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Buch "Haarmann" des Autors Dirk Kurbjuweit

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Haarmann: Der Werwolf von Hannover

Dirk Kurbjuweit erzählt aus der Sicht des fiktiven Kommissars Robert Lahnstein einen der grausamsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte und verknüpft diese mit der politischen und sozialen Dimension der Weimarer Republik.

Von Philipp Emberger

Cover Buch "Haarmann" von Dirk Kurbjuweit

Penguin

„Haarmann“ ist im Penguin Verlag erschienen und hat 320 Seiten.

Fritz Haarmann hat als einer der brutalsten Serienmörder Eingang gefunden in die deutsche Kriminalgeschichte. Seitdem fand der Kriminalfall rund um ihn viele Verarbeitungen in Kunst und Kultur.

Knapp 100 Jahre nach den Vorfällen in der Weimarer Republik (1918-1933) bringt der deutsche Autor und Journalist Dirk Kurbjuweit nun einen vielschichtigen Roman heraus, in dem er die realen Ereignisse aus der Sicht des fiktiven Polizisten Robert Lahnstein erzählt. Mit Spitznamen wie „Der Vampir“ oder „Der Werwolf von Hannover“ ausgestattet, tötete Fritz Haarman in der Zeit zwischen 1918 und 1924 in Hannover mehr als zwei Dutzend junge Männer.

Im Roman „Haarmann“ wird der fiktive Ermittler Robert Lahnstein zu den vielen Vermisstenfällen nach Hannover hinzugezogen und macht sich auf die Suche nach den vermissten Jungs. Der Ermittler bemerkt, dass sich der Fall komplex gestaltet, viele Hinweise verlaufen ins Nichts. Es scheint als würde der Täter als Marionettenspieler die verschiedenen Protagonist*innen gegeneinander ausspielen. Lahnstein realisiert, dass die Lösung der Verbrechen auch innerhalb des Polizeipräsidiums zu suchen ist.

Die Geschichte Fritz Haarmanns markiert auch eine Verfehlung der deutschen Polizeiarbeit. Kurbjuweit liefert gleichzeitig auch einen anschaulichen Einblick in die politische Stimmung der fragilen Zwischenkriegszeit.

Geboren am 17.5.

Die Ermittlung führen Robert Lahnstein in viele Schichten der Hannover Gesellschaft. Eine davon ist das Rotlichtmilieu mit seinen männlichen Prostituierten, genannt „Puppenjungs“. Im Hannover der 1920er treffen sich schwule Männer im Café Kröpcke und der Roman wird auch zu einer Studie über den Umgang mit Homosexualität in der Weimarer Republik.

„Sie traten aus den Schatten der Bäume, hakten sich bei ihm ein, manchmal griff einer in seinen Schritt. Er wischte die dreiste Hand weg, zischte „sei vorsichtig“, und das meinte er in einem doppelten Sinne. Die Knaben lachten.“

Als „175er“ bzw. „am 17.5. Geborene“ wurden in Anspielung auf den Paragrafen im Strafgesetzbuch männliche Personen bezeichnet, die mit anderen Männern verkehrten. Ab 1872 stellte der §175 des deutschen Strafgesetzbuches sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Nach mehreren Reformen und zwischenzeitlichen Verschärfungen im Nationalsozialismus wurde 1994 der §175 endgültig im gesamten deutschen Bundesgebiet ersatzlos gestrichen. Nachdem am 17.5.1990 Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht mehr als Krankheit eingestuft wird, findet jedes Jahr am 17. Mai der internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie statt.

Serienmörder Fritz Haarmann

Mit historischer Präzision spannt Kurbjuweit die Geschichte des Kommissars Lahnstein rund um die realen Ereignisse des deutschen Serienmörders Fritz Haarmann. Wahre Begebenheiten wie der Hitlerputsch im November 1923 geben einen Einblick über die politisch aufgeladene Stimmung in der Gesellschaft der 1920er-Jahre und Kurbjuweit arbeitet so präzise die politische Dimension des Falles Haarmanns heraus.

Der Polizist Robert Lahnstein sieht sich mit der Situation konfrontiert, nicht nur die Vermisstenfälle in Hannover aufzuklären, sondern auch die Demokratie gegen ihre Feind*innen zu verteidigen. Politische Gruppierungen versuchten rasch den Fall Haarmann zu instrumentalisieren und damit die eigene politische Weltanschauung und Agenda zu unterfüttern. Während Sozialdemokrat*innen den Blick auf die sozialen Missstände im Proletariat richteten, stilisierte der monarchistische Teil der Gesellschaft Haarmann als Wurzel allen Übels der Weimarer Republik. Zudem schwebt die Gefahr des aufkommenden Nationalsozialismus über den Protagonist*innen des Romans.

Angespannte Grundstimmung

Diese angespannte Stimmung bildet Dirk Kurbjuweit in seinem Roman gut ab und vermittelt den Leser*innen einen Eindruck über eine wesentliche Zeit der deutschen Geschichte, die schlussendlich auch zum Aufstieg der Nationalsozialisten geführt hat.

„Sie fragen sich, ist das jetzt die Demokratie, die Republik, zwölf Tote in einem Jahr, und kein Täter, keine Spur? Unter dem Kaiser wäre das nicht passiert, sagen sie. Kann die Demokratie nicht für unsere Sicherheit sorgen?, fragen sich die Leute, nicht wahr?“

Autorenfoto Dirk Kurbjuweit

Susanne Schleyer/autorenarchiv.de

Dirk Kurbjuweit ist Journalist und Schriftsteller, studierte Volkswirtschaftslehre und arbeitete zunächst für die Wochenzeitschrift „Die Zeit“, bevor er zum „Der Spiegel“ wechselte.

Der Kriminalfall Fritz Haarmann ist eine Geschichte über eine junge deutsche Republik, die sich in einer unsicheren Zeit nach dem ersten Weltkrieg befindet. Die Geschehnisse des ersten Weltkriegs zwischen 1914 und 1918 werfen immer noch ihre Schatten und die düstere und beklemmende Stimmung der wilden 20er-Jahre tritt zutage.

Das Buch beinhaltet aber auch eine Geschichte über schlampige Polizeiarbeit und porträtiert einen Polizisten, der mit seiner eigenen Vergangenheit und seinem Begehren konfrontiert wird. Zwar fokussiert sich Kurbjuweit primär auf die Geschichte aus Sicht des Ermittlers Robert Lahnstein, doch zu Beginn und zum Ende eines jeden Kapitels liefert der Autor auch einen beklemmenden Einblick in die Gedankenwelt des Täters und seiner Opfer.

Mit psychiatrischen Gutachten und anderen Dokumenten ist es dieser Erzählstruktur zu verdanken, dass man als Leser*in einen vielschichtigen und umfassenden Eindruck bekommt. Damit schafft Dirk Kurbjuweit viele verschiedene Anknüpfungspunkte an den Fall Fritz Haarmann. Der Roman „Haarmann“ kombiniert True Crime mit einer fiktiven Geschichte und erzählt fesselnd einen der brutalsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte.

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