FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Film "Parasite"

Filmcoopi

Zwei schrecklich nette Familien: „Parasite“ von Bong Joon-ho

Der südkoreanische Ausnahmeregisseur Bong Joon-ho begeistert auch mit seinem neuen Film: Ein gnadenloser Blick auf gesellschaftliche Gegensätze, tragikomisch und spannend zugleich.

Von Christian Fuchs

Am Anfang sind die Sympathie-Fronten in diesem Film klar verteilt. Auf der einen Seite steht in „Parasite“ die heruntergekommene Familie Kim. Immer auf der Suche nach Aushilfsjobs und kostenlosen WLAN wohnen Vater, Mutter, Tochter und Sohn auf engstem Raum in einem trostlosen Kellerloch. Auf der anderen Seite lernen wir die schnöselige Familie Park kennen, die im Designerhaus eines Stararchitekten residiert.

Regisseur Bong Joon-ho, zurecht gefeiert für exzentrische Genre-Auffrischungen wie „The Host“ oder „Okja“, bedient eine Weile lang einschlägige Klassenklischees. Fast kommt einem sein Sci-Fi-Thriller „Snowpiercer“ in den Sinn, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich in einem riesigen Zug auf comichafte Weise sichtbar wird.

Während die kultivierte Upperclass-Familie spießig und abgehoben wirkt, beweist der bankrotte Kim-Clan sogar auf dem Weg in den sozialen Untergang noch Humor und Cleverness. Als sich deren Sohn (Choi Woo-sik) als falscher Nachhilfelehrer bei den Parks einschleicht, applaudieren wir noch heimlich.

Film "Parasite"

Filmcoopi

Freundliche Außenseiter als Intriganten

Nach und nach holt der Bub aber seine anderen Familienmitglieder, darunter auch Bongs großartigen Stammschauspieler Song Kang-ho als Vater, unerkannt in die schicke Villa. Und hier kippt die Stimmung irgendwann. Denn um die arbeitslosen Kims einzuschleusen, müssen erst die vormaligen Bediensteten hinausgeekelt werden.

Die freundlichen Außenseiter entpuppen sich immer mehr als eiskalte Intriganten, denen es gelingt, dass sowohl der Chauffeur als auch die langjährige Haushälterin ihren Job verlieren. Kurze Gewissensbisse flackern dabei zwar auf, aber der Schwindel funktioniert einfach zu gut, um die Aktion abzubrechen. Für einen trügerisch idyllischen Moment lang befinden sie sich unter einem noblen Dach, die ahnungslosen Parks und die parasitären Kims.

Aber wer sind in diesem Film, der verdienterweise in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, wirklich die Schmarotzer? Leben nicht extrem Wohlhabende ohnehin auf Kosten der unteren Schichten? Sind die (a)sozialen Verhältnisse, die Bong Joon-ho hier zeigt, überhaupt auf ehrliche Weise überbrückbar – oder bleiben den Mitgliedern des Prekariats im modernen Südkorea nur drastische Methoden, um die Miete zu bezahlen?

Film "Parasite"

Filmcoopi

Klassenkampf-Komödie und Thriller zugleich

Die naheliegendste Botschaft, die sich aus „Parasite“ rausfiltern lässt, ist natürlich, dass der Kapitalismus jeden Menschen korrumpiert. Aber der Film lässt sich nicht auf simple Aussagen reduzieren. Und während einem diverse Fragen durch den Kopf schwirren, verwandelt sich die schrullige Klassenkampf-Komödie in einen rabenschwarzen Thriller. Einige beklemmende Überraschungen inklusive.

Am Ende wird Bong Joon-ho seinem Ruf als Ausnahmeregisseur gerecht, der Genreeinflüsse und Gesellschaftskritik zu eigentümlichen Kino-Hybriden vermischt. „Parasite“ wechselt 132 Minuten lang elegant zwischen Sozialsatire und Slapstick-Gemeinheiten, Lachen und Verstörung. Ach ja, diese koreanische Horror-Version einer Nestroy-Posse ist auch noch fantastisch gespielt und gefilmt.

mehr Film:

Aktuell: