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Demo gegen die Urheberrechtsreform in Stuttgart

APA/dpa/Sebastian Gollnow

So reagieren Dariadaria, VeniCraft uvm. auf die EU-Urheberrechtsreform

Die EU bekommt ein neues Urheberrecht. Wir haben mit Dariadaria, dem Gamer VeniCraft und anderen Betroffenen über das „Ja“ des Europaparlaments zur Reform gesprochen.

Von Gersin Livia Paya und Lukas Lottersberger

Das Europaparlament in Straßburg hat den viel umstrittenen Reformvorschlag für ein aktualisiertes europäisches Urheberrecht mehrheitlich angenommen. Europaweit gab es große Demonstrationen, vor allem junge Menschen haben sich mobilisiert und über 5 Millionen Gegner*innen unterzeichneten eine Petition. Bei der Parlamentsdebatte heute Vormittag ist der Live-Stream mehrmals abgestürzt, das vermittelt den Eindruck, als hätte eine ganze Generation mitgefiebert. Doch trotz der massiven Proteste kommt jetzt die Reform - so gut wie fix. Der EU-Rat muss noch einmal sein OK geben und das noch vor der EU-Wahl im Mai.

Die Reform bedeutet unter anderem, dass es schwieriger wird, urheberrechtlich geschütztes Material auf Plattformen wie Youtube oder Facebook hochzuladen. Wir haben uns bei österreichischen Influencer*innen, Youtuber*innen und Personen aus der Musikbranche umgehört.

VeniCraft: „Es ist ein schwarzer Tag für das freie Internet.“

Rafael Eisler, bekannt als „VeniCraft“, ist Influencer und machte Gaming zu seinem Beruf. Hunderttausende Abenonnenten verfolgen mit, wie er live auf Twitch Computerspiele spielt. Seine Videos auf Youtube bekommen oft über eine Million Views. Auf Youtube werden Urheberrechte schon lange durch den eigenen Content-ID Filter abgeklärt. VeniCraft geht es gut damit, dass das Urheberrecht seiner Inhalte auf Youtube „geclaimt“ wird und er dadurch auf dieser Plattform kaum verdient.

Zu den geplanten Neuerungen hat er sich klar positioniert, war Redner bei der Demonstration in Wien und hat über seine Accounts mobilisiert und gegen die Reform demonstriert. Wie geht es dem Influencer VeniCraft nach dem parlamentarischen Beschluss zur Urheberrechtsreform?

"Es ist ein schwarzer Tag für das freie Internet, jeden Kreativen und Gründer und vor allem für die Demokratie. Es fühlt sich einfach an wie ein Schlag ins Gesicht. Julia Reda, die sich extrem für alle Internetuser und die Jugend im deutschen Raum eingesetzt hat, hat’s bereits gut in ihrer Rede zusammengefasst: Eine ganze Generation fühlt sich einfach ignoriert und missachtet.

Wenn wir die größte Petition aller Zeiten weltweit (!) auf Change.org mit über 5 Millionen Unterschriften einreichen, werden wir als Bots bezeichnet. Wenn wir Emails, Briefe und Tweets verfassen die unsere Unzufriedenheit ausdrücken, werden wir als Mob abgestempelt. Wenn wir mit über 200.000 Leuten europaweit auf die Straße gehen, wird uns unterstellt, dass wir von Google dafür bezahlt werden. Noch dazu werden sämtliche Expertenmeinung einfach stumpf ignoriert und durch Unwahrheiten übertönt. Der Lobbyismus rund um die Urheberrechtslinie hat Ausmaße angenommen, die vielen Leuten den Glauben in die Demokratie nehmen könnte, doch wir geben nicht auf und schlagen dort zurück wo es den Politikern am meisten weh tut: bei den Europawahlen im Mai!"

Dariadaria: „Zeichen bei der EU-Wahl setzen“

Madeleine Alizadehs, besser bekannt als „DariaDaria“, ist Österreichs bekannteste Bloggerin. Sie ist Aktivistin und nutzt ihre Reichweite mittlerweile nicht mehr wie anfangs für Styling und Outfitpostings. Sie macht sich schon lange für nachhaltigen Lifestyle und Greenliving stark.

"Obwohl ich als Medienschaffende eine der vermeintlich Begünstigten der Urheberrechtsreform sein sollte, war und bin auch ich eine Skeptikerin der Copyrightreform, daher fühlt sich das Ergebnis der heutigen Abstimmung wie eine Niederlage an. Dass hunderttausende junge Menschen auf die Straße gehen, sich stark machen und dann nicht einmal ein Änderungsantrag angenommen wird, fühlt sich nicht wirklich basisdemokratisch an.

Bloggerin Dariadaria

Maximilian Salzer

Ähnlich wie bei anderen Themen trifft eine mehrheitlich ältere Generation eine folgenschwere Entscheidung, deren Auswirkungen besonders die jüngere Generation zu spüren bekommen wird. Es wird natürlich auf die nationale Umsetzung und Auslegung ankommen, ich hoffe jedenfalls, dass einige der Horrorszenarien (z.B. keine Memes mehr) nicht eintreten werden und dass das Internet weiterhin der Raum für Kreativität schlechthin bleibt.

Ich bin keine Freundin des Schwarzmalens, daher denke ich nicht, dass man mit Sorge in die Zukunft blicken muss, sondern sich eher vor Augen führen sollte wie wichtig es ist, wählen zu gehen. Am 26. Mai finden die nächsten EU-Wahlen statt, da bekommen wir die Möglichkeit unsere Meinung über die heutige Abstimmung kundzutun. Die logische Konsequenz für mich ist, sich mit der (EU-)Politik auseinander zu setzen, selbst zu recherchieren welche Parteien wie abgestimmt haben und ein entsprechendes Zeichen bei der EU-Wahl zu setzen.“

Peter Vieweger: „Es wird ganz einfach so weitergehen wie bisher“

Peter Vieweger ist AKM-Präsident und sieht den heutigen Beschluss durchaus positiv:

„Alles was in letzter Zeit an Protesten und Kampagnen zu sehen war, ist finanziert von Google, selbstverständlich. Weil die ihre Einnahmen ganz einfach in derselben Höhe behalten wollen. Alle Theorien von Uploadfiltern oder Zensur im Internet, das ist alles Quatsch. Das sind Nebelkerzen, die geschickte Google-Lobbyisten in Brüssel geworfen haben, um möglicherweise die Politiker so unter Druck zu setzen - durch die öffentliche Meinung - dass die das nicht befürworten.

Jeder Mensch der in Europa Künstler sein will und davon leben können will, wird sich darüber freuen, dass das jetzt endlich eine legale Basis gefunden hat, die es vorher nicht gegeben hat. [Für] alles, was rechtlich in der analogen Welt gilt, dafür kann man nicht auf Dauer im Internet ignoriert werden.

Der User wird nicht merken, dass es eine Gesetzesänderung gegeben hat. Ich vergleiche das gerne mit der Jahrtausendwende: Da sind Wissenschaftler hysterisch geworden, dass ein Chaos ausbrechen könnte … Und was ist passiert? Nichts. Es war ein normaler Jahreswechsel. Das ist jetzt so ähnlich. Man wird feststellen: Es wird ganz einfach so weitergehen wie bisher. Nur: Die Gewinne von Google werden ein wenig weniger werden. Das ist der einzige Unterschied.

Copeylius: „Uploadfilter führen zu Monopolisierung“

Copeylius ist Leiter der Austrian Entertainment Streaming Community. Auch er hat zur heutigen Abstimmung Stellung genommen:

"Jeder Urheberin und jedem Urheber soll das gebührende Recht zustehen, die ausgearbeitete Version des Artikel 13 fördert diesen Umstand allerdings mitnichten. Stattdessen werden (zwar im Artikel nicht so benannte aber technisch so gestaltete) Uploadfilter ins Spiel gebracht, deren Umsetzung lediglich zur Monopolisierung, oder zumindest Stärkung einiger weniger Konzerne führen, andererseits aber durch die damit notwendigen Lizenzen kleine Unternehmen in den Ruin treiben.

Es stellt sich auch die Frage, wie die nationalen Parlamente nun diesen Beschluss umsetzen und welche Folgen das auf die künftigen Entscheidungen diverser Mediendienste, wie z.B. Twitch hat. Emmett Shear, CEO von Twitch, erklärte bereits, dass ein solcher Artikel Plattformen zu einer sehr konservativen Führung ihrer Dienste nötige. Im konkreten Fall müsste etwa sogenanntes „Geoblocking“ umgesetzt werden. Das würde bedeuten, dass auf der einen Seite europäische Inhalte nicht außerhalb Europas, auf der anderen Seite nicht-europäische Inhalte nicht innerhalb Europas auf Twitch sichtbar wären. Ob dies tatsächlich Realität wird, wird sich in der nächsten Zeit zeigen."

Anita Ableidinger: „Es ist unfassbar schade“

Die Moderatorin und Youtuberin Anita Ableidinger, hat sich auf ihrem Youtube Kanal „Anita Girlietainment“ als Reaktion zur Reform schon vom Internet verabschiedet. Heute hat sie den Parlamentsbeschluss auch live mitverfolgt.

"Ich verabschiede mich mal von dem Internet, wie ich’s bis jetzt kenne. Es ist unfassbar schade, dass über 5 Millionen Unterschriften und über 200.000 Demonstranten am 23.3.19 in Deutschland und Österreich so gar niemanden von den Entscheidungsträgern interessiert haben. Sehr eigenartig fand ich die Dramen, die sich vor der Entscheidung abgespielt haben, wie: „Die Demonstranten erhalten 450 EUR Demo-Geld!“. Dies soll ein CDU Abgeordneter getwittert haben. Da frage ich mich: Wo kann man sowas beantragen? Ich warte noch immer auf mein angebliches Demo-Geld! Haha - schon sehr dreist, die Demonstranten als bezahlt abzustempeln! Und wer bezahlt die über 200.000 Demonstranten mit soviel Geld? Das wären doch um die 90 Millionen Euro!

Auch gut war die Aussage, dass große Firmen die Europapolitiker mit Mails belästigen und man hat uns, die Mailverfasser, als „Bots“ betitelt. „Wir sind keine Bots!“ schrien auf der Demo auch einige. Wir Bots hätten gerne unsere 450 Euro. Es ist unglaublich, was gerade passiert ist. Ich bin fassungslos und will nicht darüber nachdenken, was uns mit dem Uploadfilter alles erwarten wird."

Rainer Praschek: „Urheber und Urheberinnen gehören für ihre Leistung entlohnt“

Rainer Praschek ist Fachreferent für Musikwirtschaft bei MICA. Er sieht noch viele offene Fragen, die dringend besprochen werden sollten:

„Es ist jetzt auch viel eine Generationenfrage diskutiert worden - das war so ein bisschen „Alt gegen Jung“. Ich glaube, dass man sich, wenn man das Urheberrecht ins Jetzt holen will, sicherlich anschauen kann: „Ist das aktuelle Urheberrecht noch zeitgemäß?“, wenn ich jetzt ans Zitatrecht, an Memes usw. denke. Das heißt: Inwiefern sind manche Sachen in einer digitalen Realität noch auslebbar, wie sie vor 20 oder 30 Jahren waren? Das kann man sich anschauen, das sollte man sich anschauen. Die positive Entwicklung bei dem heutigen Entscheid ist, dass einmal klargestellt wurde: Die Kreativen, die Urheber und Urheberinnen, gehören für ihre Leistung entlohnt.“

Auf Laut: Das Ende des freien Internets?

Wie betrifft uns die Copyright-Reform? Wer profitiert nun tatsächlich davon? Und welche Regeln und wieviel Freiheit braucht es im Internet? In FM4’s Auf Laut am 26.3. hat das Claudia Unterweger mit euch, mit Befürworter*innen und auch Kritiker*innen wie dem YouTuber VeniCraft, Natalie Tischmann von SaveTheInternet und dem EU-Korrespondenten Alexander Fanta diskutiert. Hier könnt ihr in die Sendung reinhören:

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