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Von Hexen und Hyäninnen

Das Festival „Wienwoche“ beendet das Patriarchat.

Von Lukas Tagwerker

Ich habe einmal einen katholischen Bischof getroffen, der von sich aus aufs Thema Hexen zu sprechen kam. „Ich habe nie an Hexen geglaubt, glaube nicht an Hexen und werde nie an Hexen glauben“, proklamierte er sein Bekenntnis. Dann ergänzte er mit Angst in den Augen: “Und außerdem stehen diese Hexen mit dem Teufel im Bunde.“

Die feministische Wissenschafterin Silvia Federici schätzt, dass in Europa innerhalb weniger Jahrzehnte an die 300.000 Frauen von Staat und Kirche als Hexen diffamiert und meist zu Tode gefoltert oder verbrannt worden sind. In ihren Büchern („Hexenjagd“ und „Caliban und die Hexe“) analysiert Federici den Zusammenhang zwischen dem Beginn des Kapitalismus und dem Widerstand von Körper und Geist dagegen. Kolonisierung, Christianisierung und die Kontrolle weiblichen Wissens und weiblicher Sexualität gingen Hand in Hand mit der Privatisierung von Land und der Rationalisierung und Mechanisierung der Gesellschaft.

Erst vor Kurzem hat die katholische Kirche sich für den Massenmord an Frauen entschuldigt. Die Angst vor der Macht der Frauen offensiv anzugehen und toxische Machtstrukturen zu bekämpfen, hat sich das Festival Wienwoche unter dem Titel „Bitches & Witches“ vorgenommen.

Die Musikerin Eva Jantschitsch hat an dem Chorwerk Opus Maleficarum mitgewirkt, eine Mahnwache in Erinnerung an die 1583 in Wien als Hexe verbrannte Elisabeth Plainacher. Das Kräuterwissen der 70-Jährigen und ihr Übertritt zum Protestantismus führten dazu, dass sie als „Zauberyn“ am 27. September 1583 hingerichtet wurde.

Erstmals verankert das Wienwoche-Festival während der gesamten Spielzeit (von 13. bis 22.9.) eine Party-Schiene für kontinuierliches Räsonieren und Feiern: im Flex Café. Von der Capetown-basierten Angel-Ho, Samira Dezaki und FM4-Kollegin Dalia Ahmed gibt es Clubmusik, Liveacts und queere Shows.

An zwei Tagen laden die Radical Anarchist Dangerous Sisters* zu Fahrrad-Aktionen zwischen Sternwarte und Polizeianhaltezentrum: einmal für Frauen*, Lesben, inter, nicht-binäre und transidente Personen und einmal für all genders.

Gruppe von Frauen

Eszter Korodi

Die Gruppe „I Know I Care“

Auf Initiative der Philosophin und Künstlerin Jelena Micić stellt die Gruppe I Know I care Fragen zur tatsächlichen Emanzipation weiblicher* Arbeitskraft im historisch veränderten Lebensumfeld des kommunalen Wohnbaus im „roten Wien“.

Weibliche* Arbeitskämpfe sind zentral in dem Theaterstück Tkaczki / Die Spinnerinnen von Agnieszka Salamon sowie in den performativen Interventionen Salon Souterrain und We Work! in Zusammenarbeit mit Red Edition – Migrant sex Workers.

Möglichkeiten, sich selbst ins Wienwoche-Geschehen einzubringen, bieten Workshops wie die Feminist Meme School und die Vernetzungstreffen rund um die Ausstellung der Crip Convention Vienna. Die Themen Körper als Erfahrungsraum und Rolle als Wunschvorstellung behandelt Medeas Töchter. Schon die Kleinsten können Superheld*innen-Figuren dekonstrieren und ein Symposium reflektiert die Bildung utopischer Imagination in Zeiten rechtsextremer Regierungen.

Gruppe von Frauen

afrorainbow austria

Das Performance-Team der Ausstellung „Goddess in Diaspora“: Jabou Tabedou, Joëlle Sambi Nzeba, Faris Cuchi Gezahegn, Sophia Ishola und Lawrita Akusinanwa

Widerstand, Heilung und Verzauberung

Zu den spannendsten Beiträgen des heuer erstmals vom Trio Natalie Assmann, Mirjana Djotunovic und Henrie Dennis kuratierten Festivals zählen sicher die Ausstellung Goddess in Diaspora sowie die Interventionsreihen Our Steps ... und auch Existence in Resistance, die an öffentlichen Orten Heilungsrituale und Performances durchführen werden. Kollektive, die als laut und aggressiv gelten, werden mit auffallend ruhigen und dennoch spektakulären Ritualen und Happenings an öffentlichen Orten wie der Votivkirche, der U6-Station Josefstädter Straße oder auch am Wiener Graben überraschen.

An Hexen wirklich zu glauben, dürfte ab Freitagabend, 18.30 Uhr bei der Eröffnung am Wiener Karlsplatz, nicht mehr schwerfallen.

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