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Plakat EU-Wahl vor österreichischem Parlament

APA/ROLAND SCHLAGER

Darum geht’s bei der EU-Wahl

In drei Wochen wählen EU-Bürger*innen ihr neues Parlament. Was aber macht das Parlament und welche Auswirkungen hat das Ergebnis auf EU-Politik?

Von Ali Cem Deniz

Für Matteo Salvini ist die Sache einfach. “Wenn die Linken gewinnen, wird Europa zu einem islamischen Kalifat”, so der italienische Innenminister bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Viktor Orban, der trotz seiner Suspendierung durch die Europäische Volkspartei eine Schlüsselrolle bei den Wahlen spielt. Orban stimmt zu und sagt, dass es nur um eine Frage ginge: “Ja oder nein zu Migration”.

Während die europäischen Rechten die EU-Wahl zu einem Referendum über Einwanderung erklären, versuchen die Mitte-Rechts-Parteien, sozialdemokratische und liberale Kräfte sie zu einer Entscheidungsschlacht gegen den Aufstieg des Rechtspopulismus zu machen und der Destabilisierung der Union durch den Brexit ein Ende zu setzen.

EU-Wahl Wahlplakate

APA/ROLAND SCHLAGER

Die Aufladung der Wahl durch diese zwei Gruppen ist nicht verwunderlich. Gilt doch die geringe Wahlbeteiligung als eine der auffälligsten Schwächen der Europawahl. Und das, obwohl das Parlament die einzige direkt wählbare Institution der EU ist. Ob der fatalistische Walkampf die Mobilisierung ankurbeln wird, ist noch offen.

Wem gehört Europa?
Am Dienstag, den 7.5.2019, diskutieren wir mit euch und unseren Gästen unter anderem darüber, wie nahe sich die Bürger*innen dem EU-Parlament fühlen und wie eine Zukunft Europas aussehen könnte. Alle Infos zur Live-Diskussion im Buchcafè phil gibt’s hier.

Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren sind EU-weit 43 Prozent der Berechtigten zur Urne gegangen – jedoch mit massiven Unterschieden. In der Slowakei waren es gerade Mal 13 Prozent. Mit Ausnahme von Portugal sind in den Top 10 der Länder mit der niedrigsten Beteiligung ausschließlich osteuropäische Staaten. Dort wo die EU ihr geografisches Zentrum hat, ist auch das Interesse an der Wahl größer. In Belgien und Luxemburg haben über 90 Prozent eine Stimme abgegeben. Diese zwei Länder sind übrigens neben Griechenland die einzigen mit einer Wahlpflicht.

Nicht nur bei der Interesse an der Wahl gibt es massive nationale Differenzen. Das Wahlrecht ist weiterhin größtenteils national geregelt und auch bei den Inhalten setzen viele Parteien, so wie bei uns, nicht nur auf pan-europäische Themen, sondern instrumentalisieren die Europawahl häufig als ein innenpolitisches Stimmungsbarometer.

Komplizierte Allianzen

Die 751 neuen Abgeordneten, die am 26. Mai ins EU-Parlament ziehen werden, spiegeln also das Bild einer höchst fragmentierten Union wider. Dazu kommen noch 73 Parlamentarier*innen aus Großbritannien. Wie lange sie dort bleiben und was sie dort machen werden ist unklar. Viele von ihnen sind außerdem Brexiteers, die ohnehin kein Interesse an EU-Arbeit haben.
Ihre bloße Existenz wird jedoch das Kräfteverhältnis im Parlament beeinflussen. Die stärkste Fraktion ist derzeit die “Europäische Volkspartei”, der unter anderem ÖVP, CDU/CSU, aber auch der suspendierte Orban dazu gehören, der jetzt mit Salvinis Europäischer Allianz der Völker und Nationen liebäugelt. Diese neue Superfraktion der Rechtsaußenparteien wird es der EVP im europäischen Parlament schwer machen.

Abgeordnete im EU-Parlament

EPA/Patrick Seeger

Der Spitzenkandidat der EVP ist Manfred Weber von der CSU. Er hat die besten Chancen auf einen Wahlsieg, aber der Posten als Kommissionspräsident ist alles andere als gewiss. Wenn er die Nachfolge von Jean-Claude Juncker antreten will, braucht Weber neben einem Vorschlag der Kommission, die Unterstützung des Parlaments. Und obwohl Weber mit einem harten Anti-Migrationskurs punkten will, sind Rechtspopulist*innen wie Salvini, Le Pen und Co. nicht bereit, Weber zum Präsidenten zu machen. Und auch Weber, der in seiner Fraktion zum konservativen Flügel zählt, und in der Einwanderungsfrage am liebsten auf seiner rechten Seite keine Konkurrenz hätte, will die EU-Skeptiker*innen meiden. Nach den Wahlen wird es also Koalitionsverhandlungen geben.

Mehr Dialog

Das Parlament ist neben dem Rat und Kommission eine der Institutionen, in denen Gesetze entstehen. Die Abgeordneten können aber nicht aus eigenem Antrieb Gesetze vorschlagen. Abgesehen von Außen- und Steuerpolitik, muss aber jedes Gesetz vom Parlament mit einer Mehrheit abgesegnet werden. Das ist ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren, mit dem jedoch nur wenige Gesetze beschlossen werden. Über 90 Prozent entstehen im “informellen Trilog” zwischen Parlament, Rat und Kommission, der zwar für Effizient gelobt wird, aber die Beteiligung der EU-Bürger*innen beschränkt.

Die Rechtspopulist*innen, die im Windschatten von Orban eine europaweite “illiberale Demokratie” einführen wollen, könnten am Ende helfen, die Union demokratischer zu gestalten. Die EVP wird nicht mehr mit der Hilfe der europäischen Sozialdemokrat*innen die Mehrheit halten können und muss sich auch liberalen und grünen Kräften öffnen. Am 26. Mai wird jede Stimme zählen. Vielleicht mehr als je zuvor.

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