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APA/HERBERT NEUBAUER

Nicht schwul genug?

Für Kopfschütteln und Spott sorgt derzeit der negative Asylbescheid für einen 18-jährigen aus Afghanistan. Als Asylgrund hatte der Afghane angegeben, schwul zu sein. Der prüfende Beamte lehnte sein Ansuchen ab und stützte seine Begründung auf abgehalfterte Klischees über Homosexuelle.

von Lukas Lottersberger und Claudia Unterweger

„Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sind." So lautet eine Zeile aus dem negativen Asyl-Bescheid, der momentan international Schlagzeilen macht und für Kopfschütteln sorgt. Die Wochenzeitung FALTER hat in der aktuellen Ausgabe die Auszüge aus dem Bescheid öffentlich gemacht.

Asylentscheidungen mit solchen fragwürdigen Begründungen gebe es immer wieder, meint Marty Huber von der Anlaufstelle für LGBTQI-Asylsuchende Queer Base in Wien. Die Einrichtung betreute auch den iranischen Asylwerber Navid, der ebenfalls wegen seiner Homosexualität in Österreich um Asyl angesucht hatte und in erster Instanz scheiterte. Er konnte dem Prüfer des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nicht die Bedeutung der Farben der Regenbogenfahne erklären, was als Argument im negativen Bescheid angeführt wurde.

Bemerkenswert sei auch ein Fall einer lesbischen Geflüchteten aus Marokko, bei der ebenfalls negativ entschieden wurde. Die Strafe auf Homosexualität in Marokko beläuft sich auf sechs Monate bis drei Jahre Haft. Laut Marty Huber wird dies im Bescheid als „humanitäre Dauer“ beschrieben und auch die „verbesserten Haftbedingungen in Marokko“ werden dort hervorgehoben und als Argument für die negative Entscheidung aufgezählt.

„Zu sagen ‚es ist okay, wenn du für deine Sexualität ins Gefängnis gehst‘, ist haarsträubend“, sagt Marty Huber von der Queer Base. „Dass sich das noch in dieser Begründung äußert, verwundert uns und macht betroffen.“

Die Angst vor dem Coming-Out

Für die Behörden ist es freilich schwierig herauszufinden, ob Asylwerbende, die angegeben homosexuell zu sein, es auch tatsächlich sind. Marty Huber von der Queer Base kritisiert, dass es bei den Befragungen viel zu häufig und vor allem zu schnell um Sex und intime Details gehe.

Zahlreiche homosexuelle Asylsuchende haben durch Erfahrungen im Herkunftsland Angst und daher Hemmungen über ihre Homosexualität zu sprechen, weil sie erneut Stigmatisierung fürchten. Das beginne bereits bei der Antragstellung: „Der Asylantrag wird bei der Polizei gestellt und viele haben Sorge, sich vor Uniformierten [über Homosexualität] zu äußern.“

Einige Asylsuchende trauen sich auch nicht, in Gegenwart von ÜbersetzerInnen aus den Herkunfts-Communities darüber zu sprechen, weil sie befürchten, bei nicht wohlgesonnenen Landsleuten „aufzufliegen“. „Ein großes Problem ist auch die Unterbringung“, erklärt Marty Huber. „Sehr oft ist es der Fall, dass man dann wieder mit den Menschen untergebracht ist, vor denen man geflohen ist.“ Auch dieses ständige Versteckspiel führe dazu, dass homosexuelle AntragstellerInnen vor BFA-BeamtInnen nicht offen über ihre Homosexualität sprechen.

Es brauche daher eine einfühlsamere Befragungstechnik, sagt Marty Huber: „Dabei sollte es mehr um Emotionen und Sozialität gehen: Woran fühlt man sich zugeneigt? Welche Gefühle hat man oder entdeckt man?“ Häufig würden auch Zeuginnen oder Zeugen, die vor der Türe sitzen - Partner oder Partnerinnen, die Auskunft geben könnten - einfach nicht befragt.

Wie geht es weiter?

„Es gibt viele Leute beim BFA, die sehr gute Arbeit leisten, aber es gibt eben auch einige, die bekannt sind für sehr kritisierbare Bescheide - da ist das BFA gefordert, Konsequenzen zu ziehen“, fordert Marty Huber von der Queer Base. Sie glaubt, dass es für den Beamten selbst wohl keine Konsequenzen geben wird. Wünschenswert wären jedoch generell Verbesserungen im Bereich Qualitätssicherung, so die Queer-Base-Mitarbeiterin.

Gegen den Negativbescheid des afghanischen Asylwerbers hat die Queer Base inzwischen Beschwerde eingelegt und auch die Qualitätssicherung des BFA informiert. Doch bisher habe man noch keine Rückmeldung erhalten, so Marty Huber. Der Fall wird wohl in die nächste Instanz vor das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) kommen.

2019 soll es von der Queer Base gemeinsam mit dem UN-Flüchtlings-Hochkommissariat UNHCR Schulungen für BFA-MitarbeiterInnen, BVwG-Beamte und -Richter geben. In den Schulungen gehe es „um Sensibilisierung, um Befragungstechniken und darum, wie man einfühlsamer auf kulturelle und religiöse Hintergründe eingehen kann“, erklärt Marty Huber. „Das ist eine wichtige Arbeit die vor uns liegt - und es geht uns dabei einfach um einen fairen Zugang zum Asylverfahren.“

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