FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Paraclimber Markus Hofbauer

Fotocredit Thomas Baumgartner / Alpenverein Austria

Eine Amputation beendet noch lang keine Kletterkarriere

Markus Hofbauer hat nach einem schweren Eiskletterunfall seinen rechten Arm verloren. 19 Monate nach dem Unfall startet er diese Woche bei der Kletter-WM in Innsbruck im Paraclimbing.

Von Simon Welebil

Für den 37-jährigen Markus Hofbauer war Klettern schon seit langer Zeit von zentraler Bedeutung. Er ist viel draußen am Fels unterwegs gewesen, hat gern auch alpine Klettertouren unternommen. Markus hat sein Hobby als Berufung gesehen, die er zum Beruf machen konnte. Zehn Jahre lang hat er für den Alpenverein Austria die Kletteranlage am Wiener Flakturm betreut, hat dort Routen geschraubt und Kletterkurse geleitet.

Markus Hofbauer hat für den Sport gelebt und so wundert es nicht, dass auch sein Unfall mit Klettern bzw. Eisklettern zu tun hatte. Am 12.2.2017 klettert er eine Tour an einer Eissäule in den Hinteren Tormäuern, als plötzlich die 25 Meter hohe und an die 100 Tonnen schwere Eissäule einstürzt. Sein Kletterpartner ist bei diesem Unfall verunglückt, ihn selbst hat ein kühlschrankgroßes Teil der Säule getroffen.

„Leben muss man schon wollen auch“

Nach dem Unfall ist Markus noch eine Dreiviertelstunde lang bei Bewusstsein, eine Willensleistung, wie er es selbst formuliert, denn „Leben muss man schon wollen auch“. Nach der Erstversorgung durch andere Kletterer wird er mit dem Helikopter ins Krankenhaus geflogen, wo er ins Koma fällt.

Erst im Krankenhaus wird klar, was der Eisbrocken in seinem Körper alles zerstört hat: Markus hat unter anderem ein zertrümmertes Becken, massive Darmverletzungen, eine Blasenruptur, eine eingerissene Bauchaorta, ein Schädel-Hirn-Trauma und einen gebrochenen Arm mit massiver Quetschung, die die Blutversorgung abgeschnürt hat.

Klettern als Hoffnungsschimmer

Nach vier Tagen wacht er erstmals aus dem Koma auf, nach einer Lungenentzündung fällt er wieder in den Tiefschlaf. Sechs Wochen verbringt er schließlich auf der Intensivstation, sieben weitere auf der chirurgischen, danach kommt er sofort ins Reha-Zentrum Weißer Hof.

Schon auf der Intensivstation denkt Markus Hofbauer wieder ans Klettern, sieht es als einen Weg, zurückzufinden. Er weiß schon, dass 2018 in Innsbruck die Kletterweltmeisterschaften stattfinden, bei denen es auch Bewerbe im Paraclimbing geben würde. Es dort hinzuschaffen wird sein großer Traum.

Vier Monate nach seinem Eiskletterunfall nützt Markus Hofbauer seinen ersten Ausgang für einen Ausflug in die Kletterhalle. Bei seinen ersten Kletterversuchen war sein rechter Arm noch am Körper, aber nicht mehr funktionsfähig. Seine Freunde haben ihn im Rollstuhl ins Wiener Kletterzentrum Marswiese geschoben und ihn dann in einen Industrieklettergurt, eine Kombination aus Brust- und Hüftgurt gesteckt. Dann ist er die ersten sechs/sieben Meter in der leichtesten Tour der Halle hinaufgeklettert. „Es war die schwerste Tour meines Lebens“.

Paraclimber Markus Hofbauer

Fotocredit Thomas Baumgartner / Alpenverein Austria

Amputation als Erleichterung

Diese ersten paar Klettermeter waren für ihn aber extrem wichtig, weil das die Bestätigung war, dass er es auch wieder in die Berge schaffen würde - eine extreme Motivation, um wieder aus dem Rollstuhl rauszukommen.

In den Monaten darauf kann sich Markus allerdings nicht auf Kletterfortschritte konzentrieren, er muss auch einige Rückschläge einstecken, noch mehrere Operationen und Rehas hinter sich bringen, eine wegen seines rechten Arms.

Schon kurz nach dem Unfall war klar, dass der nicht mehr gesund werden würde. Nachdem noch ein Keim eingedrungen war, der auch den restlichen Körper bedroht hat, hat sich Markus recht schnell für eine Amputation entschieden, die für ihn schlussendlich gewissermaßen auch eine Erleichterung war.

Paraclimber Markus Hofbauer

Fotocredit Thomas Baumgartner / Alpenverein Austria

Klettern mit einem Arm

Mit nur einem Arm zu klettern bedeutet natürlich eine gehörige Umstellung. Markus muss relativ viel dynamisch klettern und mit dem gesunden linken Arm von Griff zu Griff schnappen. Wenn ein Griff groß genug ist, kann er sich manchmal aber auch mit dem Stumpf an seinem rechten Arm festklammern, um mit dem linken weiterzulangen, in den Magnesiumsack zu greifen oder ihn ausschütteln zu können. Insgesamt eine große Herausforderung. Beim Paraclimben, das Menschen mit einer Behinderung wie einer Amputation, Sehbehinderungen, Zerebralparese oder Querschnittlähmung betreiben, würden die Einarmigen am wenigsten schwer klettern, meint Markus.

Sein Weg zu den Kletterweltmeisterschaften führt Markus über nationale Bewerbe, die ihm mangels anderer Einarmiger zwar keine Einschätzung bieten können, wo er steht, ihn aber in Kontakt zum Österreichischen Paraclimbing-Nationalteam bringen.

Das österreichische Paraclimbing-Nationalteam

Ben Lepesant / KVÖ

Das österreichische Paraclimbing-Nationalteam

Beim ersten internationalen Wettkampf in Imst wird er zwar Letzter, aber Paraclimbing Nationalteam-Trainerin und Weltklasse-Boulderin Katharina Saurwein hat für die Leistungen von Markus Hofbauer nur Lob übrig. „Er ist schon davor geklettert, was ihm natürlich Vorteile verschafft und er hat sich jetzt wirklich schnell daran angepasst, nur mit einer Hand zu klettern.“ Mitte Juli 2018 wird dann klar, dass Markus Hofbauer bei der Paraclimbing-WM in Innsbruck starten kann.

Katharina Saurwein

Simon Welebil

Katharina Saurwein über ihre Arbeit als Paraclimbing Trainerin des Nationalteams

Die Spitzenboulderin Katharina Saurwein ist von ihrer Schwester, der Ergotherapeutin Franziska Saurwein ins Paracliming-Team geholt worden, wo sie Trainigspläne entwirft und die Trainigslager abhält.

Prinzipiell können ihre KletterInnen alles machen, was gesunde Menschen auch machen können, doch gewisse Trainingsübungen funktionieren nicht bei allen, was für sie als Trainerin bedeutet, spontan und kreativ zu sein, um die Übungen rasch umbasteln zu können.

Sie versucht sich auch, so gut wie möglich, in ihre AthletInnen hineinzuversetzen, klettert Routen manchmal blind oder versucht sie mit einem Arm oder einem Fuß, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie es den AthletInnen dabei geht. „Ganz reinversetzen kann man sich natürlich nicht.“

Ein Vorbild für andere

Im Paraclimbing-Nationalteam trifft Markus Hofbauer auf andere KletterInnen, die Unfälle hinter sich haben. Manche von ihnen kämen besser damit zurecht, andere schlechter. Markus weiß aber, dass hier die Leute sind, die es sozusagen schon zurück geschafft haben. Er hingegen denkt immer wieder an die anderen, die sich nach schweren Verletzungen zurückziehen würden und selbst für Freunde von der Bildfläche verschwinden. Gerade bei den Erblindeten sei es so, dass 85% von ihnen nicht mehr vor die Haustüre gingen, laut Markus Hofbauer „eigentlich ein Wahnsinn“.

Genau für diese wollen er und die anderen Paraclimber diese Woche bei der Kletter-WM ein Vorbild sein. Sie wollen ihnen zeigen, dass man trotz schweren Verletzungen oder einer Behinderung im Leben noch was erreichen kann - auch Sport betreiben und ins Leben hinausgehen.

Paraclimber Markus Hofbauer

Simon Welebil

Markus Hofbauer vor seinem WM-Debüt

Für Markus Hofbauer ist schon die Teilnahme an der Kletter WM ein solcher Erfolg. Was die Platzierung angeht erwartet er sich gar nichts. Am 12.9. steigt er in die Qualifikation für das Finale ein. Unter den acht Startern mit nur einem Arm würde er ohne Zweifel Letzter werden, das hätte ihm sein Antreten in Imst gezeigt.

Währende der Kletter-WM gibt es eine Charity-Aktion, um das Paraclimbing-Team zu unterstützen.

Höchstens gegen die Schulteramputierten, die wegen zu geringer Teilnehmerzahlen auch in seiner Klasse an den Start gehen, rechnet er sich Chancen aus. Was das Erlebnis angeht, könnten die Erwartungen allerdings kaum höher sein: „Mit den besten der Welt gemeinsam bei einer Kletter WM antreten zu können ist natürlich ein Wahnsinn - und dann vor dem kletterbegeisterten Innsbrucker Publikum. Das wird einfach eine grandiose Zeit werden.“

Keine Zeit, um in ein Loch zu fallen

Angst, nach diesem Highlight, dem großen Motivationsziel, psychisch in ein Loch zu fallen, hat Markus Hofbauer übrigens nicht. Er möchte in eine neue Wohnung ziehen, noch selbständiger werden und ein Projekt abschließen, das er vor seinem Unfall begonnen hat, nämlich die zehn höchsten Berge Österreichs zu besteigen. „Zwei fehlen mir noch, und die stehen immer noch“, sagt er. Die Weißkugel und die Glocknerwand werden ihn in nächster Zeit also wohl auch zu sehen bekommen.

mehr Sport:

Aktuell: