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Stolpersteine in Berlin

Gersin Paya/ radio fm4

Keine Stolpersteine in Linz?

Wie gedenkt Linz den Opfern der NS-Zeit? Der Bürgermeister ist gegen die in den Boden eingelassene Gedenktafeln. Viel Kritik, eine Online Petition und ein Ideenwettbewerb stehen im Raum.

Von Gersin Livia Paya

In Linz beginnt’s, so lautete vor Jahren der offizielle Spruch der Stadt an der Donau. Gerade hat in Linz wieder etwas begonnen - und zwar die Debatte um die 10x10cm großen Messingtafeln, die in den Gehsteig gepflastert werden und an die Opfer der NS-Zeit erinnern. Doch eigentlich hat es diese Diskussion bereits vor fünf Jahren gegeben.

Anträge und Gespräche

„2013 hat es schon eine Initiative gegeben, ein Gedenkprojekt zu initiieren, damals mit Zustimmung", sagt Helge Langer von dem Klub der Grünen im Linzer Gemeinderat. "Dann gab es einen Gemeinderats-Antrag der diskutiert wurde. Zeit ist vergangen, der Antrag wurde zum Stadtsenat verwiesen. Zeit ist wieder verstrichen und dann kam der Wechsel der Legislaturperiode. Nun sind fünf Jahre vergangen.“

Stolpersteine auf der Straße

CC-BY-SA-4.0 WikiCommons/Karl Gruber

Im April 2018 hat es erneut Gespräche zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde Linz und dem SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger gegeben. Bislang ohne Erfolg.

"Wir von der Isarelitischen Kultusgemeinde in Linz sind ein bisschen enttäuscht darüber, dass das Vorhaben für ein öffentliches Gedenkprojekt bis zur Gedenkfeier der Pogromsnacht nicht eingehalten wurde.“

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Charlotte Herman spricht von einem gemeinsamen Verständnis für ein Gedenkprojekt im öffentlichen Raum, wartet aber vergebens auf Ergebnisse oder Alternativ-Projekte, es blieb wieder nur bei guten Gesprächen. Und das de facto schon seit 2013. Immer wieder hat Linz zwar eine herausragende Arbeit im Bereich der geschichtlichen Aufarbeitung, viele Publikationen und auch Ausstellungen aber kein dauerhaftes Denkmal im öffentlichen Raum.

Gunter Demnig

APA/dpa-Zentralbild/Harry Härtel

Der Berliner Künstler Gunter Demnig gilt als Erfinder der Stolpersteine. Er wollte den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Nummern degradiert und ermordet wurden, ihren Namen und damit die Erinnerung an sie zurückgeben.

„Alles was im öffentlichen Raum konzipiert wurde, ist auf Vergänglichkeit ausgerichtet gewesen. Das war auch gut. Aber was fehlt, ist ein dauerhaftes Gedenken in Linz“, so Langer von den Grünen.

Charlotte Herman zitiert aus den Gesprächen mit dem Bürgermeister: „Ja wir wollen gemeinsam ein Projekt für die Stadt im öffentlichen Raum realisieren. Aber bitte mit Alternativen zu den Stolpersteinen."

Stolpern mit Herz und Kopf

Für „ein Denkmal, das mit Füßen getreten wird" hält Bürgermeister Luger die sogenannten Stolpersteine. Die Kultusgemeinde in Linz hingegen hält es für ein ästhetisches Denkmal, über welches man mit Herz und Kopf stolpern soll, denn so wird nicht vergessen: „Nach den Gedenkveranstaltungen gehen viele Menschen nach Hause und es wird wieder in eine Schublade geschoben, bis zum nächsten Jahr. Es sollte wirklich etwas Allgegenwärtiges sein. Darum sind Gedenken wie Stolpersteine, auf die man jeden Tag stoßen kann, so wichtig“, sagt Herman.

Der Linzer Bürgermeister beruft sich auch auf München - denn München ist neben Linz die einzige deutschsprachige Stadt, die sich gegen Stolpersteine ausgesprochen hat. Hier allerdings mit Rückhalt durch die Israelitische Kultusgemeinde aus Bayern. Weil man stattdessen „Denkmäler auf Augenhöhe“ haben möchte, setzt München auf „Stelen“ statt auf Stolpersteine - auch eine permanente Form einer personalisierten Erinnerungskultur.

Langer von den Grünen sieht Linz jedoch in einer anderen Stellung, da hier sowohl die Kultusgemeinde der Stadt, als auch viele Initiativen und die Zivilgesellschaft für Stolpersteine sind.

Stolpersteine

APA/dpa/Julian Stratenschulte

Weil sich zum zum 80. Mal die Novemberpogrome jähren, wurde als Gedenk-Aktion unter dem Hashtag #keinVerblassen und #Stolpersteine unter anderem auf Twitter zu einer großen Putzaktion der Stolpersteine aufgerufen. Mitzubringen sind Schwämme oder Bürsten, Taschenlampen sowie Teelichter, heißt es in dem Aufruf. Diese sollen im Anschluss an die Reinigung während einer Gedenkminute angezündet werden.

Mehr als 70.000 Stolpersteine weltweit

Mit der großen Zustimmung stellten die Grünen im Oktober einen erneuten Antrag im Gemeinderat, dieser wurde mit Stimmenthaltung der SPÖ und der FPÖ abgelehnt. Der Antrag führte Stolpersteine als mögliches Beispiel an, blieb aber gleichzeitig für ein gleichwertiges Projekt offen. „Selbst wenn man gegen Stolpersteine ist, hätte man den Antrag annehmen können“, so Hermann von der Kultusgemeinde. Zu einem gewünschten Kulturausschuss mit Expertinnen und Experten kam es ebenfalls nicht, der Bürgermeister will mit einem Ideenwettbewerb gemeinsam mit der Kunstuniversität bis Ende des ersten Quartals 2019 ein passendes Projekt vorstellen.

In der konkreten Ausgestaltung eines dauerhaften Gedenkens gibt es offenbar unterschiedliche Zugänge. Und das obwohl die Stolpersteine das weltweit größte personalisierte, dezentrale Mahnmal sind.

Letztendlich bleibt die Ablehnung ein Thema. Die Grünen haben dieses nun selbst aufgegriffen, gemeinsam mit dem Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremisus in Oberösterreich und Einzelpersonen, deren anliegen es ist ein personalisiertes dezentrales Gedenkprojekt im öffentlichen Raum zu haben, starteten sie eine Online Petition.

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