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Sundar Pichai

APA/AFP/Chandan KHANNA

Erich Moechel

Google-Chef vor peinlichem Hearing zu China im US-Kongress

Sundar Pichai muss im Justizausschuss am Mittwoch öffentlich beantworten, warum Google mitten im Handelskrieg der USA gegen China dort wieder einsteigen will. Eine wachsende Zahl von Google-Technikern probt indes den Aufstand gegen gegen die Koppelung der Suchmaschine mit dem chinesischen Zensurapparat.

Von Erich Moechel

Am Mittwoch hat Google-Chef Sundar Pichai einen Termin, vor dem er sich schon einmal gedrückt hatte. Pichai wurde nun erneut vor den Justizausschuss zitiert, um unter anderem über die Pläne des Unternehmens zur Rückkehr auf den chinesischen Markt Rede und Antwort zu stehen. Google entwickelt ja gerade eine Suchmaschine, die mit dem chinesischen Zensurapparrat gekoppelt wird.

Das wird nicht einfach, denn Sundai hat hier nicht nur beide Parteien gegen sich, unterstützt von Donald Trump. Im Unternehmen selbst ist erneut ein Aufstand der Techniker ausgebrochen, die von der Unternehmensführung ultimativ verlangen, das Projekt „Dragonfly“ mit China abzubrechen. Ein Unterstützungsfonds wurde binnen weniger Stunden angelegt, denn die Google-Ingenieure treten mit ihren vollen Namen auf. Unterstützt werden sie dabei von Amnesty International.

Amnesty International Kampagnenbilder gegen Google in China

Amnesty International

An der Kampagne gegen das Dragonfly-Projekt in China ist auch ein ehemals leitender Techniker beteiligt, der nach dem ersten Aufstand der Techniker vor einem Jahr gekündigt hatte. (siehe unten)

Der Auslöser war Wahlbeeinflussung

Titanendämmerung der „Großen Fünf“ im Internet - erst kam der Einbruch bei Facebook, dann wurden auch die Kurse von Google, Apple, Amazon und Microsoft angesteckt.

Die Anhörung Pichais am Mittwoch im US-Repräsentantenhaus fällt in eine Reihe von Hearings mit den Unternehmenschefs der „Big Five“ im Internetgeschäft. Mark Zuckerberg wurde im April als erster zwei Tage lang im Kongress „gegrillt“- im September folgten dann Jack Dorsey (Twitter) und Sheryl Sandberg (Facebook). Ausgelöst wurden die Hearings durch den Skandal um Wahlbeeinflussung und Facebook als Mittel dazu, wurden aber dann erweitert. Google wurde heftig dafür kritisiert, dass CEO Sundar Pichai diesen öffentlichen Termin nicht wahrgenommen hatte.

Es ist daher keine besonders freundliche Atmosphäre zu erwarten, zumal die Rechtausaußenfraktion der Tea-Party-Hardliner in der Republikanischen Partei behauptet, dass Google konservative Standpunkte und Medien systematisch benachteilige. Dazu kommt, dass die Internetkonzerne seit der Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump in Ungnade gefallen sind, nachdem sie unter Barack Obama jahrelang regelrecht hofiert worden waren. Vizepräsident Mike Pence hatte Google bereits mehrfach öffentlich aufgefordert, das Projekt „Dragonfly“ abzublasen.

Amnesty International Kampagnenbilder gegen Google in China

Amnesty International

Der satirische Videoclip von Amnesty International spielt mit dem seit nach 2000 gültigem internen Leitspruch. Was aus dem wurde, lesen Sie weiter unten.

Ökonomischer Hochverrat

Internetkonzerne als Kollaborateure von Militärs und Diktaturen und Google ist dabei nicht allein. Amazon verkauft etwa Software zur Gesichtserkennung an Polizeibehörden und dient sich dem US-Militärapparat als Cloud-Provider an.

Die Pläne des weltweit führenden Datenmaklers, gerade jetzt auf den chinesischen Markt zurückzukehren, werden von großen Teilen der Republikaner als ökonomischer Hochverrat angesehen. Der von Trump ausgelöste Wirtschaftskrieg gegen China eskaliert seit Monaten mit immer neuen Strafzöllen. Ob der heute verkündete „Waffenstillstand“ im Handelsstreit erwartete Einfuhrabgaben auf elektronische Komponenten aus China verhindert, wird sich zeigen. Von den Internetkonzernen würde Apple dadurch am stärksten betroffen sein. Doch alle anderen würde diese Maßnahme ebenfalls erwischen, weil sich von Routern bis zu den Server-Clustern in den Datenzentren sämtliche Komponenten verteuern werden.

Von demokratischer Seite sind vor allem Fragen zu den Menschenrechten zu erwarten, vor allem dazu, wie es eine Firma aus den USA verantworten kann, mit einer Diktatur zusammenzuarbeiten, von der alle Werte der US-Verfassung - allen voran der erste Verfassungszusatz zur Meinungsfreiheit - mit Füßen getreten werden. Das sind im Wesentlichen auch die Argumente der Google-Angestellten, die trotz des Risikos, dadurch einen Lob mit Spitzengehalt zu verlieren, mittlerweile 700 Unterschriften von Angestellten gegen das China-Projekt gesammelt haben.

2010 hatten die chinesischen Behörden die Lizenz für Google noch einmal verlängert, doch noch im selben Jahr verließ Google den chinesischen Markt.

Aufstand des Google-Mittelstands

Das sind fast ausschließlich Techniker und auch Technikerinnen, während das an sich reichlich vorhandene Sales- und Marketingpersonal fast völlig fehlt. Die „Streikkasse“ wurde am Mittwoch von der Google-Technikerin Liz Fong-Jones eingerichtet, die seit 11 Jähren in leitender Funktion für Google tätig ist. Binnen weniger Stunden kamen da mehr als 100.000 Dollar zusammen, die von der Initiatorin verdoppelt wurden. Das sieht alles schon sehr nach entschlossenem Vorgehen aus und wer da protestiert, sind Teamleiter und Programmierer - sozusagen der Google-Mittelstand.

Twitter-Nachrichten

Liz Fong Jones

Liz Fong-Jones hat ihre Ausbildung an den technischen Universitäten MIT und UCLA absolviert, den mithin renommiertesten TUs der USA. Darüber hinaus ist sie in jeder Hinsicht eine bemerkenswerte Erscheinung.

Für „Dragonfly“ muss die Suchmaschinenfunktion von Google mit den Regeln der Großen Firewall Chinas synchronisiert werden, an der eine Unzahl internationaler Websites stark zensuriert oder ganz geblockt wird. Die Google-Führung muss daher für die laufenden „Experimente“ schon länger über aktuelle Zensurlisten der chinesischen Führung verfügen und die sind nun einmal streng geheim. Als „Kooperation“ lässt sich das nicht mehr bezeichnen, vielmehr ist das eine Kollaboration mit einem diktatorischen Regime zur effektiveren Unterdrückung jeder freien Meinungsäußerung der Bürger in China.

Offizielle Mission, verräumtes Motto

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

Vor einem solchen Präzedenzfall warnt eine wachsende Zahl von Google-Ingenieuren, denn spätestens wenn Dragonfly in Betrieb geht, werden weitere totalitäre Staaten beі Google Schlange stehen, um zu verlangen, dass ihre Zensurbegehren ebenfalls erfüllt werden. Die Unternehmensführung hat ebenfalls eine Unterschriftenliste kursieren, die sich nicht ganz überraschend für das Durchziehen des Projekts „Dragonfly“ ausspricht, die Begründung dafür ist abenteuerlich.

Die augenblickliche Situation in China widerspreche nämlich der Mission von Google, „Die Information der gesamten Welt zu organisieren, um universellen und nutzbringenden Zugang zu gewährleisten.“ Das ist das offizielle „Mission Statement“. das seit der Jahrtausendwende omnipräsente interne Firmenmotto „Don’t be Evil“ hat die Google-Führung aus naheliegenden Gründen im Frühjahr 2018 ohne Sang und Klang verräumt.

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