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Dokumentation Honeyland

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„Honeyland“: Beeindruckende Doku aus Nordmazedonien

In der vielfach ausgezeichneten Dokumentation „Honeyland – Land des Honigs“ zeigen zwei nordmazedonische Filmemacher*innen mit imposanten Bildern, wie ein Leben im Einklang mit der Natur aussehen kann.

Von Philipp Emberger

Eine karge Landschaft mit kleinen verdorrten Sträuchern. Die Kamera folgt einer älteren Frau, auf dem Kopf trägt sie ein grünes Kopftuch mit gelb-weißem Orchideenmuster, die gelbe abgenutzte Bluse flattert im Wind. Wir begleiten sie dabei, wie sie an einer schroffen Steinwand hantiert. Hinter dem Steindeckel offenbart sich das summende Thema der nächsten 90 Minuten: Bienen

Mit solchen atmosphärischen und faszinierenden Bildern haben die nordmazedonischen Regisseur*innen Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov eine imposante Dokumentation geschaffen. In „Honeyland – Land des Honigs“ wird die Imkerin Hatidze Muratova gezeigt. Sie ist eine der letzten Wildbienenzüchterinnen in der Region und kümmert sich auf traditionelle Art um ihre Bienen. Zusammen mit ihrer kranken Mutter lebt sie in einer abgelegenen Bergregion Nordmazedoniens. Die Region ist so abgelegen, dass man sich als Zuseher*in fragt, wie die Filmemacher*innen überhaupt dorthin gekommen sind.

Einsam in den Bergen

Hatidze und ihre Mutter Nazife sind die einzigen Bewohner*innen des sonst verlassenen Steindorfes, das infrastrukturell schlecht bis gar nicht ausgestattet ist. Es gibt keinen Strom und kein fließendes Wasser. Das hatte auch Auswirkungen auf die Dreharbeiten. Als Lichtquelle mussten Kerzen, Öllampen oder das Umgebungslicht dienen. Dieser Optik ist es zu verdanken, dass der Film, obwohl er an manchen Stellen fast schon spielfilmmäßig erscheint, natürlich wirkt und einen sehr ungefilterten Eindruck der Szenerie vermittelt.

Dokumentation Honeyland

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Die Hälfte für dich, die Hälfte für mich

Die oberste Handlungsmaxime der Imkerin ist geprägt von gegenseitigem Nutzen für Natur und Mensch. „Die Hälfte für dich, die Hälfte für mich“ sagt sie stets ihren Bienen, wenn sie die Hälfte des Honigs abschöpft. Somit stellt sie sicher, dass genügend Honig für die Bienen übrigbleibt. Dieser Honig ist notwendig, damit die Bienen selbst Nahrung haben.

Diese Balance zwischen Natur und Mensch zeigt „Honeyland“ in ruhigen Bildern und erzeugt eine umwerfende Atmosphäre. Die Wildbienenzüchtern Hatidze wird zum Testimonial für einen respektvollen Umgang mit der Natur. Gleichzeitig ist „Honeyland“ aber auch das Portrait einer starken Frau. Um ihren nachhaltigen Honig zu verkaufen, muss Hatidze einen vierstündigen Weg in die nordmazedonische Hauptstadt Skopje in Kauf nehmen. Dafür muss sie über weite Strecken gehen, um dann mit dem Zug in die Stadt fahren zu können. Mit dem Erlös ihres Honigs kümmert sie sich um ihre Mutter, die auf die Hilfe der Tochter angewiesen ist.

Dokumentation Honeyland

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Im Rahmen der „Future x Days“ am 11.3. veranstaltet das Stadtkino Wien eine Vorpremiere der Dokumentation. Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion rund um das Thema Honig statt.

Schluss mit der Idylle

Die friedliche Koexistenz gerät allerdings eines Tages in Gefahr. Eine Nomadenfamilie bringt Aufruhr in das kleine Steindorf und lässt sich mit Traktor, Wohnwagen, sieben Kindern und einer Kuhherde neben der Imkerin nieder. Zu Beginn steht Hatidze den neuen Nachbar*innen positiv gegenüber. Doch die die anfängliche Freundschaft der ungeplanten Dorfgemeinschaft bekommt angetrieben von der Profitgier der Nachbar*innen Risse. Das Familienoberhaupt der Nomad*innen verschreibt sich ebenfalls der Imkerei, missachtet jedoch den Rat der Imkerin und zieht den ganzen Honig aus dem Bienenstock ab.

Die lärmenden Nachbar*innen werden von den Filmemacher*innen mit ruhigen Bildern eingefangen. In diesem Konflikt entfaltet sich auch die ganze Wirkung der Dokumentation. Die Neo-Imker*innen werden, wenn auch etwas unfreiwillig, zum Symbol für zerstörerischen Umgang mit der Natur, während Hatidze die Antithese dazu verkörpert. Das mag brutal klingen, aber die Regisseur*innen schaffen es, die Nomad*innen nicht als Brutalos dastehen zu lassen, sondern erzählen die Geschichte mit einer sympathischen Leichtigkeit.

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Die Dokumentation wurde über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg gedreht. Dieser lange Drehzeitraum macht es teilweise schwer dem zeitlichen Verlauf konstant zu folgen. Das stört aber nicht weiter, denn Orientierung bieten die neuen Sorgenfalten der Protagonist*innen und das Heranwachsen der Nachbarskinder. Gleichzeitig macht der lange Drehzeitraum die Entwicklung des Dorfes und des Zusammenlebens ihrer Bewohner*innen in allen Facetten erlebbar. Neben der Botschaft die Natur mit Respekt zu behandeln, zeigt der Film auch den menschlichen Umgang, wenn verschiedene Interessen aufeinanderprallen.

Dabei war es sogar mehr Zufall, dass die Dokumentation entstanden ist. In einem Interview verriet der Drehbuchautor Fejmi Daut, dass der Kontakt zu Hatidze zufällig zustande kam. Ein Glück für alle Kinobesucher*innen, dass es zu dieser Begegnung kam.

Preisregen für Honeyland

„Honeyland“ ist zurecht bereits jetzt einer der erfolgreichsten nordmazedonischen Filme. Zahlreiche Preise hat die Dokumentation seit Veröffentlichung gewonnen. Beim Sundance Film Festival hat die Doku gleich drei Preise abgeräumt. Bei den Oscars wurde „Honeyland“ nach „Before the Rain“ aus dem Jahr 1994 als zweiter nordmazedonischer Film überhaupt nominiert: In der Kategorie Bester Dokumentationsfilm und Bester internationaler Film. Gewonnen hat schlussendlich eine andere Dokumentation, aber „Honeyland“ war das erste Werk, das neben der Doku-Kategorie auch in der internationalen Kategorie nominiert worden ist.

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