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Katja Lewina: "Sie hat Bock" Cover

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Sex, Lust und Ehrlichkeit

Wenn eine Frau gerne Sex hat, vielleicht auch noch mit mehreren Menschen, und offen über sämtliche Körperlichkeiten redet, stößt sie auf viel Widerstand. Die Autorin Katja Lewina arbeitet dagegen an.

Von Conny Lee

Katja Lewina ist freie Autorin und arbeitet für sehr unterschiedliche Medien, von Brigitte bis zum Playboy Magazin. In ihren Texten schreibt sie darüber, dass sie mit ihrem Mann in einer offenen Beziehung lebt, Partnerschaften und Sex mit anderen Männern und auch Frauen hat. Dafür, dass sie ihre Sexualität frei auslebt und auch noch in aller Öffentlichkeit darüber berichtet, wird sie mitunter angefeindet und beschimpft, mit allen herabwürdigenden Bezeichnungen, die es für Frauen so gibt. Für Männer, die mit vielen Partner*Innen Sex haben, gibt es solche Bezeichnungen nicht in diesem Ausmaß. Denn Sexualität von Frauen und von Männern wird einfach nicht gleich wahrgenommen. Wie sexistisch unser Sex ist, dieser Frage ist Katja Lewina in ihrem Buch „Sie hat Bock“ nachgegangen.

Sendungsbild Interview Podcast

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Das Interview mit Katja Lewina es auch hier im FM4 Interview Podcast

Sie legt die Entwicklung ihrer Sexualität - von Kindheit über Jugendzeit bis heute - im Buch offen dar, und spart dabei auch traumatische Erfahrungen nicht aus. Katja Lewina beschönigt nicht, dramatisiert auch nicht: Sie erzählt, offen und oft mit viel Humor. Sie schreibt nicht nur über ihre Erfahrungen, sondern reflektiert auch über den Status Quo von Sexualität, wenn es zum Beispiel um gleichberechtigte Verhütung geht, oder um den Kult der um weibliche Jungfräulichkeit betrieben wird. Sie schreibt über Analsex, Körpersäfte, Schamhaare, Oralsex, Masturbation, den männlichen Blick in Pornographie oder über die verbreitete Wahrnehmung, dass der vaginale Orgasmus der einzig wahre sei.

"Es lief schon eine Weile zwischen Georg und mir, und ich war vermutlich schon an die dreihundert Mal mit ihm gekommen, schließlich konnte mein Unterleib manchmal kaum aufhören, hatte er erst damit angefangen. Gerade erst war ich fünf Mal in seinem Mund explodiert, das Bett war zerwühlt, seine Mitbewohner*innen waren in Angst und Schrecken versetzt, dennoch war Georg nicht ganz zufrieden mit der Situation. „Warum hast du bloß keinen Orgasmus beim Sex? Alle, mit denen ich bisher was hatte, konnten das“, sagte er. „Auf Anhieb“.

cover Sie hat Bock

Dumont Verlag

„Sie hat Bock“ von Katja Lewina ist erschienen beim Dumont Verlag.

Was für ein schizophrener Moment: Mir war nach Losprusten, denn mir selbst waren in meinem ganzen Leben vielleicht drei, vier Frauen begegnet, die von Rein-Raus kamen. Außerdem waren da noch all die Studien, die belegten, dass nur etwa ein Viertel aller Frauen allein von Rein-Raus zum Höhepunkt kommen. Empirisch betrachtet war das, was er sagte, also völliger Mumpitz. Andererseits stellte ich mich augenblicklich selbst infrage: Was, wenn tatsächlich mit mir irgendetwas nicht stimmte?"

Wer sich so entblößt wie Katja Lewina in ihren Texten, macht sich angreifbar. Und sie wird häufig verbal angegriffen, hauptsächlich von Männern, aber auch von Frauen. Und als die Autorin die Reaktionen auf ihre ersten Texte erlebte, wusste sie auch wirklich nicht, ob sie weiterhin so offen schreiben will oder sich nicht lieber verstecken, erzählt sie im Interview. Aber je öfter sie einfach gerade heraus schrieb und sprach, desto freier wurde sie, so Lewina. Sie räumt zwar ein, dass es eine dicke Haut braucht, die man sich erst einmal zulegen muss, aber an der Heftigkeit der Reaktionen merke man auch, wie brisant das Thema sei und dass daher kein Weg daran vorbeiführt, sich weiter damit zu befassen. Und das Wichtigste, so die Autorin, sei zu begreifen, dass die Beschimpfungen nichts Persönliches seien, sondern „die Typen haben ein Problem, nicht du hast es“.

Katja Lewina bezieht sich in „Sie hat Bock“ auf zeitgenössische feministische Autor*Innen wie Margarete Stokowski oder Liv Strömquist und reiht sich mit ihrem Buch unter sie ein. Die deutsche Autorin betreibt feministische Aufklärung mit ihre Geschichten und Gedanken, die nicht nur befreit von falschem Schamgefühl und Tabus sind, sondern auch befreiend wirken, wenn man sie liest. Vom „offen umgehen mit -“ hin zu „selbst offen reden über Sexualität“ ist es allerdings kein einfacher Schritt. Die Autorin plädiert dafür, dass wir alle offener im Umgang mit Sexualität und unseren Wünschen würden, und insbesondere Frauen sich nicht mehr den Mund verbieten lassen.

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