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Extinction Rebellion: Ausscheren gegen das Aussterben

Weil es beim Klimaumbruch um alles geht, hat die Gruppe Extinction Rebellion eine Woche der Rebellion ausgerufen.

Von Albert Farkas

Schauplatz Wien, Innere Stadt, Sonntag 6. Oktober 2019, 17:30. Mehrere Aktivist*innen der Klimaprotestgruppe Extinction Rebellion erheben ihre Stimme, um der Obrigkeit in Sachen Klimakrise offiziell ihre Gefolgschaft aufzukündigen. Zum Abschluss der Kundgebung steht ein Die-In an, das von einem Sprecher andächtig eingeleitet wird. „Im Namen aller Arten, die bereits für immer verschwunden sind, und im Namen aller Arten, die nicht mehr zu retten sein werden, und auch im Namen aller Menschen, die durch die Klimakatastrophe ihr Leben verloren haben, oder noch verlieren werden – sterben wir gemeinsam aus.“

Mit diesen Worten lassen sich die Beteiligten am Die-In am Graben in der Nähe der Pestsäule an diesem kühlen Sonntagnachmittag auf die Granitplatten, mit denen die Fußgängerzone gepflastert ist, fallen. Dort verharren sie für fast zehn Minuten, während eine Sprecherin von Extinction Rebellion ein Manifest für das Leben verliest.

FM4 Auf Laut: Ziviler Ungehorsam zur Klimarettung?

Am Dienstag, 8. Oktober, von 21 bis 22 Uhr auf Radio FM4 und anschließend im FM4 Player.

Anrufen und mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996.

Ein paar Dutzend Teilnehmer*innen sind zur andächtigen Ausrufung der ökologischen Krise in der Wiener Innenstadt erschienen. Tourist*innen und andere Passant*innen drängeln sich auf den Ausweichstreifen oder bleiben stehen und machen Fotos. Manche von ihnen sind in die Aktion eingeweiht. Eine davon ist Karolin vom Verein Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie. Über das Aufkommen von Gruppen wie Extinction Rebellion verspürt sie vor allem eines: Erleichterung. „Ich war sehr lang verzweifelt, weil ich seit dreißig Jahren probiere, unser Klima zu retten. Meine Familie fährt nicht auf Urlaub, wir haben kein Auto, ich bin bei einer Food-Coop und so weiter. Aber inzwischen bin ich zum Schluss gelangt, dass es zu spät dafür ist, dass einzelne Individuen das Klima retten können", sagt Karolin.

In Zeiten so großer Dringlichkeit dürfe Klimaschutz kein parteipolitischer Spielball mehr sein, sondern müsse ein Konsensthema mit oberster Priorität werden. Und wenn Politikerinnen und Politiker das nicht einsehen wollen, so Karolin, müssen sie halt den Druck von der Straße zu spüren bekommen: „Wir brauchen ein politisches System, das Vorgaben macht. Für alle die gleichen Regeln. Dann glaub ich, dass viele Leute mitmachen werden. Es muss verboten werden, die Welt kaputt zu machen.“

Extinction Rebellion ist eine Grassroots-Bewegung, die letztes Jahr in Großbritannien gegründet wurde. Dort haben Aktivist*innen beispielsweise die wichtigsten Londoner Brücken besetzt, das Finanzministerium mit Kunstblut besprüht, oder sich nackt an die Besucher*innengalerie des Parlaments geklebt. Mit öffentlichkeitswirksamen, gewaltfreien Störaktionen wie diesen soll eine politische Kurskorrektur erzwungen werden.

Für Paul, der den österreichischen Ableger von Extinction Rebellion mitgegründet hat, eine der vielversprechendsten, noch verbleibenden Strategien im Kampf gegen die Klima-Apathie: „Wenn man in die Geschichte zurückschaut, dann war es fast immer gewaltfreier ziviler Ungehorsam, der große Fortschritte in der Gesellschaft in kurzer Zeit ermöglicht hat."

Paul sieht die Gruppe dabei in der Tradition etwa der Bürger*innenrechtsbewegung in den USA in den 1960ern, „wo einfach Leute gesagt haben: ‚Die Segregation, ich mach es nicht mehr mit, ihr könnt mich verhaften, aber ich trage es nicht mit, weil es ist falsch.‘ Und genau das ist es, was wir auch machen wollen.“

Fernziel von Extinction Rebellion, die in Österreich insgesamt aktuell zwischen 100 und 200 aktive Mitglieder zählt, ist die Einberufung von Bürger*innenversammlungen, die über die Ausrichtung der Klimapolitik mitentscheiden sollen, ähnlich wie Geschworene bei Gericht. Diese Woche steht aber erstmal der Aktionismus im Vordergrund. Wo und wann, wird im Voraus nicht verraten, aber von Paul in typisch konziliant-österreichischer Manier mit einer vorauseilenden Entschuldigung verknüpft: „Falls ihr von uns in irgendeiner Art und Weise gestört wurdet, wir hätten viel lieber was anderes gemacht, aber wir haben leider keine Wahl. Es tut uns wirklich leid.“

Ziviler Ungehorsam zur Klimarettung?

Fridays for Future sind ja mittlerweile jedem und jeder ein Begriff. Im Kampf gegen den Klimawandel sind sie aber nicht die einzige organisierte Gruppe. Eine, die diese Woche weltweit für Schlagzeilen sorgt, ist Extinction Rebellion. Sie gilt als radikaler als etwa Fridays for Future, die Teilnehmer*innen betonen aber stets, dass auch ihr Vorgehen gewaltlos ist - etwa mit unangekündigten Sitzstreiks auf der Straße. Diese Woche hat Extinction Rebellion zur weltweiten Woche der internationalen Rebellion ausgerufen. Die ganze Woche lang sollen in 70 verschiedenen Ländern Protestaktionen stattfinden. In Neuseeland haben sich Protestierende am Montag etwa an einer Glaswand in einer Bank festgeklebt, in Berlin haben Hunderte Aktivist*innen wichtige Verkehrswege blockiert, in London war unter anderem eine Brücke im Bezirk Westminster besetzt.

Ist ziviler Ungehorsam das Mittel für eine Trendumkehr in der Klimapolitik? Wie viel Druck braucht es für einen Bewusstseinswandel in der Öffentlichkeit? Und wie weit soll Protest gehen?

Über persönliches Engagement und dessen Grenzen diskutiert Claudia Unterweger in FM4 Auf Laut mit einer Aktivistin von Extinction Rebellion und euch FM4 Hörer*innen.

FM4 Auf Laut: Ziviler Ungehorsam zur Klimarettung?

Am Dienstag, 8. Oktober, von 21 bis 22 Uhr auf Radio FM4 und anschließend im FM4 Player.

Die Nummer ins FM4 Studio ist 0800 226 996.

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