie habe sich lange vorgenommen, den Namen zu ändern, habe John dann aber um Erlaubnis gefragt und der fühlte sich „gekitzelt“. Er meinte gebauchpinselt, aber kitzeln gefällt ihr viel besser. John meinte, sie könne alles mit ihm in dem Buch machen.
John Wray ist also ein schwuler Traummann: scharf und schnell im Denken, gleichzeitig witzig, höflich und zuvorkommend und sehr charmant. Seine Mutter habe den Roman geliebt, erklärt der reale John Wray auf Nachfrage. Mehr als seine eigenen Bücher, lacht er.

Rosl Fraxner

Verena Roßbacher schafft starke Figuren. Besonders gelungen ist Rosl Fraxner, "immer gnadenlos schlecht gekleidet, immer fanatisch vertieft in ihr Tun, die Attitüde einer Operndiva gepaart mit der Ausstrahlung einer Wahnsinnigen.“ Eine rundliche etwas zerzsauste Feldkircherin, die immer und überall mit ihrer Kamera auftaucht - vor allem dann, wenn man sie am wenigsten braucht - und das Stadtleben portraitiert und dokumentiert. Wer schon mal in Feldkirch war, glaubt, Rosl Fraxner sicher auf dem Marktplatz gesehen zu haben. Aber sie ist eine der wenigen Figuren, für die es kein Vorbild gibt. „Rosl Fraxner vermisse ich in Vorarlberg total“ lacht Verna Roßbacher.

Verena Roßbacher liest bei den o-tönen im Museumsquartier in Wien am 16.8. ab 20:30 gemeinsam mit Tanja Paar, die um 20:00 aus „Die Unversehrten“ liest

Verena Roßbacher

„Bilder sind Portraits ihrer Schöpfer“ liest man im Epilog. „Das Zitat stimmt. Es trifft auf Autoren zu. Es trifft auf Maler zu.“ Das entwickle und verändere sich aber. Ihr eigenes Schreiben sei immer weniger Ich. „Es geht immer mehr ins Erzählen und es geht immer weniger um mich.“

Das sei eine Beobachtung, die sie an sich selber mache. „Ich würde nie sagen, ich habe meine Literarische Sprache oder meinen Ton gefunden. Ich finde auch gar nicht, dass man einen Ton haben sollte und in dem erzählt man dann durch. Aber dieses Buch ist definitiv ein Buch, das mit sehr großer Distanz geschrieben wurde.“

Das sei während des Arbeitsprozesses nicht immer schön gewesen, weil sie sich ein Stück weit unverbunden fühlte dazu. „Ich denke aber prinzipiell, dass das einem Buch gar nicht schlecht tut. Meinem Buch tat es nicht schlecht.“

„Ich war Diener im Hause Hobbs“ ist sehr viel kürzer und sprachlich viel klarer und direkter wie die vorherigen zwei Romane von Verena Roßbacher. Ein ebenso spannender wie unterhaltsamer „page turner“.

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