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Autos und Radfahrer

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Wie könnten wir den Verkehr klimagerecht umbauen?

Die neue Regierung hat den „Mobilitäts-Masterplan 2030“ vorgelegt. Sind die angekündigten Maßnahmen geeignet, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, oder sind sie nur Kosmetik? Dazu haben wir den Verkehrsexperten Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich interviewt.

Von Claudia Unterweger

Die neue, grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler soll in den nächsten Jahren den „Masterplan“ von ÖVP und Grünen in Sachen Verkehr in die Wirklichkeit umsetzen. PR-wirksam ist sie ja mit dem Fahrrad statt im Dienstwagen zur Amtsübergabe gekommen. Doch wie viel Substanz steckt in diesem Kapitel des Regierungsprogramms? Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich im Interview mit FM4.

Herr Gratzer, Sie warnen, beim Verkehr liege in Österreich vieles im Argen.

Christian Gratzer: Die nun geplanten Maßnahmen bringen uns dem Klimaziel auf jeden Fall näher, aber den Worten müssen jetzt rasch Taten folgen. Der Verkehrsbereich ist der Nachzügler in Sachen Klimaschutz, die CO2-Emissionen sind im Vorjahr zum fünften Mal in Folge gestiegen - und sind um 70 Prozent höher als im Jahr 1990. Die Zunahme des Verkehrs hat die Einsparungen bei den anderen Sektoren zunichtegemacht.

Was sind die dringendsten Schritte?

Christian Gratzer: Es ist wichtig, den öffentlichen Verkehr ausbauen, gerade auch in den Regionen, wo der Aufholbedarf groß ist. Auch die Radinfrastruktur muss endlich auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden. Und man muss aufhören, das Falsche zu tun.

Was läuft derzeit ganz falsch?

Christian Gratzer: Komplett kontraproduktiv sind umweltschädliche Förderungen von mehr als 4 Milliarden Euro pro Jahr in Österreich, davon 2,5 Milliarden allein im Verkehrsbereich. Dazu gehören Steuerprivilegien für Dienstwagen, fehlende Kerosinsteuer, die Steuerbegünstigung von Dieseltreibstoff. Außerdem ist die Infrastrukturpolitik endlich mit den Klimazielen in Einklang zu bringen.

In FM4 Auf Laut diskutieren wir am Dienstagabend ab 21 Uhr mit euch über euren persönlichen Masterplan, um von A nach B zu kommen. Ins Wochenende mit dem Flugzeug? Zum Supermarkt mit dem Auto? In die Arbeit mit dem Moped? Oder ist das Fahrrad deine Alternative? Liegt vor uns ein neues, multimobiles Zeitalter? Anrufen und mitdiskutieren ab 21 Uhr unter 0800 226996.

Wie sehen Sie den Ausbau des Flughafens Wien?

Christian Gratzer: Das Klimaabkommen von Paris bedeutet ja, dass wir von fossilen Treibstoffen wegkommen müssen. Da macht es keinen Sinn, eine dritte Piste hinzustellen. Das gilt auch für Autobahnen und Schnellstraßen. Jede Almhütte ist mit dem Auto erreichbar, aber mit der Bahn ist nicht einmal jede Stadt in Österreich erreichbar. Statt in den Straßenausbau ist in Gehwege und Radwege zu investieren. In den ländlichen Regionen haben viele nicht einmal einen sicheren Gehweg ins nächste Ortsgebiet.

Oft wird argumentiert, der Flugverkehr könnte in Richtung Bratislava abwandern?

Christian Gratzer: Es ist wichtig, dass wir in Zukunft insgesamt weniger fliegen, für internationale Reisen muss das Angebot in puncto Bahn verbessert werden. Man kann auch bei Geschäftsreisen einsparen, z. B. durch Videokonferenzen. Die Flüge, die in Zukunft notwendig sein werden, lassen sich auch mit dem bestehenden Flughafen Wien gut abdecken.

Ist die nun beschlossene 12-Euro-Flugticketabgabe für Kurz- und Mittelstreckenflüge ausreichend?

Christian Gratzer: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir hätten uns gewünscht, dass die Erhöhung deutlicher ausfällt. Man hätte sicher beim dreifachen Betrag ansetzen können. Es braucht ein deutliches Preissignal gerade für Kurzstreckenflüge, die sind besonders umweltschädlich. Darüber hinaus braucht es eine Kerosinbesteuerung auf EU-Ebene. Durch die fehlende Steuer wird der Flugverkehr derzeit mit 30 Milliarden Euro jährlich indirekt subventioniert. Durch die fehlende Mehrwertsteuer auf Flugtickets kommen weitere 40 Milliarden Euro dazu. Mit gigantischen Summen wird ein klimaschädliches Verkehrsmittel subventioniert.

Christian Gratzer

VCÖ

Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich

Aber macht eine Kostenwahrheit im Flugverkehr das Fliegen für viele nicht unerschwinglich?

Christian Gratzer: Das Flugzeug ist schon heute ein elitäres Verkehrsmittel. Viele fliegen gar nicht. Nur 20 Prozent fliegen sehr viel, darunter gibt es viele Geschäftsflüge. Wir können es uns nicht leisten, dass wir das Fliegen künstlich billig halten. Es ist ja auch gesundheitsschädlich durch Lärm und Abgase.

Wie wichtig ist der Ausbau der Bahn für PendlerInnen? Im Regierungsübereinkommen steht: mehr Geld für den Nahverkehr.

Christian Gratzer: Da braucht es dringend den Ausbau der Infrastruktur. Z. B. im Ballungsraum Wien stößt der Bahnverkehr schon an Kapazitätsgrenzen. Wir können aber auch von anderen Großstadtregionen lernen, die ihre Radschnellwege ausbauen, damit ein Teil der Bahn- und Autonutzer*innen in Ballungsräumen aufs Radfahren umsteigen. Wir müssen vernetzt über die Verkehrsträger hinaus denken. Nur so können wir die Verkehrsprobleme in den Griff bekommen und den Verkehr auf Klimakurs bringen.

Auch wichtig für den Nahverkehr: die Arbeitszeiten haben sich verändert. Daher reicht es nicht, nur zu klassischen Pendlerzeiten gute Verbindungen anzubieten. Sondern es braucht auch ein gutes Angebot tagsüber, am späteren Abend und am Wochenende.

Angekündigt ist das „1-2-3-Österreich-Ticket“, eine österreichweite Jahresnetzkarte um 3 Euro pro Tag für den gesamten öffentlichen Verkehr. Die Öffis sollen auch insgesamt öfter fahren, mindestens einmal die Stunde. Was sagen Sie dazu?

Christian Gratzer: Ein regelmäßiges Mindestangebot ist wichtig. Da ist Vorarlberg ein Vorbild. Seit 25 Jahren fährt dort ein Bus in den Bregenzerwald. Das Argument, das sei in dünn besiedelten Regionen nicht möglich, stimmt also nicht. Man muss nur wollen. Und ein günstiges Angebot bei Jahresnetzkarten ist sicher auch ein Motivator für den Umstieg auf die Bahn.

Als eine wichtige Säule des Verkehrs der Zukunft wird die E-Mobilität gepriesen. Aber E-Autos stehen auch in der Kritik, etwa wegen umweltschädlicher Herstellung der Batterie.

Christian Gratzer: E-Mobilität bedeutet nicht nur E-Autos. Wo heute schon am meisten E-Mobilität genutzt wird, ist beim öffentlichen Verkehr: Bahn, Straßenbahn, U-Bahn und teilweise auch schon Busse. Das am häufigsten gekaufte Verkehrsmittel mit Elektromotor ist das Elektrofahrrad.

Wenn wir unser Klimaziel erreichen wollen, dann müssen wir, erstens, Verkehr vermeiden. Es braucht eine bessere Siedlungspolitik, wir müssen die Ortskerne stärken. Zweitens müssen wir den Verkehr verlagern und drittens den Verkehr verbessern. Das, was an Restmobilität noch da ist, muss energiesparender und CO2-frei abgewickelt werden. Da weist der Batterie-elektrische Antrieb eben die höchste Energieeffizienz auf.

Ist der oft genannte Wasserstoff-Antrieb eine Alternative?

Christian Gratzer: Aktuell passieren 90 Prozent der Wasserstoffproduktion durch den fossilen Treibstoff Erdgas. Und Wasserstoff brauchen wir, um die Industrie von Erdöl und Kohle unabhängig zu machen. Wir werden es uns daher nicht leisten können, den wertvollen Wasserstoff ins Auto zu tanken.

Um die Klimaziele erreichen zu können, wird der Rest an Automobilität mit E-Autos abgewickelt werden müssen. Es sei denn, es fällt jemandem ein besseres emissionsfreies Konzept ein. Vor allem im ländlichen Raum. Viele produzieren dort umweltfreundlich den eigenen Strom mit einer Fotovoltaikanlage in der Garage selbst.

Wie sieht Ihr persönlicher Mobilitäts-Masterplan als Verkehrsexperte aus?

Christian Gratzer: Für den neun Kilometer langen Weg zur Arbeit nehme ich täglich das Fahrrad. Auch Öffis sind wichtig für mich. Die Bahn nutze ich, obwohl auf den Regionalstrecken das Angebot noch zu wünschen übrig lässt. Und am Land nutze ich das Auto.

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In FM4 Auf Laut diskutieren wir diesmal mit euch über euren persönlichen Masterplan, um von A nach B zu kommen. Ins Wochenende mit dem Flugzeug? Zum Supermarkt mit dem Auto? In die Arbeit mit dem Moped? Oder ist das Fahrrad deine Alternative? Liegt vor uns ein neues, multimobiles Zeitalter?

Anrufen und mitdiskutieren am Dienstagabend ab 21 Uhr unter 0800 226996.

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