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szene aus "the report"

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Lakonisch und obsessiv zugleich: Die besten Rollen von Adam Driver

Ob als akribischer Ermittlungsbeamter in „The Report“, als zerrütteter Ehemann in „Marriage Story“ oder als Star-Wars-Bösewicht: Adam Driver ist im Kino heuer allgegenwärtig.

Von Christian Fuchs

Martin Scorsese, Spike Lee, Jim Jarmusch und demnächst auch Leos Carax und Ridley Scott: All diese und andere Regiegötter schwören auf den schlaksigen Kalifornier, der so gar nicht den üblichen Klischees des Hollywood-Leading-Man entspricht. Dass Adam Driver ganz nebenbei noch in einer nicht unbedeutenden Weltraum-Fabel das Laserschwert schwingt, erweitert seinen Bekanntheitsgrad von Cineastenkreisen in die globalen Kinderzimmer.

Anno 2012 hätte sich das alles wohl niemand gedacht. Damals feierte Lena Dunhams tragikomische Serie „Girls“, rund um eine Clique junger New Yorkerinnen, ihre Premiere. Mittendrin in dem tollen weiblichen Ensemble stach ein baumlanger schrulliger Typ hervor. Den neurotischen und dennoch liebenswerten Boyfriend von Hauptfigur Hannah spielte ein unbekannter Schauspieler, der regelrecht mit seiner Rolle zu verschmelzen schien. Für ein paar Serienstaffeln lang wurde Adam Driver zur Personifikation des charmanten Weirdos aus Williamsburg, der seiner Freundin ganz spezielle sexuelle Vorlieben offenbarte.

adam driver in "Girls"

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OK Boomer: „While We‘re Young” (2014)

In „Frances Ha“, der ersten Zusammenarbeit von Regisseur Noah Baumbach mit Adam Driver, spielte letzterer noch einen kleineren Slacker-Part, der direkt aus „Girls“ entstammen könnte. Und auch in „While We’re Young“ steht er für einen speziellen New Yorker Twentysomething-Typus, der zwischen Hipster-Coffeeshop und Vintage-Flohmarkt pendelt. Die sehr lustige Komödie konfrontiert Driver und seine Filmfreundin Amanda Seyfried mit einem bildungsbürgerlichen Ehepaar (Naomi Watts und Ben Stiller) das gerade in die Midlife-Crisis schlittert.

Baumbach bringt in seinem vielleicht verblödeldsten Film den Generationskonflikt in manchen Szenen herrlich auf den Punkt. Alleine eine Montage, die das junge Pärchen bei der strikt analogen Abendgestaltung in ihrem Loft zeigt, umgeben von Kofferschreibmaschinen, Vinylplatten und VHS-Kassetten, während die Älteren mit iPads und iPhones auf der Couch sitzen und Netflix durchforsten, zeigt die verkehrte Gegenwartswelt. Ein toll gespielter Film, der auf unterhaltsame Weise wehtut.

Die Melancholie des Alltags: „Paterson“ (2016)

Dass der skurrile Typ aus „Girls“ und den Noah-Baumbach-Komödien tatsächlich eine finstere Hauptrolle in einem Star-Wars-Epos bekommt, zeigt, dass Hollywood-Produzenten doch manchmal unberechenbar agieren. Adam Driver verstört puristische Fans der Sci-Fi-Saga als innerlich zerissener Kylo Ren.

Gleichzeitig erweitert der Schauspieler sein Repertoire. Die lakonische Ruhe, die bis dahin zu seinem Markenzeichen geworden ist, macht in „The Force Awakens“ einer fiebrigen Besessenheit breit. Und wer ihm Actionrollen nicht zutraut, den weist Driver auch ganz nebenbei auf seine Vergangenheit hin: Anfang der Nullerjahre diente der Trademark-Hipster zwei Jahre bei den US-Marines.

Es gehört zum Phänomen Adam Driver, dass er sich nach dem breiten Durchbruch nicht dem Blockbuster-Mainstream verschreibt. Sondern lieber für Indie-Darling Jim Jarmusch einen stoischen sanften Welt- und Smartphone-Verweigerer spielt. Als Busfahrer „Paterson“ im gleichnamigen Film wird Driver zu einem Sinnbild für Ruhe, Zurückhaltung und Bescheidenheit. Der bewusst verlangsamte Film verbeugt sich vor dem Alltagsleben eines jungen Pärchens und zelebriert die Melancholie des Alltags.

Millenial-Misere im All: „Star Wars: The Last Jedi” (2017)

Schweigsam gibt sich Driver auch in seinem nächsten Werk. Martin Scorsese erzählt in „Silence“ von Glaubenskonflikten im Japan des 17. Jahrhunderts, in die zwei Jesuiten-Priester (Andrew Garfield und Adam Driver) verwickelt werden. Der große Marty inszeniert ausnahmsweise meditativ-elegisch bis zum Stillstand. Inmitten all der Leidensmienen sticht Drivers stoisches Antlitz heraus. In Steven Soderberghs köstlichem „Logan Lucky“ darf er dann die unernste Antithese spielen, einen herrlich tölpelhaften Gangster.

Adam Sandler in "The Last Jedi"

Disney

Anschließend geht es ins Land der Laserschwerter zurück, mit einem umstrittenen und besonderen Regisseur. Rian Johnson mutiert für viele Fans zur Hassfigur, weil er es in „Star Wars: The Last Jedi“ wagt, mit dem Urstoff aller Nerdträume herumzuspielen. Dabei gelingt es dem einstigen Indie-Filmemacher den abgehobenen Sternenkriegen so etwas wie Bodenhaftung und Relevanz zu verleihen.

Adam Driver steht als verbitterter Bösewicht im Zentrum der Geschichte, die nämlich auch vom Konflikt der unsicheren Millenials (Rey und Kylo Ren) mit den abgebrühten Baby Boomern (Luke Skywalker, Han Solo) erzählt. Ein Thema, das den Schauspieler anscheinend verfolgt, von den Coffeeshops in Williamsburg bis in die Tiefen des Alls.

Gefährlicher Undercover-Einsatz: „BlacKkKlansman“ (2018)

Einen sehr irdischen Part hat Adam Driver dann in einem ganz anderen Erfolgsfilm. Die bizarre (und großteils wahre) Geschichte von einem afroamerikanischen Cop, der in den 70ies den Ku-Klux-Klan infiltrierte, wird zum Comeback von Spike Lee. „BlacKkKlansman“ gehört zwar schwarzen Schauspieler*innen wie John David Washington und Laura Harrier, aber Driver passt als jüdischer Kollege gut in die Runde der jungen Polizisten, die Undercover bei Rechtsradikalen untertauchen.

Adam Driver in "The BlackkKlansman"

UPI

Szenen einer Ehe: “Marriage Story“ (2019)

Noah Baumbachs neuester und preisgekrönter Film, seine vierte Zusammenarbeit mit Adam Driver, zeigt ein Ehepaar in der Krise. In 136 Minuten rollt „Marriage Story“, der hier bereits gewürdigt wurde, sämtliche Stationen einer Scheidung auf, von aufblitzenden Hoffnungsschimmern bis zu furchtbaren Momenten. Der visuell zurückhaltende Streifen ist das, was man exzellentes Schauspielerkino nennt.

Dabei ist es auch besonders schön, Scarlett Johannsen und Adam Driver endlich wieder abseits ihrer Blockbuster-Rollen zu sehen. Kein aufwändiger Spezialeffekt kann die Szene toppen, in der Ehemann Charlie bei einem Abend mit Freunden plötzlich ans Klavier schreitet. Wie der den Musicalsong" Being Alive" singt, seine Gefühle nach außen kehrt und dennoch lakonisch bleibt, ist eine Schlüsselszene im Kinojahr 2019.

Adam Driver in "Marriage Story"

Netflix

Portrait eines Unnachgiebigen: „The Report“ (2019)

Und dann ist da Adam Drivers neuester Film, von den Amazon Studios produziert und jetzt nur kurz im Kino zu sehen. „The Torture Report“ ist am Anfang kurz zu lesen. Dann wird das Wort „Folter“ geschwärzt und der Filmtitel bleibt übrig. Ein perfekter Einstieg für ein ungewöhnliches Doku-Drama, das wirklich eng den Tatsachen folgt.

The Report“ erzählt die Geschichte des ehemaligen FBI-Mitarbeiters Daniel Jones, von Driver obsessiv verkörpert, der 2009 einen Auftrag bekommt. Er soll die Inhaftierungs- und Vernehmungspraktiken der CIA im Gefolge von 9/11 untersuchen. In einem fensterlosen Kellerbüro warten auf Jones und sein winziges Team tonnenweise Akten und Dateien. Es wird Jahre dauern, bis der akribische Beamte den Raum verlässt, mit einem 7000-seitigen Untersuchungsreport in den Händen.

Adam Driver in "The Report"

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Senatorin Dianne Feinstein (Anette Benning) ist erschüttert: Daniel Jones berichtet von den sogenannten enhanced interrogation techniques der CIA, von ausgeklügelten Foltermethoden, Stichwort Waterboarding. Angeleitet von perfiden Psychologen wurden vermeintliche Verdächtige psychisch und physisch zerstört. Übrigens, fügt Jones hinzu, hat keine dieser inhumanen Techniken jemals zu verlässlichen Zeugenaussagen geführt.

Wie der moralistische Beamte mit Politikern und Institutionen kämpft, auch um das eigene Überleben, hätte sich perfekt als paranoider Geheimdienst-Thriller inszenieren lassen. Aber Regisseur Scott Burns kokettiert nicht mit dem Genrekino. „The Report“ lebt von eisiger Nüchternheit, von echten Namen und Fakten. Und von einem großartigen Adam Driver.

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