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Im Beweisnotstand

Tausende Menschen müssen derzeit beweisen, dass sie keine unerlaubte Doppelstaatsbürgerschaft besitzen. Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk kritisiert die laufenden Verfahren.

Von Ali Cem Deniz

Eine Liste, tausende Namen und ein schwerwiegender Verdacht: eine illegale Doppelstaatsbürgerschaft.

In Österreich ist eine Doppelstaatsbürgerschaft die Ausnahme und nicht die Regel. Und weil das so ist, gehen Behörden aktiv gegen Verdachtsfälle vor. Seit eine vermeintliche türkische Wählerliste aufgetaucht ist, haben sich die Verfahren vervielfacht.

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Wie geht es Menschen, die ihre österreichische Staatsbürgerschaft verlieren?

In FM4 Auf Laut diskutiert Ali Cem Deniz mit Betroffenen und Experten. Anrufen und mitreden, ab 21 Uhr unter 0800 226 996

Die Liste, die im Vorjahr der FPÖ zugespielt wurde, gilt den Behörden als Hinweis für eine unerlaubte türkische Staatsbürgerschaft. Der Verlust der Staatsbürgerschaft kann für die Betroffenen schwere Folgen haben. Sie können ihren Aufenthaltsstatus, ihre Beschäftigungserlaubnis und sogar ihr Eigentum verlieren. Und selbst die Staatsbürgerschaft der Kinder steht auf dem Spiel. Obwohl sie in Österreich geboren und aufgewachsen sind - und niemals eine andere Staatsbürgerschaft bessessen haben - wären sie dann Fremde im eigenen Land.

Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk kritisiert die Verfahren. Im Gespräch erklärt er, wieso die Betroffenen schlechte Karten haben und welche Auswege es geben könnte.

Die Betroffenen bekommen einen Brief und werden darüber informiert, dass es ein Verfahren gegen sie gibt. Was können sie ab diesem Moment machen? Wie beweisen sie, dass sie keine türkischen Staatsbürger sind?

Bernd Christian Funk: Es entsteht dann für die Betroffenen in vielen Fällen ein Beweisnotstand in den sie kommen. Dass etwas nicht geschehen ist, oder dass man etwas nicht getan hat, lässt sich ja im Grunde genommen nicht beweisen.

Wieso wird das dann überhaupt gemacht, wenn das so einem Grundprinzip der Beweisführung widerspricht?

Das frage ich mich auch. Es könnte sein, dass hier österreichische Behörden auf dem Standpunkt stehen: „Wir müssen das einfach jetzt vollziehen.“ Die Bereitschaft, hier eine Lücke in der Beweiskette zugunsten der Partei gelten zu lassen, dürfte nicht allgemein vorhanden sein. Möglicherweise auch aus der Sorge heraus, dass man der Behörde dann vielleicht vorwerfen könnte, dass sie jemanden zu Unrecht begünstigt.

Jetzt gibt es Menschen, die zum Verfassungsgericht gehen. Können die dort irgendetwas bewirken? Und wenn ja, was überhaupt? Und wenn es da eine Entscheidung gibt, ist die dann für alle Fälle gültig?

Da geht es um die Frage, ob diese Entscheidungen der Behörde gegen Grundrechte der betroffenen Personen verstoßen. Das ist einerseits das Grundrecht auf sachliche Gleichbehandlung, dann Grundrechte im Sinne des Privatlebens, des Familienlebens. Und letzten Endes kann man auch ein Grundrecht auf Beibehaltung und Akzeptanz des Bestandes der österreichischen Staatsbürgerschaft annehmen.
Wenn der Verfassungsgerichtshof hier eine andere Auffassung vertritt - mit Blick auf grundrechtliche Bindungen - dann könnte das schon zur Folge haben, dass hier eine neue Situation entsteht. Der Verfassungsgerichtshof ist zwar nicht befugt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu überprüfen oder gar aufzuheben. Aber es kann sein, dass hier zwei Höchstgerichte in einem Thema unterschiedlich entscheiden. Solche Divergenzen hat es schon mehrfach gegeben. In der Sache wäre das allenfalls eine Entlastung für künftige Verfahren.

Gibt es einen Ausweg aus dem Ganzen oder muss man jetzt einfach abwarten, bis diese zehntausenden Verfahren abgeschlossen sind?

Es gibt nach meiner Einschätzung die Möglichkeit, in jedem einzelnen Fall sehr gründlich zu prüfen: Was ist hier geschehen? Was lässt sich beweisen? Was kann man nur vermuten? Da ist auch daran zu erinnern, dass die Beweiswürdigung einer Behörde und eines Landesverwaltungsgerichtes - sprich Salzburg - keine Bindungswirkung für andere Fälle hat. Also weder für andere Bundesländer, noch für andere Fälle in Salzburg selbst. Das wirkt nur für den Einzelfall. Und im Einzelfall können sich durchaus unterschiedliche Perspektiven ergeben. Das muss man sich ganz genau ansehen und die Beweiswürdigung halt sehr ernst nehmen. Auch mit Blick auf die Folgen, die das haben kann. Das wäre sozusagen das Vorfeld. Im Nachhinein würde eine großzügige Wiederverleihungspraxis helfen, aber ob das unter den gegebenen Umständen zu erwarten ist, da hab ich meine Zweifel.

Am Dienstag in FM4 Auf Laut

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In FM4 Auf Laut diskutiert Ali Cem Deniz mit Betroffenen und Experten. Anrufen und mitreden, ab 21 Uhr unter 0800 226 996

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